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Leon (Thomas Schubert), Nadja (Paula Beer und Felix (Langston Uibel) staunen über ein Naturschauspiel.

© dpa/Christian Schulz

„Roter Himmel“ auf der Berlinale: Die Ostsee brennt

Christian setzt die Mythensuche in „Roter Himmel“ fort. Sein Sommerfilm erinnert an das Kino von Erich Rohmer.

Von Andreas Busche

Ein Sommer am Meer, ein wilder Strand, der irgendwie der Natur abgetrotzt zu sein scheint. Das Rohmer-Filmzitat liegt in Christian Petzolds „Roter Himmel“ natürlich schnell auf der Hand (beziehungsweise in der Luft), aber da ist noch etwas Elementareres in seinen Bildern – lange bevor der brennende Wald dem Urlaubs-Idyll bedrohlich nah gekommen ist.

Petzold nähert sich den Figuren seiner Filme gerne über Alltagsgegenstände, denen er vielleicht kein Eigenleben, aber doch eine – im filmhistorischen Sinn – Seele zuschreibt. Dieser Cine-Animismus war in seinem letzten Film „Undine“, sein zweiter auch mit Paula Beer, besonders ausgeprägt. In dem Wassermärchen platzt ein Aquarium und ergießt sich über seine Protagonistin. „Roter Himmel“ entzieht sich diesem Spiel der Elemente lange, baut sogar physische Widerstände auf und gibt seine Figuren schließlich wieder in neue Konstellationen frei.

Gestörte Sommerurlaubs-Dynamik

Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) verbringen an der Ostsee, im Ferienhaus von Felix’ Eltern, eine Art Arbeitsurlaub. Leon will seinen zweiten Roman schreiben, sein Berliner Verleger (Matthias Brandt) hat seinen Besuch angekündigt; Felix muss eine Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule fertigstellen. Aber schon die Anfahrt gestaltet sich schwierig, der Wagen bleibt im Wald liegen. Im Haus angekommen realisieren sie, dass sie noch eine weitere Untermieterin haben: Nadja (Paula Beer) wirkt anfangs nur wie ein Geist, ihre Habseligkeiten und der nächtliche Sex sind die einzigen Spuren ihrer Anwesenheit.

Es ist jedoch nicht Nadja, die in der Sommerurlaubs-Dynamik stört, sondern Leon, der prokrastiniert, am Strand einschläft und auf Nadjas Freundlichkeit gereizt reagiert. Aber auch in der Laube, in die er sich zurückzieht, findet er keine Ruhe. Die Aura des Geheimnisvollen, mit der Petzold die Figuren Beers in seinen Filmen umgibt, ist in „Roter Himmel“ geradezu geerdet. Das „Geheimnis“ Nadjas, die tagsüber am Strand Schlumpfeis an Kinder verkauft, kommt der Idee von Suspense noch am Nahesten. Es offenbart sich schließlich in einem Heine-Gedicht, das sie beim Essen vorträgt. „Der Asra“ fungiert bereits als eine Art Chor, doch tiefer taucht Petzold diesmal nicht in die griechische Mythenwelt ein.

Die Natur lehnt sich letztlich gegen die allzu rohmerhafte Gefühlswelt auf. Felix macht Porträts von Menschen, mit und ohne Meer, während von der Landseite das Feuer heranrollt. Und zwischen den Elementen eingekeilt sind die Menschen, die gerade erst ihren Platz im Leben finden, sozusagen noch im Werden begriffen sind. Dabei fühlt sich dieser Sommer lange Zeit so leicht an.

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