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Mariama Jamanka begann als Leichtathletin und wechselte im Jahr 2013 zur Anschieberin.

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Bobsportlerin Mariama Jamanka im Interview: „Es ist nicht unbedingt der Wunsch des IOC, mehr Frauen für Olympia zu gewinnen"

Die Olympiasiegerin spricht über die aktuelle Saison und Ziele bei der WM. Sie erklärt, warum Monobob nicht für mehr Gleichberechtigung beim Wintersport sorgt.

Frau Jamanka, Sie wurden beim Weltcup- Finale in Innsbruck vergangene Woche Achte und zuvor in Königssee landeten sie auf Platz sieben. Waren Sie und Ihre Anschieberin mit dem Ergebnis zufrieden?

Nein, leider gar nicht. Wir sind gut in die Saison gestartet und bis zum Weltcup in Winterberg immer auf dem Podest gelandet. Aber ab dem Weltcup in St. Moritz war der Wurm drin. Dort lief es noch im ersten Lauf ganz gut, aber die nächsten zwei Wettkämpfe gelangen nicht.

Was denken Sie, woran das gelegen hat?
Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, in St. Moritz hatten wir im zweiten Lauf etwas Pech mit dem Wetter und in Königssee war es klar ein Fahrfehler. In Innsbruck würde ich sagen, dass es eher ein Materialproblem war. Wir haben deshalb auch kurzfristig für die WM den Schlitten gewechselt und hoffen, dass es dort besser läuft.

Worauf lassen sich diese Materialprobleme zurückführen?
So ein Bob ist eigentlich nicht viel anders als ein Rennauto. Man hat die Aerodynamik, also die Verkleidung und das Fahrwerk. Für verschiedene Bahnen kann man das Fahrwerk unterschiedlich abstimmen. Außerdem spielen die Kufen eine wichtige Rolle. Man kann jedoch in der Regel schwer sagen, an welcher Stelle es genau liegt. Wir hatten zuletzt den Eindruck, dass wir aus dem Schlitten nicht das Optimum herauskitzeln können und haben beschlossen, bei der Weltmeisterschaft in Altenberg einen anderen Bob zu fahren.

Was genau bedeuten die beiden Ergebnisse für die Weltcup-Gesamtwertung?
Wir sind im Endeffekt nach dem Weltcup in Innsbruck auf Platz drei gelandet. Das ist einerseits gut, weil wir immer noch auf dem Treppchen waren. Aber ich denke, da wäre mehr drin gewesen, wenn wir uns bei den letzten Weltcups besser platziert hätten. Aber gut, so ist das eben. Diese Saison ist insgesamt nicht leicht, da bin ich froh, dass wir uns schlussendlich noch so gut präsentieren konnten.

Sie sagten, dass die Saison insgesamt nicht leicht war, denn die gesamte Coronavirus-Situation hat auch starken Einfluss auf den Wintersport. Wie hat sich das für Sie auf die Vorbereitungen und die aktuellen Wettkämpfe ausgewirkt?
Ich muss sagen, dass ich noch ziemlich Glück hatte, was das anging. Ich hatte in Oberhof die Möglichkeit, zeitnah in der Kaserne der Bundeswehr trainieren zu dürfen. Natürlich nur unter strikten Bedingungen, wie Masketragen, regelmäßigem Desinfizieren und nur mit wenigen Personen. Das war für uns alle eine sehr unsichere Zeit; niemand wusste so richtig, wie es weitergeht beziehungsweise, ob es überhaupt weitergeht. Man hat verschiedenste Gerüchte über die Weltcups gehört. Ich muss ehrlich sagen, als Athletin ist es schwierig irgendwo hin zu trainieren, wenn man nicht weiß, ob es sich am Ende auszahlt. Wir leben dafür, Wettkämpfe zu bestreiten und wenn die ausfallen, dann ist das als Sportler vom Kopf her schwer zu verarbeiten. Insofern sind wir froh, dass die Saison nun doch stattfinden konnte.

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Die psychische Komponente für Athlet*innen haben Sie bereits angesprochen. Worin sehen Sie aktuell sonst noch besonders große Herausforderungen?
Es ist vor allem das tägliche Handling. Normalerweise sind wir wochenlang gemeinsam mit anderen Nationen, mit denen man zum Teil auch Freundschaften pflegt, unterwegs. Das fällt jetzt weg. Hinzu kommen die ganzen Hygienemaßnahmen. Es ist auch schwer, zwischendurch einfach mal nach Hause zu fahren, weil man nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen einem Risiko aussetzt. Das ist wirklich belastend.

