Sport: Auftrag ausgeführt

Als der Schiedsrichter abpfiff, klatschte Louis van Gaal alle Mitglieder der Münchner Reisegruppe ab, eines nach dem anderen. Bayerns Trainer war offenbar zufrieden mit dem Zerstörungswerk, das seine Mannschaft da soeben angerichtet hatte, auf dem dampfenden Aachener Rasen. Die Alemannia „kaputt spielen“, das war der Auftrag gewesen, den er tags zuvor formuliert hatte, und dem war seine Elf gerade durchaus gewissenhaft nachgekommen. 4:0 (1:0) hieß es am Ende aus Münchner Sicht, was dem Rekordmeister den Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals bescherte.

Louis van Gaal stehen damit zumindest ein paar ruhige Tage bevor. Bei einem Ausscheiden nämlich wäre vor allem seine Aussicht auf eine erquickliche Zukunft in München kaputt gewesen, nachdem er sich in den vergangenen Tagen klubintern zunehmend isoliert hatte.

Vor dem Anpfiff gab es wohl auch deshalb erstmal ein bisschen Symbolpolitik: Van Gaal und Sportdirektor Christian Nerlinger, die zuletzt im Mittelpunkt der hausinternen Querelen gestanden hatten, posierten vor der Trainerbank, und zwar so ausdauernd, bis auch der letzte Fotograf das friedliche Pärchen belichtet hatte. Die bayerische Botschaft: Streit ausgeräumt. Später zeigte sich Nerlinger sehr zufrieden und attestierte der Mannschaft einen „sehr konzentrierten Auftritt“.

Symbolfußball prägte dann die Anfangsphase des Spiels, hier ein paar Tacklings, da eine rustikale Grätsche: Beide Teams gaben sich große Mühe, ihre unbedingte Kampfeslust zu demonstrieren. Als dann die Aachener die erste Chance des Spiels zusammenkombinierten – Benjamin Auers Flachschuss vom Strafraumeck strich nur knapp am Pfosten vorbei – waberte erstmals ein Hauch jener Stimmung durchs Stadion, die die Bayern bei ihren vorherigen Pokalauftritten in Aachen, 2004 und 2006, aus dem Konzept und aus dem Wettbewerb gebracht hatte.

Doch im Gegensatz zu jenen beiden historischen Siegen der Hausherren gelang diesmal den Münchnern die erste wirkliche Pointe der Begegnung. Nach einem scheinbar dahinplätschernden Spielzug stand plötzlich Luiz Gustavo am linken Flügel frei, flankte nach innen, Mario Gomez köpfte ziemlich unbedrängt ein. Und auch wenn er danach eine weitere Großchance bemerkenswert nachlässig vergab, konnten die Münchner mit dem erwünscht ruhigen Puls in die Pause gehen – in der sich die Bayern-Fans dann die Freiheit nahmen, mit lautstarken Gesängen Mehmet Scholl zu würdigen, der vor ihrem Block versuchte, das Spiel fürs Fernsehen zu analysieren.

„Stress machen“ wollte Aachens Trainer Peter Hyballa den Bayern, das hatte er vor dem Spiel gesagt, und nach dem Wiederanpfiff bekam man dann eine Vorstellung davon, was er meinte. Den ersten größeren Ausschlag auf dieser Stresstestskala verursachte Tobias Feisthammel, der aus kurzer Distanz zum Kopfball kam, allerdings genau auf Torwart Thomas Kraft abschloss; für den zweiten Adrenalinschub sorgte Aimen Demai, dessen entartete Flanke Kraft gerade noch aus dem Winkel fischte. „Wir haben einen sensationell reagierenden Torhüter gehabt, da müssen wir uns bedanken“, lobte Mario Gomez seinen Mitspieler Thomas Kraft.

Danach aber hatte sich die jüngste Mannschaft im deutschen Profifußball verausgabt, und die Bayern machten ziemlich erbarmungslos das, was van Gaal gefordert hatte: Sie „zerstörten“ Aachen. Mit zwei Kontern entschieden sie das Spiel, beide Mal traf Müller. „Respekt, wie die Fußball spielen können, so weit sind wir noch lange nicht“, sagte Hyballa.

In Anbetracht der sicheren Niederlage gönnten sich die Aachener Fans zur Entschädigung dann zumindest ein wenig Schadenfreude. „Deutscher Meister wird nur der BVB“, sangen sie. Die Bestrafung folgte prompt: Arjen Robben machte das 4:0. Pokalsieger wird nur der FCB, sollte das wohl heißen.

Daniel Delzepich[Aachen]