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23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer stehen unter Dopingverdacht.

© dpa/Michael Kappeler

Dopingskandal im Schwimmsport: Chinesen trotz offenbar positiver Proben straffrei

Die Vorwürfe wiegen schwer. Anfang 2021 sind bei 23 Schwimmerinnen und Schwimmern aus China positive Doping-Proben gefunden worden – eine Bestrafung gab es nicht. Das sorgt für Wirbel.

Von
  • Volker Gudrum, dpa
  • Gerald Fritsche, dpa

Eine Vielzahl von Positivtests bei chinesischen Olympia-Schwimmern und das Ausbleiben von Strafen wecken Zweifel an der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada und Chinas Kontrollsystem. Die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte eine konsequente Aufarbeitung der Geschehnisse. Die Berichte von ARD und internationalen Medien erschütterten das Vertrauen in die Wada und den weltweiten Kampf gegen massiven Betrug im Spitzensport, sagte die SPD-Politikerin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion und der „New York Times“ sowie einem Bericht der australischen Zeitung „Daily Telegraph“ waren 23 Top-Schwimmerinnen und -Schwimmer bei einem nationalen Wettkampf in China Anfang 2021 positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden. Bei Olympia in Tokio gewann das 30-köpfige chinesische Team im Juli/August 2021 sechs Medaillen, darunter dreimal Gold.

Die Wada hatte die Ermittlungen nach eigenen Angaben mit der Begründung eingestellt, dass den Sportlern nach einem „mehrwöchigen Überprüfungsprozess“ weder Verschulden noch Fahrlässigkeit anzulasten sei. Strafen seien nicht verhängt worden. Der chinesischen Anti-Doping-Agentur Chinada zufolge sind die positiven Doping-Tests auf Verunreinigungen in einer Hotelküche zurückzuführen.

Wenige Monate vor den Olympischen Spielen muss der im Raum stehende Verdacht des Wegschauens oder gar Vertuschens schnellstens umfassend aufgeklärt werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser

„Wenige Monate vor den Olympischen Spielen muss der im Raum stehende Verdacht des Wegschauens oder gar Vertuschens schnellstens umfassend aufgeklärt werden. Wenn ein so schwerwiegender Dopingverdacht besteht, dann muss dieser unabhängig durch die Wada geprüft werden“, erklärte Faeser. Sollte sich bestätigen, dass chinesische Schwimmerinnen trotz zuvor nachgewiesener Dopingmittel in Tokio Olympiasiegerinnen werden konnten, dann wäre das ein Desaster für den Weltsport, sagte die deutsche Innenministerin.

Die Wada nannte die Berichte in einer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme „irreführend und möglicherweise diffamierend“ und kündigte gegebenenfalls rechtliche Schritte an. Man sei im Juni 2021 von der chinesischen Anti-Doping-Agentur Chinada informiert worden, dass die Schwimmerinnen und Schwimmer positiv auf TMZ getestet worden seien, nachdem sie der Substanz durch Kontamination versehentlich ausgesetzt gewesen seien. Aufgrund von damaligen Corona-Einschränkungen sei es der Wada allerdings nicht möglich gewesen, die Untersuchungen vor Ort in China durchzuführen.

Die Wada kann die China-Theorie bislang nicht widerlegen

Nach Prüfung aus der Ferne sah sich die Anti-Doping-Organisation nicht in der Lage, die China-Theorie zu widerlegen. „Wir haben sogar neue Informationen zur Pharmakokinetik und zum Stoffwechsel von TMZ beim Hersteller eingeholt und mehrere Hypothesen getestet“, erklärte Wada-Wissenschafts- und Medizin-Direktor Olivier Rabin.

Auch seien Dopingstrategien mit niedrigen TMZ-Dosen ausprobiert worden, um die Plausibilität zu beurteilen. „Letztendlich kamen wir zu dem Schluss, dass es keine konkrete Grundlage gab, um die behauptete Kontamination anzufechten“, sagte Rabin in der Wada-Mitteilung.

Der Schwimm-Weltverband erklärte, er gehe davon aus, dass die Proben gewissenhaft und professionell und in Übereinstimmung mit allen Anti-Doping-Regularien inklusive des Wada-Codes ausgewertet worden seien. Chinas große Staatsmedien griffen das Thema auch am Sonntag noch nicht auf. Lediglich einige Medien in chinesischer Sprache berichteten sehr nachrichtlich und betonten die Stellungnahme der Wada.

Trimetazidin hilft dabei, die Sauerstoffzufuhr zum Herzmuskel zu verbessern und die Herzfunktion zu unterstützen - so kann die Ausdauer gesteigert werden. Seit 2014 steht der sogenannte Stoffwechsel-Modulator auf der Verbotsliste der Wada.

Vor dem Dopingskandal um die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa bei Winter-Olympia in Peking 2022 war der bekannteste Fall mit Trimetazidin der von Chinas Schwimmstar Sun Yang im Mai 2014 - kurz nach dem Wada-Verbot - mit einer Sperre von drei Monaten. Wegen anderer Doping-Vergehen ist der dreimalige Olympiasieger mittlerweile rückwirkend von 2020 an für vier Jahre gesperrt.

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