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Sie sieht ein Sieger aus: Leo Neugebauer.

© IMAGO/USA TODAY Network

Leo Neugebauer bricht Zehnkampf-Rekord: Sogar besser als Jürgen Hingsen

Leo Neugebauer ist der deutsche Athlet der Stunde. Im Zehnkampf bricht er einen uralten Rekord. Plötzlich ist er eine große Konkurrenz für Weltmeister Niklas Kaul.

Ob er denn mit dem früheren Leichtathleten Jürgen Hingsen vertraut sei, wurde Leo Neugebauer gefragt. Neugebauer hatte soeben den 39 Jahre alten deutschen Rekord im Zehnkampf gebrochen, von ebenjenem Hingsen. Er habe wenige Tage vor seinem Wettkampf einen Artikel über Hingsen gelesen, sagte er. „Ich dachte mir, ich habe genau die gleiche Einstellung, das gleiche Mindset wie er.“

In Leo Neugebauer schlummert also ein bisschen was von Jürgen Hingsen. Dieser hatte in den Achtzigerjahren gleich drei Mal einen Weltrekord in der Königsdisziplin aufgestellt. Gleichzeitig war er eine tragische Figur. Bei wichtigen Entscheidungen stand ihm entweder der Brite Daley Thompson oder er sich selbst im Weg (drei Fehlstarts über 100 Meter bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul).

Von der Prominenz eines Jürgen Hingsen ist Leo Neugebauer noch ein Stück weit entfernt. Gut möglich aber, dass sich das bald ändert. Der 22-Jährige schickt sich an, die Tradition der sehr erfolgreichen deutschen Zehnkampf-Historie fortzusetzen. Bei den US-Collegemeisterschaften in Austin im US-Bundesstaat Texas pulverisierte er in der Nacht zu Freitag seine eigene Bestmarke um rund 350 Punkte auf insgesamt 8836 Zähler. Er übertraf damit seinen Bruder im Geiste – Hingsen – um vier Punkte.

Jürgen Hingsen unterbot drei Mal den Weltrekord.
Jürgen Hingsen unterbot drei Mal den Weltrekord.

© IMAGO/Thomas Zimmermann

„Das ist so verrückt! Ich weiß nicht mal, was ich denken soll“, sagte er. Es war ein grandioser Wettkampf, den Neugebauer in der Stadt, in der er aufs College geht, ablieferte. In 10,61 Sekunden raste er über 100 Meter durchs Ziel. Er verbesserte seine alte Bestmarke (10,87 Sekunden) um mehr als zwei Zehntelsekunden nach unten.

Noch beachtlicher waren seine 47,08 Sekunden über 400 Meter. Seine alte Bestleistung über die Distanz hatte bei 48,21 Sekunden gelegen. Und dann erst der Speerwurf, vielleicht die Schwachstelle von Neugebauer. Am Freitag aber verbesserte er seinen persönlichen Rekord um mehr als vier Meter auf 57,21 Meter.

„Er ist jung und hat viel Potenzial“, sagte Chefbundestrainerin Annett Stein am Freitag dem Tagesspiegel. „Man konnte schon in der Vergangenheit erkennen, wo es bei ihm hingehen kann.“ Stein schätzt Neugebauer nicht nur als Athleten. „Er ist so ein freundlicher, positiver Mensch.“ Die Trainerin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hat offensichtlich neben Welt- und Europameister Niklas Kaul einen weiteren Top-Mann in ihrem Kader.

Neugebauer kommt aus Stetten auf den Fildern, einem Dorf ganz in der Nähe von Stuttgart. Schon mit 13 Jahren begann er mit dem Dreikampf, vier Jahre später schon gewann er bei der U-18-Weltmeisterschaft in Kenia die Bronzemedaille. Neugebauer ist ein großes deutsches Leichtathletik-Versprechen. Auch wenn die Betonung nicht zu sehr auf „deutsch“ liegen sollte. Seit drei Jahren trainiert er am College in Austin, das ihm ein perfektes Umfeld bietet.

Neugebauer liebt die US-amerikanische Mentalität, die auch ein ausgeprägtes Selbstvertrauen beinhaltet. Gefragt nach seinen Medaillenchancen bei den kommenden Weltmeisterschaften im August in Budapest, sagte er am Freitag: „Ich bin auf einem Höhepunkt. Ich fühle mich großartig und stark.“ Leo Neugebauer will in diesem Jahr Weltmeister werden. Gelänge ihm das, hätte er auch in dieser Hinsicht Jürgen Hingsen übertroffen.

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