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Christian Diener (21) wurde im vergangenen Jahr Vizeeuropameister über 200 Meter Rücken. Auf dem Weg zur WM 2015 scheiterte er an der Normzeit.

© dpa

Sport: „Man muss es mögen, gegen den Schmerz anzukämpfen“

Rückenschwimmer Christian Diener über Qualen, seine Renntaktik und die verpasste WM-Norm

Herr Diener, wenn Sie Ihre Paradestrecke 200 Meter Rücken schwimmen, dann sieht das immer auch nach großen Qualen aus. Wie fühlen sich denn die letzten Meter in einem solchen Rennen an?

Oh, da geht es mir schlecht. Sehr, sehr schlecht. Der ganze Körper tut weh, sodass ich mir in dem Moment einfach nur noch wünsche, dass endlich die Wand kommt. Nach dem Rennen schaffe ich es dann vor Erschöpfung gerade so noch aus dem Wasser und mir wird auch teilweise schwarz vor Augen.

Muss man masochistisch veranlagt sein, um dennoch Spaß daran zu finden?

Durchaus. Man muss es mögen, gegen den Schmerz anzukämpfen. Ich nehme mir in dieser Hinsicht auch einen Leitsatz von meinem Trainer Jörg Hoffmann zu Herzen. Er sagt immer: Wenn der Schmerz da ist, muss man ihn ignorieren und weiterschwimmen, immer weiter. (lacht)

Wie trainieren Sie diese Fähigkeit?

Ich schwimme sehr viele Serien im maximalen Intensitätsbereich, bei denen man sich überwinden muss. Hohe Geschwindigkeiten, wenig Pause – und das bis zum Kotzen. Damit fordert man den Körper und die Willenskraft.

Physische und psychische Stärke sind bei Ihrer Renngestaltung wichtige Faktoren. Sie gehen immer die ersten 100 Meter sehr forsch an, erarbeiten sich im Kamikaze-Stil einen großen Vorsprung und versuchen den dann ins Ziel zu retten. Welche Idee steckt dahinter?

Das ist kein Kamikaze. Vielleicht sieht das, was ich mache, bei Rennen in Deutschland so krass aus, aber alle Top-Leute in der Welt schwimmen die erste Teilstrecke so schnell – und auf dieses Niveau möchte ich es schaffen. Daher ist meine Renntaktik vor allem in Vorbereitung auf Olympia 2016 gewählt.

Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr, als Sie Zweiter wurden, ist dieses Konzept bereits bravourös aufgegangen. Vor wenigen Wochen scheiterten Sie aber, denn bei Ihrem nationalen Titelgewinn verpassten Sie die geforderte WM-Norm. Inwiefern überdenken Sie jetzt Ihre taktische Herangehensweise?

Ich bleibe dabei. Das ist der Weg, den ich gehen muss, um international mithalten zu können.

Dann müsste die Deutsche Meisterschaft ein Rückschlag auf diesem Weg gewesen sein.

Sicherlich war es doof, dass ich im Finale über 200 Meter die WM-Richtzeit verpasst habe, aber dieses Rennen hatte für mich und meinen Coach einen großen Erkenntniswert. Ich sollte es richtig schnell angehen, damit wir sehen, wie weit ich damit komme.

Und wie weit sind Sie gekommen?

Bis 110 Meter, da war ich platt. In die letzte Wende bei 150 Meter habe ich mich dann nur noch reingequält und auf der Schlussbahn ging gar nichts mehr. Dass ich am Ende die Norm verfehlt habe, hat Herr Hoffmann auf seine Kappe genommen.

Ihr Coach und Sie haben sich also etwas verpokert, denn die im Finale zu erbringende Zeit hatten Sie im Vorlauf mit einem etwas geringerem Anfangstempo geknackt. Dass Sie es können, haben Sie also gezeigt. Kann es daher nicht doch noch eine Hintertür zur Weltmeisterschaft für Sie geben?

Ich werde im Juni bei der Mare Nostrum Tour starten und dort noch einmal alles geben. Wer weiß, vielleicht kann ich mich mit starken Zeiten für eine WM-Nominierung empfehlen.

Welchen Nachteil hätte es, wenn Sie beim letzten großen internationalen Kräftemessen vor Olympia nicht starten würden?

Das wäre nicht wirklich ein Nachteil. Ich hätte dann eben nur nicht die Möglichkeit, mich vorher mit der weltbesten Konkurrenz zu messen. Es wäre eine Erfahrung, die mir fehlen würde – mehr nicht.

Das Gespräch führte Tobias Gutsche

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