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Sport: Olympiasieger und Weltmeister geformt Der Potsdamer Geher-Trainer Hans-Joachim Pathus feiert morgen seinen 70. Geburtstag

„Schinderhannes“ nannte ihn einst Klubarzt-Arzt Dr. Helmut Starke, weil der Trainer seiner Meinung nach seinen Athleten zuweilen zu viel abverlangte.

„Schinderhannes“ nannte ihn einst Klubarzt-Arzt Dr. Helmut Starke, weil der Trainer seiner Meinung nach seinen Athleten zuweilen zu viel abverlangte. „Napoleon“ titulierte ihn DVfL-Mannschaftsarzt Dr. Rüdiger Böhm; beeindruckt davon, wie der Potsdamer das Leben seiner Schützlinge, ihr Trainings- und Wettkampfsystem organisatorisch in den Griff bekam. Ein Waterloo hat es für den einstigen Gehertrainer Dr. Hans-Joachim Pathus, der morgen in seiner Heimatstadt Potsdam seinen 70. Geburtstag feiern wird, aber nie gegeben.

Pathus war weltweit einer der erfolgreichsten Trainer seiner Zunft. Schon 1972 führt er den Potsdamer Peter Frenkel in München zur Goldmedaille. Die letzte internationale Medaille verantwortete er als Teamchef 1992 bei den Olympischen Spielen von Barcelona, wo Ronald Weigel Bronze gewann. Zwischen 1969 und 2004 heimsten seine Schützlinge allein bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zwei Gold-, vier Silber- und zwei Bronzemedaillen ein. Hinzu kommen zwei Erfolge beim Geherweltcup. Die „geringeren“ Erfolge bei Welt- und Europameisterschaften in der Halle hat Pathus nicht gezählt.

Auch als Aktiver war Hans-Joachim Pathus einst erfolgreich. Er war weltbester „Fußgänger“ der Jahre 1965 und 1966 und fünffache DDR-Meister über 20 Kilometer. Aufgewachsen in der Lausitz, fand Pathus nach dem Krieg in Senftenberg, wo er den Bergmannberuf erlernte, zur Leichtathletik. Er war zwar einen Kopf kleiner als die meisten seiner Kameraden, aber mit großer Willensstärke ausgestattet. Dies fiel dem Geher Jürgen Kollosche auf. Er überredete den Ehrgeizling zum Geh-Training. Pathus“ erster Wettkampf war das berühmte „Zwei-Meilen-Gehen“ in Torgau. Er gewann es und schlug dabei den amtierenden Jugendmeister Dieter Neumüller. Nun hatte er „Blut geleckt und blieb dabei“, weiß heute noch sein einstiger Entdecker Kollosche. Seit 1954 trainierte Pathus beim damals neu gegründeten SC Aktivist Brieske-Senftenberg. Bald aber wurde ihm die Lausitz zu klein; er wechselte von Brieske zu Vorwärts Burg-Stargard bzw. Vorwärts Pasewalk und von dort zum ZSK Vorwärts Oberhof. Dort gedachte er Skilangläufer zu werden, weil er im Herbst 1956 bei den Sichtungswettkämpfen für Melbourne zu sehr vom Hallenser Gehertalent Dieter Lindner beeindruckt war. Lindner, einen Kopf größer und ein Jahr jünger, war klar besser. Schließlich aber besann sich Pathus eines Besseren. Er blieb Geher, kam via Neubrandenburg 1958 zum Armeesportklub nach Potsdam und erlebte einen Leistungssprung: Nach 1957 bei den Junioren wurde er 1959 zum ersten Mal DDR-Meister bei den Erwachsenen – wobei er Lindner bezwang. Insgesamt fünf Titel sicherte sich Hans-Joachim Pathus bis 1965 auf der Einzelstrecke über 20 Kilometer. Sieben kamen im Mannschaftswettbewerb hinzu, zweimal wurde er Hallenmeister, dreimal siegte er bei Länderkämpfen, zweimal mit der Weltcupmannschaft. 1965 und 1966 war er jahresweltbester Geher über 20 Kilometer. Für die Olympischen Spiele aber konnte sich Pathus nie qualifizieren. 1968 war er am dichtesten dran, doch eine Magen- Darm-Infektion nahm ihm in der entscheidenden Ausscheidung die Chancen.

