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Erfolgsmodell. Der Potsdamer Sanssouci-Pokal ist das zweitgrößte Rugby-Nachwuchsturnier in Deutschland. Es hat ein starkes Motto und eine außergewöhnliche Wertung.

© Verein

Fair-Play-Preis für USV Potsdam: Fair gewinnt

Große Ehre: Die Rugbyabteilung des USC Potsdam wird für ihr besonderes Konzept beim Nachwuchsturnier Sanssouci-Pokal mit dem „Fair-Play-Preis des Deutschen Sports“ ausgezeichnet. Fairness und Rugby gehören ohnehin zusammen. Der Sport ist eine Lebensschule.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Fußball sorgt bei Robby Lehmann oft für Unverständnis. Die häufige Theatralik und Schauspielerei auf dem Platz, außerdem Unsportlichkeiten sowie zahlreiche Diskussionen mit dem Schiedsrichter lassen ihn hadern. „Es ufert da viel zu häufig aus, Respekt fehlt“, meint er. Und freut sich, in einem verwandten Sport zuhause zu sein, der Fairness und Disziplin nicht mittels aufwendiger Imagekampagnen nach außen proklamieren muss, sondern sie konsequent im Spiel verwirklicht. Rugby: knallhart, aber respektvoll.

„Rugby spielen gegen rechte Gewalt und Langeweile“

Beim USV Potsdam, wo Lehmann sportlicher Leiter der Rugbyabteilung ist, wird der würdige Umgang miteinander über jenen Sport intensiv vermittelt. Dafür erhalten die Potsdamer nun eine bundesweite Anerkennung, wenn ihnen am morgigen Donnerstag in Wiesbaden der „Fair-Play-Preis des Deutschen Sports“ in der Kategorie „Sonderpreis“ verliehen wird. Die Ehrung nimmt der Deutsche Olympische Sportbund mit dem Verband Deutscher Sportjournalisten jährlich für Sportlerinnen, Sportler und Initiativen vor, die durch außergewöhnlich faire Gesten und Aktionen beeindruckt haben. Während bei den Aktiven die österreichische Biathletin Lisa Theresa Hauser prämiert wird (sie hatte in einem Weltcuprennen versehentlich für einen Stockverlust der Deutschen Vanessa Hinz gesorgt und ihr daraufhin die eigenen Stöcke gereicht – Hinz konnte so unbehindert weiterfahren, Hauser wiederum stürzte anschließend und musste aufgeben), ist der USV dank seines Konzepts für den Sanssouci-Pokal 2017 dabei.

Dieses Nachwuchsturnier erlebte vergangenes Jahr die 15. Auflage. Es ist mit rund 700 teilnehmenden Kindern und Jugendlichen inzwischen das zweitgrößte seiner Art in der Bundesrepublik und steht seit Langem unter dem Motto „Rugby spielen gegen rechte Gewalt und Langeweile“. Erstmalig wurden 2017 in den diversen Altersklassen neben den sportlich besten Mannschaften auch die „Play-Fair-Siegerteams“ gekürt. Auf besondere Weise. Die Jugendtruppen bewerteten sich nach den Partien gegenseitig in Kategorien wie Regelgebrauch, Aufrichtigkeit und Kommunikation. Diese Idee brachte zunächst eine Nominierung zum „Fair-Play-Preis des Deutschen Sports“ ein und überzeugte letztlich auch die Jury: „Wie Werte im Sport vorgelebt und von klein auf verankert werden können, zeigt die Abteilung Rugby des USV Potsdam in vorbildlicher Manier.“

