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Dunkle Wolken über dem Nationalstadion in Tokio. Olympia 2021 ist mehr denn je ungewiss.

© imago images/Kyodo News

Sommerspiele trotz Coronavirus-Pandemie?: Wie Olympia die Japaner verärgert

Trotz Corona-Notstand in Tokio soll Olympia in diesem Jahr stattfinden. So wollen es die Veranstalter. Aber nicht das japanische Volk.

Die Spiele sollen beginnen. Trotz Corona. Das zumindest ist der Plan der Veranstalter in Japan und dem Internationalen Olympischen Komitee um dessen deutschen Präsidenten Thomas Bach. Doch genau das sollten sie schon vor einem Jahr. Lange wurde gezögert, ehe im Frühjahr 2020 dann doch das Unvermeidliche vermeldet werden musste: die Absage beziehungsweise die Verlegung der Olympischen Spiele und der Paralympics in Tokio auf diesen Sommer.

Es ist noch ein halbes Jahr hin, bis die beiden Events mit insgesamt rund 15.000 Athletinnen und Athleten aus 200 Ländern plus einer riesigen Schar an Medienvertretern, Funktionären, Schiedsrichtern und – so der Plan – Zuschauern ausgetragen werden sollen. Ob es so weit kommt, ist auch zum jetzigen Zeitpunkt längst nicht ausgemacht, obwohl vor allem Thomas Bach den Eindruck vermittelt, als sei die olympische Bewegung immun gegen das Virus. Das Blöde ist nur: Wie schon vor einem Jahr nährt die Verbreitung des Virus die Zweifel.

In vielen Ländern auf der Welt steigen die Infektionszahlen, auch in Japan und speziell in Tokio, wo vor wenigen Tagen der Notstand wegen der Coronavirus-Pandemie ausgerufen worden ist. Olympische Spiele können und möchten sich inzwischen viele Japaner nicht mehr vorstellen.

Dazu gehört auch Yu Kajikawa. Die 58-Jährige stammt ursprünglich aus Tokio und lebt seit 2012 in Berlin. Mit einer Gruppe von Mitstreitern macht sie in Berlin seit Jahren auf die mangelnde Aufarbeitung der Fukushima-Katastrophe im Jahr 2011 aufmerksam. Auch die Olympia-Pläne sieht sie kritisch. „Ein Großteil der Japaner glaubt ohnehin nicht mehr, dass das realisierbar ist. In Japan ist ja noch nicht einmal ein Impfstoff zugelassen“, erzählt sie.

Kajikawa verstört, dass sich das Land in der Pandemie einerseits rigoros abgeschottet hat und andererseits die Türen für viele Tausend Menschen wegen der Ereignisse im Sommer öffnen will. Ihr selbst sei im vergangenen Jahr die Einreise nach Japan verboten worden, obwohl ihr Vater verstorben war. Auch in diesem Jahr hat sie als inzwischen Ausländerin mit deutschem Pass noch keine Einreisegenehmigung nach Japan bekommen. „Doch für Olympia wird die große Ausnahme gemacht. Das ärgert viele Japaner“, sagt sie. Tatsächlich sind Umfragen zufolge rund zwei Drittel der Japaner inzwischen gegen eine Austragung von Olympia und Paralympics.

Johannes Herber, 37, ist Geschäftsführer der Sportlergewerkschaft Athleten Deutschland.

© picture alliance/dpa

Auch für die vielen Athletinnen und Athleten weltweit sind die Olympischen Spiele, sollten sie denn stattfinden, eine große Herausforderung, wie Johannes Herber deutlich macht. Das größte Problem seien dabei nicht die Spiele an sich, sondern all die Qualifikationswettbewerbe zuvor, erzählt der 37-Jährige von der Sportlergewerkschaft Athleten Deutschland dem Tagesspiegel. „Sportlerinnen und Sportler, die sich teils unverschuldet in Quarantäne befinden, werden nicht an Qualifikationswettbewerben teilnehmen können“, sagt Herber.

Solche Fälle hat es bereits mehrfach gegeben. So durfte zum Beispiel vor wenigen Tagen das gesamte japanische Badminton-Team nicht zu den World Tour Finals nach Bangkok reisen, weil Mannschaftskollege Kento Momota positiv getestet worden war. Außerdem, so Herber, fragten sich die Athletinnen und Athleten sorgenvoll, wie die jeweiligen Wettkampfbedingungen in den unterschiedlichen Ländern seien. „Es ist leider davon auszugehen, dass es durch diesen gestörten Vorlauf bei den Qualifikationen zu großen Verzerrungen und Ungerechtigkeiten kommen wird“, fürchtet er.

Schon jetzt ist bereits so gut wie sicher, dass bei Olympischen Spielen in diesem Jahr in Tokio nicht immer die Besten auf dem Treppchen stehen würden, sondern jene, um die das Virus einen Bogen gemacht hat.

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Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, der die Vorfreude auf die Olympischen Spiele und die anschließenden Paralympics arg schmälert: Was die Spiele sonst ausmacht, ist die besondere Atmosphäre, die nur entstehen kann, wenn viele Menschen zusammenkommen. Das alles würde es in Tokio in diesem Jahr nicht geben. „Ich befürchte, dass es sehr sterile Spiele werden“, sagt Herber. „Ich kann mir im Moment kaum vorstellen, dass – wie bisher geplant – Zuschauer die Wettbewerbe besuchen können.“

Aber nicht nur das: Die Hygienemaßnahmen dürften sehr streng sein. Die Athleten müssten wohl schnell nach den Wettkämpfen das Olympische Dorf verlassen. Auch sonstige Höhepunkte der Spiele, die Eröffnungs- und die Schlussfeiern, würden aller Voraussicht nach nur sehr reglementiert abgehalten werden können. Anstrengend dürfte zudem das tägliche Leben im Olympischen Dorf werden, etwa das Verhalten in der Kantine mit peniblen Zeitslots für die vielen Sportlerinnen und Sportler.

Wie konkret die Abläufe im Olympischen Dorf sein werden, ist noch nicht bekannt. Dafür ist es noch zu früh. Denn sicher ist auch in diesem Jahr bislang nur die Ungewissheit. Darüber, wie sich das Virus ausbreitet. Und darüber, ob Olympia und Paralympics stattfinden können.

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