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Potsdam und die Europaspiele 2015: Paddeln in der Peripherie

Fünf Potsdamer Kanuten kämpfen bei den Europaspielen um Edelmetall. Aber nicht in Baku. Sondern fast 300 Kilometer weiter weg.

Von Tobias Gutsche

Potsdam/Bak/Mingachevir - Die am Freitag beginnenden Europaspiele werden eine Premiere, für alle rund 6 000 teilnehmenden Sportler. Denn Olympia im kontinentalen Format gab es in Europa bislang noch nie. Erster Austragungsort ist Baku – doch dies gilt wiederum nicht für alle Athleten. Die etwa 350 Kanuten, unter ihnen Franziska Weber, Conny Waßmuth, Sebastian Brendel, Ronald Rauhe und Stefan Kiraj aus Potsdam, paddeln nämlich ganz woanders. Im fast 300 Kilometer entfernten Mingachevir.

„Für uns“, sagt Kajaksprinter Ronald Rauhe, „ist das einfach ärgerlich, denn von den Europaspielen an sich werden wir nichts erleben.“ Ihre Wettkämpfe isoliert von den anderen Sportarten zu bestreiten, ist für die Kanu-Rennsportler aber nichts Neues. Auch bei den Olympischen Spielen 2012 ließen sie ihre Boote weit vor den Toren Londons zu Wasser. Auf dem Dorney Lake. Gold und Silber gewann damals Franziska Weber, die es wie Rauhe bedauert, nur auf dem Papier ein Teil der Europaspiele zu sein. „Diese Veranstaltung findet zum ersten Mal überhaupt statt. Da hätte es mich sehr interessiert, zu sehen, welches Feeling vor Ort herrscht. Zum Beispiel im Athletendorf. Gibt es auch bei den European Games eine Art olympischen Geist? Das werden wir an unserer Wettkampfstätte wohl kaum mitbekommen“, findet die Sportlerin des KC Potsdam.

Kür auf der Kur

Jene Wettkampfstätte ist der längste Fluss im Kaukasus: die Kur. Auf ihr wird in 15 Bootsklassen um Edelmetall gekämpft. Doch den Sportlern fällt es schwer, einzuschätzen, welchen Stellenwert die Rennen haben. Franziska Weber meint: „Ich habe noch kein Verhältnis. Wäre ein Sieg bei den Europaspielen höher angesiedelt als bei einer EM? Oder doch tiefer? Ich weiß es nicht.“ Während sich hinsichtlich des ideellen Werts eines Sieges also noch Fragezeichen auftun, ist der finanzielle bereits geklärt. Gold in einer Einzeldisziplin wird vom Deutschen Olympischen Sportbund mit 4 000 Euro prämiert. Team-Triumphe, an denen bis zu vier Sportler beteiligt sind, mit 8 000 Euro. Bei fünf oder mehr Aktiven gibt es 16 000 Euro.

Auch wenn die Preisgelder lukrativ und die Dimensionen des 20 Sportarten umfassenden Events groß sind, sehen die deutschen Paddel-Asse die Europaspiele nur als Zwischenstation auf dem Weg zur Weltmeisterschaft im August in Mailand. „Das ist unser Höhepunkt, darauf liegt der Fokus“, bekräftigt Conny Waßmuth. Dies gelte aber ebenfalls für die anderen Nationen. „Daher wissen wir auch nicht, wie die an die Europaspiele herangehen. Wir hoffen aber, dass starke Konkurrenz am Start ist.“

Extreme klimatische Bedingungen

Im Canadier-Einer über 1000 Meter wird zumindest der Weltbeste seiner Zunft über das Wasser jagen: Sebastian Brendel. Den Olympiasieg, WM- und EM-Gold hat er schon gewonnen. Nun kann ein weiterer Titel hinzukommen. „Das ist ein neues Ziel, eine neue Motivation“, erzählt Brendel. Dass der Wettkampfkalender 2015 mit der EM, den Europaspielen und der WM stark aufgebläht wurde, ist für ihn kein Problem: „Manche Leute sagen, das ist zu viel. Ich finde es aber gut, denn nur durch Wettkämpfe können wir unseren Sport in der Öffentlichkeit präsentieren.“ Beispielsweise im Fernsehen. Und in dieser Hinsicht wird es den Europaspielen nicht an Präsenz in Deutschland mangeln. Der TV-Sender SPORT1 wird an allen 17 Veranstaltungstagen ausführlich live und in Zusammenfassungen aus Baku berichten.

Und aus Mingachevir. Dort herrschen übrigens extreme klimatische Bedingungen. „Man hat uns gesagt, dass das Thermometer durchaus auf 40 bis 45 Grad Celsius steigen kann“, berichtet Canadiersprinter Stefan Kiraj. „Mich stört das nicht, als Sommerkind ist das mein Wetter. Für mich gibt es kein zu warm, sondern nur zu kalt.“ Aber so werden wohl nicht alle denken, räumt Kiraj ein. „Für die meisten sind solche Temperaturen sicherlich eher hart.“

Es wird, das sagen alle KCP-Starter, ein Abenteuer in Aserbaidschan, zu dem sie am heutigen Mittwoch aufbrechen. Zu einem Wettkampf in der Peripherie. Weit weg vom eigentlichen Geschehen. „Sei’s drum“, meint Ronald Rauhe. „Ich bin Leistungssportler. Das heißt, wenn ich da hinfahre, will ich auch gewinnen.“ Und damit die Goldmedaille in einer von 253 Entscheidungen bei der Premiere der Europaspiele einheimsen.

Die Starts der Potsdamer: Franziska Weber (Kajak-Zweier und -Vierer 500 Meter), Conny Waßmuth (Kajak-Vierer 500, Kajak-Zweier 200), Sebastian Brendel (Canadier-Einer 1000), Ronald Rauhe (Kajak-Zweier 200), Stefan Kiraj (Canadier-Einer 200)

Die Kanu-Wettbewerbe finden vom 14. bis 16. Juni statt.

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