Sensbilität bei gleichzeitig vollem Körpereinsatz

Beim diesjährigen Sanssouci-Pokal, der am 19./20. Mai wieder auf dem Uni-Sportgelände am Neuen Palais steigt, wird der geehrte Ansatz weitergeführt. „Das war uns schon klar, bevor wir gehört haben, dass wir den tollen Preis bekommen. Bei den Kindern kam das einfach super an“, sagt Robby Lehmann und betont die erzieherische Wirkung: „Auf diesem Weg fördern wir die Entwicklung der jungen Menschen. Wir sensibilisieren sie.“ Sensibilität bei gleichzeitig vollem Körpereinsatz. Wer sich ein Rugbyspiel zum ersten Mal ansieht, zuckt gewiss öfter zusammen. Die Akteure krachen wie kämpfende Steinböcke gegeneinander, ziehen und zerren an sich, tackeln sich zu Boden. „Es ist hart, sicherlich. Aber die Achtung vor den Regeln, dem Gegner und dessen Gesundheit ist ausgesprochen hoch. Auch ist Meckern und Motzen gegen den Referee völlig verpönt“, erklärt Lehmann. „Und nach einem Spiel stehen alle gerne noch lange beisammen, bedanken sich dafür, dass man sich auf dem Feld das Leben schwer gemacht hat, und genießen die Gesellschaft innerhalb der Rugbyfamilie.“

Die Rugbyfamilie des USV Potsdam zählt aktuell 151 Mitglieder. Tendenz steigend. In Brandenburg gibt es keine größere Vereinsabteilung für diesen Sport, bei dem ein eierförmiger Ball durch geschicktes Passspiel und energische Läufe in eine Endzone befördert werden muss. Die Rugby-Ursprünge liegen im englischen Hochschulmilieu. Analog verlief der Einstieg in Potsdam, wo sich Rugby ebenfalls aus dem universitären Gefüge heraus entfaltete. Das brachte jedoch auch Probleme mit sich. Nach ihrem Studium verließen die Spieler oft die Stadt – es war stets eine Herausforderung, einen Kader zusammenzustellen. Deshalb wurde umgedacht. „Wir haben angefangen, die Nachwuchsarbeit zu forcieren, was uns sehr gut getan hat“, resümierte USV-Abteilungsleiter Michael Domaschk 2016 beim Jubiläumsfest „60 Jahre Rugby in Potsdam“.

Rugby hat einen edlen Ruf in der Sportwelt

Zur treibenden Kraft der Jugendförderung wurde Robby Lehmann. Der 41-Jährige, der auch die Potsdamer Zweitliga-Männer trainiert, ist hauptberuflich Landesstützpunktcoach und in dieser Funktion für den Nachwuchs zuständig. Mehrere Youngster aus Brandenburgs Hauptstadt führte er schon in den Fokus der Junioren-Nationalmannschaft. Um den hiesigen Rugbysport weiter zu stärken, hat Lehmann Kooperationen mit sieben Schulen und einer Kindertagesstätte initiiert. „Von dort kommen dann immer wieder Kids zu uns in den Verein“, berichtet er. Es ist ein Verein, der viel Arbeit darein steckt, voranzukommen, Neues zu erschaffen. Beispielsweise zeigt Potsdams Hochschulsportmitarbeiter Christian Schubert großes Engagement. Er verhalf zur Einführung einer Liga für die olympische Siebener-Rugbyspielform im Osten Deutschlands und baute erfolgreich eine USV-Damenmannschaft auf. „Wir sind stolz, inzwischen ein ganz großes Spektrum zu haben: Jungen und Mädchen, Männer und Frauen, die Altherren. Ein Mehrgenerationenprinzip“, sagt Robby Lehmann und hofft auf weiteren Zuwachs.

Scheu, sich beim Rugby auszuprobieren, müsse jedenfalls niemand haben, bekräftigt Michael Domaschk. Das Besondere dieses Sports sei, „dass jeder seine Rolle im Team findet“, meint der Abteilungschef. „Die drahtigen und schnellen Leute werden genauso gebraucht wie recht stämmige.“ Vielfalt ist ein Schlüssel zum Erfolg. Aber eben auch Respekt und Fairness. Für den USV Potsdam ist es der selbst gegebene Auftrag, solche Werte in die Gesellschaft zu tragen – über den Rugby, der eine Lebensschule ist. „Wir wollen Toleranz und anständigen Umgang lehren“, erzählt Robby Lehmann. „Da geht es darum, die eigenen Kräfte und Emotionen zu kanalisieren, um für das eigene Team zu kämpfen, aber immer dem Gegenüber ehrenhaft zu begegnen.“ Das spektakuläre Spiel mit dem Ei hat daher einen edlen Ruf. Gerne heißt es: Fußball ist eine von Raufbolden gespielte Gentleman-Sportart, und Rugby ist eine von Gentlemen gespielte Raufbold-Sportart.

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