zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: Walter Müller gibt auf

Nach dem Abgang Robert Schwans war es bei Hertha BSC ungewöhnlich lange ruhig. Seit gestern ist es mit der Ruhe beim Berliner Fußball-Bundesligisten vorbei.

Nach dem Abgang Robert Schwans war es bei Hertha BSC ungewöhnlich lange ruhig. Seit gestern ist es mit der Ruhe beim Berliner Fußball-Bundesligisten vorbei. Präsident Walter Müller ist nach schweren Differenzen mit dem Aufsichtsrat zurückgetreten. Zuvor hatte Rupert Scholz, als Vorsitzender des Aufsichtsrates Nachfolger Schwans, im Namen des Aufsichtsrates eine Pressemitteilung herausgegeben, in der er Müller "unqualifizierte Angriffe auf die Aufsichtsratsmitglieder und die übrigen Präsidiumsmitglieder" vorwarf. Dies habe "zu einem schwerwiegenden Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Aufsichtsrat und Präsident Walter Müller" geführt. Zu Spekulationen über einen Nachfolger Müllers schreibt Scholz: "Über potienzielle Kandidaten einer Nachfolge für Walter Müller ist noch nicht beraten worden." Im Gespräch soll der frühere Wirtschaftsminister Günter Rexrodt sein.

Anlass für den Bruch und letztlich den Rücktritt sind Differenzen über die geplante Schaffung einer Kapitalgesellschaft. Dabei geht es um die Zusammensetzung des so genannten Beteiligungsausschusses, der die künftigen Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft einsetzt. Der Aufsichtsrat beschloss mit 7:0 Stimmen, dass der siebenköpfige Aufsichtsrat und das vierköpfige Präsidium in diesem Ausschuss sitzen sollen. Das Abstimmungsergebnis im Präsidium lautete 3:1. Jörg Thomas, Dieter Hoeneß und Ingo Schiller stimmten für diesen Vorschlag, während Müller dafür plädierte, auch Mitglieder des Vereinsausschusses oder des Ältestenrats in dieses Gremium zu berufen. In diesem Zusammenhang wird Müller mit den Worten zitiert: "Ich fühle mich als Interessenvertreter aller Hertha-Mitglieder und nicht nur als Vertreter einer künftigen Kapitalgesellschaft." Besonders dieser Satz hat für Verärgerung im Aufsichtsrat gesorgt. Argumentiert wurde dort, Müller habe sich als einziges wahres Hertha-Mitglied darstellen wollen und die anderen gewissermaßen als Verräter am Verein eingestuft. Verärgert war man in dem mächtigen Gremium auch darüber, dass Müller mit seinen Äußerungen an die Öffentlichkeit ging.

Wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, hat Scholz am Montag Müller informiert und aufgefordert, sich über die ihm unterstellten Zitate "beziehungsweise zur Problemlösung nach einer ihm selbstverständlich eingeräumten Bedenkzeit" zu äußern. Walter Müller habe das unterlassen und in einer Boulevardzeitung "unrichtig davon gesprochen, dass der gesamte Sachverhalt für ihn angeblich neu sei".

Müller ist mit seinem Rücktritt der Abberufung zuvorgekommen. Nach der Satzung kann der Aufsichtsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder ein Präsidiumsmitglied abberufen. In der Satzung heißt es dazu: "Das abzuberufende Präsidiumsmitglied ist von einer entsprechenden Absicht des Aufsichtsrates rechtzeitig vorher, mindestens drei Kalendertage, zu informieren." Bei der turnusgemäßen Aufsichtsratssitzung Mitte September wäre die Abberufung wahrscheinlich beschlossen worden.

Müller hatte sich zunehmend isoliert. Ein Präsidiumsmitglied, das namentlich nicht genannt werden will, erklärte dazu: "Walter Müller ist als Mercedes-Manager kein Mensch, der für ein Team geschaffen ist. Das hat er uns immer wieder spüren lassen." In seinem Fax schreibt Müller: "Meine Absicht war es immer, die unterschiedlichen Standpunkte und Kräfte in unserem Verein zusammenzuführen, um Hertha BSC Stärke und Kraft zu verleihen. Deshalb schließt es sich aus, dass in einem elementaren Thema von Hertha BSC, wie es die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft darstellt, eine Konfrontation zwischen Aufsichtsrat, Präsidiumsmitgliedern und der Haltung des Präsidenten besteht." Und weiter: "Als einzige Möglichkeit, diesen erkennbaren Konflikt zu verhindern, erkläre ich deshalb meinen sofortigen Rücktritt vom Ehrenamt des Präsidenten, das ich in der Vergangenheit gern und überzeugt ausgeübt habe."

Der Rücktritt kommt dem Aufsichtsrat und den übrigen Präsidiumsmitgliedern nicht ungelegen. Hinter vorgehaltener Hand wurde Müller vorgeworfen, zu selbstherrlich aufgetreten zu sein und auf der Geschäftsstelle lediglich kurze Gastspiele gegeben zu haben. Müller hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass ihn sein Amt bei Mercedes voll fordere. Warum er in der Frage des Beteiligungsausschusses eine so harte Haltung einnahm, hat im Aufsichtsrat für Verwunderung gesorgt. Dort argumentiert man, es habe sich dabei lediglich um Detailfragen gehandelt, die für den Bruch mit dem Aufsichtsrat nicht geeignet gewesen seien.

Der 52-jährige Walter Müller war erst im September 1998 als Nachfolger des zuvor zurückgetretenen Manfred Zemaitat vom Aufsichtsrat als Präsident des Vereins bestellt worden. Vom Leiter der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin hatte sich Hertha BSC besonders in Repräsentationsdingen und als Bindeglied zur Wirtschaft viel versprochen.

Klaus Rocca

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false