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Auf einem neuen Level. Ihre persönliche Bestleistung hat Friedelinde Petershofen auf 4,55 Meter geschraubt, wodurch sie den Sprung ins deutsche WM-Team schaffte.

© imago/Beautiful Sports

Potsdamer Leichtathletik: Im Steigflug

Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London gibt die Potsdamerin Friedelinde Petershofen ihr Debüt in der deutschen Elite-Nationalmannschaft. Ihre WM-Teilnahme ist eine Überraschung. Die Qualifikation gelang ihr an einem Tag, der für sie vieles änderte.

Von Tobias Gutsche

Höhenangst hat wohl niemand, der Stabhochsprung betreibt. Doch eine gewisse Scheu vor bestimmten Sphären, durch die man fliegt, ist durchaus anzufinden. So etwa bei Friedelinde Petershofen. Lange Zeit habe sie derart viel Respekt davor gehabt, sich an die Höhe von 4,50 Metern zu wagen, dass dieses Gefühl sie auf dem Weg nach oben hemmte und letztlich scheitern ließ, erzählt die Leichtathletin des SC Potsdam. Und dann kam der 8. Juli 2017, die deutsche Meisterschaft im Erfurter Steigerwaldstadion, in dem sie einen sensationellen Steigflug erlebte.

Saisonziel war eigentlich nur die U23-EM

Ihre Freiluft-Bestleistung von 4,30 Meter schraubte Friedelinde Petershofen stückweise hoch. Erst auf 4,35 – dann 4,45 – und am Ende sogar auf 4,55. Die hemmende Marke war geknackt. „Mit diesem Wettkampf hat sich alles bei mir geändert. Ich fühle mich durch ihn viel wohler und sicherer. Das war wie ein Bruch. Ich habe überhaupt keine Scheu mehr vor solchen Höhen“, sagt die 22-Jährige. Wieder in diese Region vorstoßen möchte sie nun bei der Weltmeisterschaft in London. Dafür hat sich Petershofen dank ihrer Leistung von Erfurt, wo sie Bronze gewann, qualifiziert. Eine völlig unverhoffte Nominierungspremiere für das deutsche Elite-Nationalteam.

Schließlich war die gesamte Saisonplanung eigentlich voll auf die U23-Europameisterschaft Mitte Juli in Polen ausgerichtet. Die nötige Norm von 4,25 Metern knackte die zweifache nationale U23-Meisterin frühzeitig. Alles lief nach Plan, bis das Championat von Erfurt einen positiven Strich durch die Rechnung machte. „Dort wollte ich eigentlich nur nochmal springen, um ein bisschen Wettkampfpraxis vor der EM sammeln. Aber plötzlich lief es einfach so unglaublich gut“, erinnert sich Petershofen.

"Ausreißer nach oben" hatte sich angedeutet

Wichtiger Faktor war der Stab. Als die Latte immer höher gelegt wurde, wechselte die Ende 2014 aus Oldenburg an den Luftschiffhafen gekommene Ex-Turnerin zu einem härteren Arbeitsgerät. Im Vergleich zu den weichen Modellen überträgt das straffere Material beim Aufschwung mehr Energie an den Athleten, katapultiert ihn stärker empor, doch muss man dies auch sicher beherrschen können. Damit hatte Petershofen zuvor so ihre Probleme. Nicht in Erfurt.

Dass sein Schützling ein neues Level irgendwann erreichen wird, davon war der Potsdamer Stützpunkttrainer Stefan Ritter überzeugt. „Das hat sich angedeutet“, sagt er. Im technischen Bereich habe Petershofen dieses Jahr viel hinzugelernt. Sie schaffe es zunehmend besser, ihre Anlaufenergie beim Einstich auf den Stab zu übertragen und später beim Absprung in luftiger Umgebung wieder aufzunehmen. „Es ist ihr außerdem gelungen, ein konstantes Niveau rund um die Bestleistung aufzubauen.“ Statt wie in früheren Zeiten teilweise weit darunter zu bleiben, kam Friedelinde Petershofen nun mit großer Zuverlässigkeit immer in die Nähe ihrer Top-Marke. „Und wenn man an diesem stabilen Punkt ist, dann weiß man im Stabhochspringen, dass auch bald ein Ausreißer nach oben kommt.“ Schlussfolgernd heißt somit die nächste Aufgabe: Bei etwa 4,50 Metern stabilisieren, um dann erneut einen draufzupacken.

Finalteilnahme bei WM wäre "absoluter Traum"

Dass es dafür Geduld und Zeit braucht, musste Friedelinde Petershofen bei der U23-EM erfahren, als sie nur 4,30 und Rang sieben erreichte. Dennoch spüre sie: „An meine Leistung von der deutschen Meisterschaft kann ich jederzeit wieder rankommen.“ Bestenfalls bereits am heutigen Freitagabend im Londoner Olympiastadion, wenn die Qualifikation der Damen auf dem WM-Programm steht. Es ins große Finale am Sonntag zu schaffen, wäre der „absolute Traum“ für das Talent aus der brandenburgischen Landeshauptstadt. „Aber ich fühle überhaupt keinen Druck, sondern nur die Chance, dass ich tolle Erfahrungen mitnehmen kann.“ 

Denn diese ersten Welttitelkämpfe ihrer Karriere sollen nur der Anfang sein. Mehr internationale Einsätze hat sich Friedelinde Petershofen zum Ziel gesetzt, ebenso wie weiterhin kontinuierliche Steigerungen. Beim Nachdenken über ihre sportliche Zukunft beginnt sie zu lächeln und sagt im Stabhochsprung-Duktus:  „Mal schauen, wohin ich noch fliegen kann.“

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