Zuvor hatte er in jenem Jahr bis auf Peter Frenkel alle DDR-Größen geschlagen, im Herbst des gleichen Jahres hängte er die Geherschuhe an den Nagel. Nach dem Abschluss seines Diplomsportlehrerstudiums an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam begann Hans-Joachim Pathus 1969 sein Traineramt beim ASK. Da der nun bereits 30-jährige Frenkel immer noch in die Weltspitze drängte, intensivierte Pathus das Training deutlich – mit Erfolg. 1970 ging sein Schützling Weltrekord im 20-Kilometer-Bahngehen, zwei Jahre später wurde Frenkel in München gar Olympiasieger über 20 Kilometer. 1976 in Montreal gewann Frenkel noch einmal Bronze, ehe er seine lange Laufbahn beendete.

Nach dem Triumph von München durften Pathus und sein Erfolgssportler nach Paris. An der dortigen Sorbonne hielten sie im Rahmen einer französischen Trainerweiterbildung im Auftrage der Leichtathletikverbandes der DDR Vorträge – und lernten den französischen Offiziellen Maurice Coubard kennen. 1978 beim Vierländerkampf in Paris trafen sich Pathus und Coubard, der seinen deutschen Kollegen in sein Haus lud, wieder. In Potsdam unterließ es der Trainer danach, den „Westkontakt“ zu melden. Der kam aber heraus und Pathus wurde von 1979 bis 1981 für Auslandsreisen gesperrt.

Inzwischen hatte sich der erfolgreiche Geher-Trainer Nachwuchs nach Potsdam geholt – den Brandenburger Fred Sparmann, den Hildburghauser Ronald Weigel, Mario Kerber aus Sebnitz, Andre Rubarth aus Eisenhüttenstadt, Bernd Gummelt aus Neuruppin sowie Ralf Knütter und Olaf Möldner aus Werder. Sie alle schafften den Sprung in die Nationalmannschaft, ebenso wie Ralph Meisel, Alexander Preusche und Mathias Kroel. Als der mit Abstand erfolgreichste Pathus-Schützling erwies sich Ronald Weigel. Er wurde 1983 Weltmeister über 50 Kilometer, 1987 Vize-Weltmeister und 1988 in Seoul Silbermedaillengewinner sowohl über die lange als auch über die 20-Kilometer- Distanz. Bei den Spielen von Barcelona 1992 kam er auf Rang drei.

Mit der Wende, Pathus hatte gerade seine Promotion über ein trainingsmethodisches Thema im Ausdauerbereich erfolgreich verteidigt, waren NVA und ASK passé. Doch Pathus wurde vom DLV der gerade frei gewordene Posten des Teamchefs Gehen angeboten. Er sagte zu und musste sich an viel Neues im neuen Sportsystem erst gewöhnen. Um der Nachwuchsförderung einen Anschub zu geben, gründete er 1992 den Geher-Team e.V. Unter anderem machte er aus dem Internationalen Naumburger Gehen, das er selbst viele Male mitgegangen war in Abstimmung mit DLV und der IAAF einen Grand-Prix-Wettbewerb. Gute Geher und Geherinnen wurden dennoch rar in Deutschland. Seit Anfang des neuen Jahrtausends gibt es mit Melanie Seeger, Sabine Zimmer, Andre Höhne und Andreas Erm neue Hoffnungen.

Als Achim Pathus den Rentnerzeitpunkt erreichte, war plötzlich niemand da, der ihn ablösen konnte. Ronald Weigel war Nationaltrainer in Australien; so hängte Geherdoktor Pathus nach knapp zwei Jahre an. 2004 übergab er den Staffelstab des Bundestrainers an Ronald Weigel, seinen einstigen Meisterschüler und Schwiegersohn. Dessen Sohn Friedrich-Wilhelm, der Enkel also, hatte auch mit dem Gehen begonnen und war in seinem Alter besser als der Großvater vor nunmehr 53 Jahren.

Womit wir beim Familiären wären. Mit Gattin Luise, die er 1956 heiratete, führt Hans-Joachim bis heute eine glückliche und ungetrübte Ehe: im Herbst wird Goldene Hochzeit gefeiert. Auf ihre drei Töchter Verena, Kathrin und Annett sind die Eltern sehr stolz, natürlich auch auf die fünf Enkelkinder und den vorerst ersten Urenkel. Sie alle wollen morgen Jubilar Hans-Joachim Pathus gratulieren.

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