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Landeshauptstadt: Zwei Oberbürgermeister – zwei Welten

Jann Jakobs mit DDR-Amtsvorgängerin Brunhilde Hanke im Podiumsgespräch

Innenstadt – Als die 31-jährige Brunhilde Hanke 1961 das Amt der Potsdamer Oberbürgermeisterin antrat, besuchte das jetzige Stadtoberhaupt Jann Jakobs gerade die erste Schulklasse. Während die eine in der „Diktatur der Arbeiter und Bauern“ aufwuchs, ist der andere ein Kind der „demokratischen Grundordnung.“ Auf einer Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Stiftung trafen diese „zwei Welten“ Donnerstagabend im Alten Rathaus aufeinander. Es sei ein gutes Zeichen, „dass der Umgang miteinander neunzehn Jahre nach der politischen Wende normalisiert wird“, wertete Moderatorin Anita Tack (Die Linke) dieses Zusammentreffen.

Beim genauen Hinsehen verblassen manche Gegensätze: Hanke war aus Erfurt als FDJ-Funktionärin in Potsdam angelandet und der aus Ostfriesland stammende Sozialarbeiter Jann Jakobs über Berlin-Spandau in das Potsdamer Rathaus der Nachwendezeit gekommen, weil er sich beruflich verändern wollte. Beide mussten erst allmählich heimisch werden in der ehemaligen Preußenresidenz und beide hatten „Bammel“ vor dem Amt. Und beide können rational und verständnisvoll miteinander umgehen. „Jakobs hat sofort zugesagt, als ich dieses Gespräch vorschlug und sogar eine Reise verschoben“, berichtet Tack.

Hanke war von 1961 bis 1984 Potsdamer Oberbürgermeisterin. In ihre Zeit fällt der Abriss der Garnisonkirche. „Ich war persönlich der Meinung, dass wir den Turm mit dem Glockenspiel wieder aufbauen sollten, wenn wir dazu in der Lage sind“, sagt sie heute. 25 000 Mark habe die Sicherung der Turmruine jährlich gekostet. Vor den Arbeiterfestspielen 1966 habe es ein Gespräch beim SED-Bezirkssekretär Werner Wittig gegeben: der Turm sei baufällig und ein Verkehrshindernis. Der Plankommissar für Finanzen, ein ehemaliger Auschwitz-Häftling, habe kein Geld gegeben und gemeint: „Das reaktionäre Preußentum muss weg.“ Klaus Gysi als Minister für Kultur und Kirchenfragen sei in Potsdam gewesen und versprach, mit Walter Ulbricht zu sprechen. Vergebens. Die Stadtverordnetenversammlung habe schließlich in geschlossener Sitzung mit drei Gegenstimmen den Abriss beschlossen. Die protestierende Junge Gemeinde musste draußen bleiben. Von einer „zusammengewürfelten Bevölkerung“ , die sich nicht so sehr am alten Potsdam orientierte, spricht Hanke und Jakobs von der notwendigen Identität, welche die Bewohner einer Stadt durch ihre historischen Bauwerke erfahren. Vehement verteidigt er daher den Aufbau des Landtages in Gestalt des Stadtschlosses, während Hanke fragt: „Wie soll dort das Herz Potsdams pulsieren, wenn kein geistig-kulturelles Leben stattfindet?“ Und: „Ich finde es eigenartig, dass ein demokratisches Organ in ein Schloss geht.“

Jakobs verweist darauf, dass der Wiederaufbau der Garnisonkirche von einer Stiftung getragen werde, also im weiteren Sinne vom Willen der Bevölkerung. „Nur wenn die Bürger das wollen und die notwendigen Mittel durch Spenden zusammenkommen, hat der Wiederaufbau Berechtigung.“ Mit Hinweis auf die vielen reichen Menschen, die in Potsdam leben, sagt Jakobs: „Es darf nicht Menschengruppen geben, welche die Stadt für sich beanspruchen.“ Aber er höre von Potsdamern , die weit von der Mitte entfernt wohnen, immer wieder: „Ich bin richtig stolz auf diese Stadt“. Dieses Identitätsgefühl werde sich verstärken, wenn die Mitte wieder hergestellt sei.

Als in der Diskussion Kritik an der Wiederherstellung des Stadtkanals laut wurde, schlug sich Brunhilde Hanke sogar auf Jakobs“ Seite. Sie habe damals nicht gewollt, dass der Kanal zugeschüttet wird. Doch die finanziellen Zwänge waren zu groß: „Wir haben nur Geld gekriegt für die Verrohrung“. Heute habe sie sogar einen Stadtkanal-Pfosten: „Meine Tochter hat ihn bezahlt und ich habe den Namen gegeben.“

Günter Schenke

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