Ab Freitag steht die WM-Entscheidung im Zweierbob in Altenberg an. Was haben Sie sich dort vorgenommen?
Bei der WM letztes Jahr, die auch dort stattfand, sind wir auf einem undankbaren vierten Platz gelandet. Es wäre schön, wenn wir das in diesem Jahr verbessern und auf dem Podest stehen könnten. Die internationale und nationale Konkurrenz ist aber sehr stark. Von daher ist es nicht leicht, wir müssen wirklich ordentliche Fahrten liefern. Ich weiß, dass ich theoretisch in Altenberg gut fahren kann und das muss jetzt am Wochenende klappen.

Am Wochenende drauf folgt dann die allererste Monobob-WM bei den Frauen – eine Disziplin, die auch bei den Weltcups etabliert wurde die nächstes Jahr auch olympisch ist. Welche Gedanken stehen hinter der Schaffung einer neuen Disziplin?
Die offizielle Version ist, dass es für mehr Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern im Wintersport sorgen sollte. Bisher war es so, dass die Männer mit Vierer- und Zweierbob eine Disziplin mehr hatten als wir Frauen. Damit hatten sie auch mehr Medaillenchancen.

Im Jahr 2018 gewann Mariama Jamanka zusammen mit ihrer Anschieberin Lisa Buckwitz bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille.

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Und ist das gelungen?
Monobob ist kein adäquater Ersatz für Viererbob. Es gab vorher bei den Frauen Bemühungen, stattdessen auch den Viererbob bei Olympischen Spielen einzuführen; das wurde jedoch abgeschmettert mit der Begründung, dass es zu wenig Frauen gäbe, die das fahren würden. Stattdessen wurde der Monobob ins Leben gerufen. Sprich: Es kommen nicht mehr Athletinnen in den Genuss, um eine Medaille kämpfen zu dürfen. Im Gegenteil. Man hat quasi eine zweite Disziplin für genau dieselben Pilotinnen geschaffen. Das ist keine Gleichberechtigung. Wir können daran jetzt nichts ändern und müssen uns drauf einlassen, da wir uns nur in der Kombination aus Einzel und Zweier für Olympia qualifizieren können. Ich sehe es deshalb als notwendiges Übel. Doch für mich ist es ein Lernprozess, denn wir Deutschen haben die Schlitten erst mitten in der Saison bekommen haben. Ich bin also absolute Anfängerin.

Liegen den Monobobs, die deutlich günstiger sind als Viererbobs, auch finanzielle Gründe zugrunde?
Natürlich. Für viele kleine Bob-Nationen wie Australien, die Probleme damit haben, Mannschaften zu bekommen, ist es sicher ein Segen. Aber für mich geht der Teamgedanke total verloren. Das Einzige, was mein Team noch damit zu tun hat, ist, den Schlitten zu schleppen und die Kufen zu polieren. Wenn ich aber die Medaille gewinne, dann hat meine Anschieberin absolut keinen Anteil daran. Für mich geht der Ursprungsgedanke des Sports völlig verloren. Und die Frage ist: Ist es wirklich günstiger, Monobobs neu herzustellen oder wäre es nicht sinnvoller, stattdessen Viererbobs zu besorgen, die es ohnehin in Massen gibt.

Was hätte Ihrer Meinung nach tatsächlich für mehr Gleichberechtigung gesorgt?
Viererbob wäre definitiv eine Option gewesen, weil das die Anzahl der Athletinnen auch wirklich erhöht hätte. Ich glaube allerdings, dass es gar nicht unbedingt der Wunsch des IOC ist, mehr Frauen für Olympia zu gewinnen. Denkbar wäre auch ein Teamwettkampf mit Skeleton zusammen, sodass man eine Art Staffel hat. Es gäbe sehr viele attraktivere Möglichkeiten als Monobob. Aber wir Athletinnen wurden bei der ganzen Sache nicht gefragt. Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr darum ginge, was wir wollen und nicht was nach außen am besten aussieht.

Und wenn man Sie gefragt hätte, was hätten Sie sich dann gewünscht?
Es gibt weltweit einige Bobbahnen, die im Weltcup nie auftauchen. Es gibt zum Beispiel eine in Norwegen, die man mal einbeziehen könnte. Und wir sind seit den Olympischen Spielen nie wieder in Pyeongchang gefahren. Aber im Endeffekt hätte es mir gereicht, wenn der Sport die Athletinnen mehr einbezogen hätte.

Und auf individueller Ebene: Was haben Sie sich persönlich für die Weltmeisterschaften und in Hinblick auf das nächste Jahr vorgenommen?
Ich möchte bei der WM am Wochenende nochmal zeigen, was ich kann und es besser machen als letztes Jahr. Dieses Mal will ich auf das Treppchen. Nächstes Jahr ist dann schon die olympische Saison, am Ende stehen die Olympischen Spiele. Dafür möchte ich mich natürlich qualifizieren, aber das wird nicht einfach. Wir sind in Deutschland vier starke Frauenteams, die um nur drei Plätze kämpfen. Das heißt, es wird von Anfang an ein harter Konkurrenzkampf. Da möchte ich mich unbedingt durchsetzen.

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