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Pfeffersport will Bewegungsmöglichkeiten für alle Menschen schaffen.

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Inklusion bei Pfeffersport: Vom Menschen aus denken

Alles kann, nichts muss - der Berliner Verein Pfeffersport geht mit einer anderen Philosophie an den Sport als andere. Ihnen geht es nicht um Erfolg, sondern um Teilhabe.

Christian will nicht mitmachen. Also setzt er sich an den Rand und schaut zu, wie die anderen Kinder sich auf der Weichbodenmatte versammeln. „Popcorn“ heißt das Spiel.

Es gibt einen Koch, der die Pfanne – die Weichbodenmatte – überwacht. Die Kinder auf der Matte sind die Popkörner. Betreuerin Viktoria muss als Postbotin herhalten, die an der Tür klingelt. Während der Koch abgelenkt ist, brechen die Popkörner aus und müssen schließlich wieder eingefangen werden.

Dass Christian keine Lust auf „Popcorn“ hat, ist kein Problem. In der Sportgruppe „Ragazzi“ vom Pfeffersport gibt es keinen Zwang. Die Kinder, die zwischen fünf und sieben Jahre alt sind, werden vor jedem Spiel gefragt, wer mitmachen möchte und wer nicht. Pfeffersport denkt Sport anders.

„Ressourcenorient und nah am Mensch“, nennt Itong Ehrke das. Sie arbeitet seit vielen Jahren bei Pfeffersport. In anderen Worten: Bei dem Verein steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt, nicht der Erfolg oder die jeweilige Sportart.

Der Kindersport, bei dem die Kleinen die Stunde selbst mitgestalten können, ist dafür nur ein Beispiel. Pfeffersport hat sich Inklusion jeglicher Art auf die Fahne geschrieben. Insgesamt sind es über 60 Sportgruppen, die meisten davon inklusiv. Der Verein bietet Rollstuhlbasketball an, Parkour, Kitasport, inklusiven Fußball. Sogar E-Sport gibt es. Und eine nicht-inklusive Handballmannschaft, die dritte Liga spielt.

Das Konzept kommt an: Über die 32 Jahre, die es Pfeffersport mittlerweile gibt, ist der Verein auf über 4500 Mitglieder angewachsen. Für viele Sportgruppen gibt es lange Wartelisten.

Der Verein verändert Spielregeln, um inklusiv zu sein

„Natürlich ist nicht jede Sportart inklusiv“, sagt Ehrke. Bei Pfeffersport scheint allerdings genau das der Fall zu sein: inklusiver Basketball, inklusives Schwimmen und, seit Neuestem: inklusiver Handball. Wie kann es also doch gehen? „Wir denken die möglichen Barrieren von Anfang an mit. Um sie zu beseitigen, muss man manchmal große Kreise ziehen und zum Beispiel das Regelwerk verändern.“

Beim Kindersport geht es um Spaß und Selbstbestimmung.

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Der Vorstand und die Teamleiter:innen sind ebenso divers wie ihre Mitglieder. Das Team besteht aus queeren Personen, Menschen mit Migrationshintergrund und Rollstuhlsportler:innen. „Nicht über uns ohne uns“ - so will es der Verein. Sie bilden auch andere darin fort und aus. „Wir wollen das Thema Inklusion vorantreiben, Menschen sensibilisieren und mitnehmen“, sagt Ehrke.

Sie gehen in Schulen und bieten Ehrenamtlichen an, ihren Trainerschein zu finanzieren. Diesen Weg will zum Beispiel auch Viktoria gehen: Die gelernte Schauspielerin und Musikerin ist heute zum ersten Mal beim Training der „Ragazzi“, sie will jetzt aber öfter kommen. Mit der Zeit könnte sie dann den Trainerschein über Pfeffersport machen.

„Mehr braucht es nicht“, sagt Margarete Goj, Übungsleiterin der Kindergruppe. Wer sich bei Pfeffersport engagieren will, braucht weder einer sonderpädagogische Ausbildung noch sportliche Erfahrung. Bis sie zum Pfeffersport kam, kannte Goj zum Beispiel Sport nur aus der Schule. „Und da konnte ich es nicht ausstehen.“

Die Kinder von „Ragazzi“ dagegen sollen eine positive Beziehung zum Sport aufbauen. Genau deshalb dürfen sie entscheiden, wo sie mitmachen wollen und wo nicht. Und wenn sie lieber etwas anderes spielen möchten, spielen sie eben etwas anderes.

In der OSZ-Sporthalle im Prenzlauer Berg, die der Pfeffersport für seine Gruppen nutzt, bietet sich deshalb gerne folgendes Bild: Auf der einen Seite der Halle dreht ein kleines Mädchen einen Hula-Hoop-Reifen hin und her, drei Jungs schießen mit Softbällen auf eine Wand, einer der Übungsleiter:innen muss als Torwart herhalten.

4500
Mitglieder hat Pfeffersport in etwa.

Ein anderes Mädchen kommt auf Goj zugelaufen, sie rollt einen - im Vergleich zu ihrer Körpergröße - riesigen Gymnastikball vor sich her. „Komm spielen!“, ruft sie ihr zu. Goj kommt ihrer Aufforderung nach.

Ein paar Pflichtelemente gibt es dann doch, auch beim Pfeffersport: Wenn die Betreuer:innen „Ragazzi Ragazzi“ rufen, müssen sich alle Kinder zu einem Sitzkreis versammeln. Dann gibt es zu Beginn und zu Ende feste Rituale, unter anderem werden die Kinder gefragt, wie es ihnen geht und wie ihnen die Stunde gefallen hat. Am Ende dieser Stunde gehen alle Daumen hoch.

Wenn sie alt genug sind, wechseln die Kinder von der „Ragazzi“-Gruppe in eine der etlichen Sportarten, die Pfeffersport anbietet. Natürlich nur, wenn sie wollen.

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