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Viktoria-Trainer Thomas Herbst (links).

© Ian Stenhouse/No Dice Magazine

Kolumne Berliner Fußball: FC Viktoria 89: Heimschwäche trifft Auswärtsschwäche

In der ersten Saison nach Fusion und Regionalliga-Aufstieg hat sich der neue Großklub Viktoria 89 Berlin mittlerweile gefestigt, der Klassenerhalt ist so gut wie sicher. Spannend bleibt die Saison für die Neu-Lichterfelder trotzdem noch.

Wir haben Ende März. Jetzt ist der Punkt in jeder Fußballsaison erreicht, an dem alles richtig spannend wird. Die abstiegsbedrohten Mannschaften sammeln nervös jeden einzelnen Punkt wie ein Eichhörnchen die Eicheln vor dem langen Winter, und die Teams, die Aufsteigen wollen, schießen andere mitunter erbarmungslos aus dem Stadion. Spieler und Fans schwanken zwischen Euphorie, schlaflosen Nächten und Trostlosigkeit. Wir lieben diese Spannung, wir Fußballfans. Ohne Spannung läuft nichts, oder?

Eigentlich nicht. Manchmal kann es aber auch ohne die großen Entscheidungen ganz spannend sein. Im Oktober hatten wir mit Thomas Herbst gesprochen, dem Trainer von FC Viktoria 89. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Mannschaft erst ein einziges Mal gewonnen. Es gab große Verletzungsprobleme und das Selbstvertrauen seiner jungen Spieler war niedrig. „Als Aufsteiger gibt es Nervosität und man fragt sich, wie stark man wirklich ist. Ein bisschen Ruhe wird uns in eine gute Bahn lenken”, hat er damals gesagt. Fünf Monate später ist klar, dass Herr Herbst Recht hatte. Vor allem ist Viktoria bei Auswärtsspielen stark und liegt bequem im Mittelfeld, ohne Aufstiegsstress und ohne Abstiegskampf. Haben seine Jungs also ihre Nervosität überwunden? „Insgesamt gesehen schon“, meint Herbst. „Wir hinken noch ein bisschen hinterher, aber die Spieler haben ihre Qualitäten gezeigt.“

Es gibt aber immer noch sehr viel zu tun. Viktoria hat erst einen Heimsieg, was laut Trainer Herbst aber seine Gründe hat: „Wir sind ja selbst neu im Stadion Lichterfelde, nach der Fusion sind wir aus Tempelhof hierher gezogen. Und der Platz ist auch nicht im besten Zustand“, erklärt er. „Vor zwei Jahren war es umgekehrt, da konnten wir auswärts einfach nicht gewinnen“.

Herbst bleibt aber, wie immer, ganz ruhig. Warum auch nicht: Viktoria steckt in der Regionalliga Nordost weder im Abstiegs- noch im Aufstiegskampf, aber das heißt ja nicht, dass die Saison schon vorbei oder gar spannungslos ist. Am Dienstagabend schlug der Traditionsverein den Berlin-Ligisten SC Staaken und erreichte damit das Halbfinale im lukrativen Berliner Pokalwettbewerb – der Sieger wird an der ersten Runde des DFB-Pokals 2014/15 teilnehmen. Ebenfalls noch im Rennen sind trotz turbulenter letzter Wochen der Regionalliga-Konkurrent Berliner AK, der langsam erwachende Riese BFC Dynamo sowie der torgefährliche Außenseiter Tasmania, aktuell Tabellenzweiter in der Berlin-Liga. „Die Priorität hatte bei uns ist der Klassenerhalt. Und da der fast eingetütet ist, ist jetzt der Pokalsieg unser Ziel“, sagt Herbst.

Ein Sieg am Freitagabend gegen den Tabellenführer Neustrelitz würde die Tüte noch ein gutes Stück fester zurren. Herbst freut sich auf dieses Spiel, sieht aber ein, dass er mit seiner Mannschaft klarer Außenseiter ist. Eine Chance gibt es vielleicht doch, immerhin hat die Mannschaft aus Mecklenburg-Vorpommern seit Anfang Dezember auswärts nicht mehr gewonnen. Vielleicht sagt Herbst deswegen ganz trocken, er „hoffe, dass wir da ein bisschen frech und selbstbewusst auftreten“. Heimschwäche trifft Auswärtsschwäche: es muss sich am Freitagabend im Stadion Lichterfelde was ändern. Es wird also spannend.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Aktuelle Fotos und Spielberichte aus dem unterklassigen Berliner Fußball gibt es auch unter www.facebook.com/NoDiceMagazine

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