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Starkes Solo. Tamas Gecsö erreicht im Einer beide Weltcup-Finals.

© Ronald Verch/Verein

Potsdam und die Kanu-WM 2019: Heimspiel für den Gulasch-Hasser Tamas Gecsö

Für Tamas Gecsö vom KC Potsdam ist die Kanu-Weltmeisterschaft in Szeged etwas ganz Besonderes. Er startet für Deutschland, ist aber gebürtiger Ungar. 

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Tamas Gecsö rümpfte die Nase. Als er Anfang des Jahres bei der traditionellen Potsdamer Kanuparty ankam und auf die Speisekarte blickte, konnte er sein Missfallen nicht verbergen. Wie üblich steht die Veranstaltung ganz im Zeichen des Landes, das den Saisonhöhepunkt der Rennpaddler ausrichtet. Dieses Jahr steigt die Weltmeisterschaft in Ungarn, genauer in Szeged. Also war natürlich Szegediner Gulasch auf dem Essensplan zu finden. Aber das löste eben gar keine Freude bei Tamas Gecsö aus. „Ich hasse Gulasch“, grummelte der gebürtige Ungar.

Für den Kajakfahrer des KC Potsdam im OSC wird die WM etwas Besonderes. „Irgendwie ein Heimspiel als halber Gast“, sagt er schelmisch grinsend. 2013 war der in Budapest aufgewachsene Mann nach Deutschland gekommen, zunächst nach Berlin, um die deutsche Sprache zu lernen. Den Kanusport hatte er zu diesem Zeitpunkt aus Motivationsproblemen nicht ernsthaft betrieben, was sich aber ein Jahr später mit dem Wechsel an die Potsdamer Sportschule wieder änderte. Tamas, dessen älterer Bruder Tibor ebenso in die Brandenburger Landeshauptstadt zog, bahnte sich an der Havel nicht nur seinen Weg zum Abitur, sondern entwickelte sich auf ihr auch zu einem vielversprechenden Paddel-Ass. Innerhalb des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) wurde daraufhin das Projekt forciert, ihn einzubürgern. Schließlich erhielt der heute 22-Jährige im Oktober 2017 die deutsche Staatsangehörigkeit.

Kurz zuvor hatte Tamas Gecsö für den DKV bereits im Kajak-Vierer über 1000 Meter Bronze bei der Weltmeisterschaft geholt. Laut Regularien war sein WM-Start damals auch ohne doppelten Pass möglich. Allerdings wäre das bei Olympischen Spielen so nicht mehr erlaubt. Und diese Perspektive zeichnet sich für ihn ab. „2020 in Tokio wird schwer, weil die interne Konkurrenz extrem hart ist“, urteilt Gecsö. „Aber wenn ich weiter gut trainiere und Erfahrungen sammle, bin ich 2024 für Paris reif.“

Nachdem er voriges Jahr im nichtol ympischen 1000-Meter-Vierer gar Weltmeister geworden war, gaben ihm die DKV-Verantwortlichen diese Saison eine neue Herausforderung. Er fährt den Kajak-Einer über 1000 Meter, eine Disziplin aus dem Olympiaprogramm. „Wir sind davon überzeugt, dass wir ihn so individuell am besten weiterfördern können“, erklärt der leitende Bundestrainer Arndt Hanisch, der Gecsö in Potsdam coacht. „Tamas hat sehr viel Potenzial für die Zukunft.“ Das stellte er mit seinen diesjährigen Solofahrten unter Beweis. Zwar lief es für ihn krankheitsbedingt bei den Europaspielen nicht rund, doch vorher hatte das Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe es auf beiden Weltcup-Regatten ins A-Finale geschafft. „Wir haben ihn ins kalte Wasser geworfen und er macht das wirklich gut. Die Weltcups waren klasse“, urteilt Hanisch.

Und jetzt also die Weltmeisterschaft in der Heimat. Dort kann Tamas Gecsö auf viel familiäre Unterstützung bauen, während Tausende Fans im kanuverrückten Ungarn ihre Landsleute nach vorne peitschen werden. „Im ungarischen Verband wissen sie von mir. Und ich denke, dass auch die Zuschauer – durch meinen Namen – mitbekommen, wo meine Wurzeln liegen“, erzählt der Modellathlet. „Vielleicht haben sie ja ein paar Anfeuuerungsrufe für mich übrig.“

Er selbst hat derweil für Gulasch nichts übrig. Wenn seine Mutter und sein Vater zu Wettkämpfen nach Deutschland kommen, kochen sie oftmals für den Potsdamer Verein jenes Gericht. „Das sind gut und gern 80 Liter. Die Leute hier lieben das“, berichtet Tamas Gecsö, der trotz seiner persönlichen Abneigung dann artig mitspeist. „Aus Respekt vor meinen Eltern und ihrer Arbeit.“ Wenn er sich aber bei der WM in Ungarn kulinarisch etwas Gutes tun wolle, dann kämen ihm andere Dinge in den Sinn. Langos zum Beispiel, dieser knusprige Teigfladen. „Aber vor allem Fischsuppe. Das“, schwärmt er, „ist der absolute Hammer.“

+++ Kampf um Olympia-Plätze - 13 Potsdamer im WM-Einsatz +++

Bei der am heutigen Mittwoch beginnenden Kanu-Weltmeisterschaft in Szeged wird ein Großteil der sogenannten Quotenplätze für Olympia 2020 vergeben. Dies sind Startberechtigungen für die jeweiligen Nationen. Gekämpft wird darum in den jeweils sechs olympischen Disziplinen der Männer und Frauen, die sich in vier Kajak- und zwei Canadierwettbewerbe unterteilen. Im Kajak kann ein Land pro Geschlecht maximal sechs, im Canadier drei Quotenplätze bekommen. Die Anzahl an ergatterten Plätzen bestimmt dann, mit wie vielen Aktiven nächstes Jahr in Tokio angetreten werden darf. Je mehr Sportler, umso breiter lassen sich die Renneinsätze verteilen. Über den Vierer können vier Quotenplätze eingestrichen werden, über den Zweier zwei und den Einer eben auch nur einer. Aber: Ein Athlet kann unter dem Strich nur einen Platz holen, Doppelstarts in den olympischen Bootsklassen machen daher wenig Sinn, weil so die potenzielle Quotenplatz-Ausbeute automatisch verringert wird. Der Gewinn dieser Plätze bei der WM ist unterschiedlich geregelt – auf der absolut sicheren Seite ist man mit einem Top-5-Resultat. 2020 gibt es noch zwei Möglichkeiten der Nachqualifikation – allerdings nur für die Einer und Zweier. Für die deutschen Sportler, die jetzt Quotenplätze sichern, ist dies nicht gleichbedeutend mit dem direkten Ticket zu den Sommerspielen. Dieses muss 2020 im nationalen Vergleich erkämpft werden.

In Szeged sind 13 Paddler des KC Potsdam im OSC dabei. Auf den wichtigen olympischen Distanzen starten: Franziska John (K4 500 Meter), Conny Waßmuth (K1 500), Ophelia Preller (C2 500), Annika Loske (C1 200), Ronald Rauhe, Max Lemke (beide K4 500), Tamas Gecsö (K1 1000), Timo Haseleu (K1 200) und Sebastian Brendel (C1 1000). Tabea Medert, Jan Vandrey, Felix Frank und Martin Hiller werden auf nichtolympischen Strecken eingesetzt.

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