zum Hauptinhalt
Neuer Polizeichef: Maik Toppel.

© Andreas Klaer

ZUR PERSON: „Auf Berechenbarkeit kommt es an“

Potsdams neuer Polizeichef Maik Toppel über niedrige Aufklärungsraten, Rocker und Fahrrad-Polizisten

Herr Toppel, seit etwa 100 Tagen sind Sie Chef der Polizeiinspektion Potsdam. Doch denken Sie einmal ein paar Jahre zurück: Warum sind Sie überhaupt Polizist geworden?

Ich fand diese Arbeit schon immer interessant, vielfältig und herausfordernd, wenig berechenbar. Dazu kommt der Umgang mit dem Bürger. Als ich anfing, mit 21 Jahren, war es natürlich auch die Lust auf Abenteuer. Damals war ich in Potsdam bei der Autobahnpolizei.

Wenn sie Ihren Beruf so schätzen, dann muss es Sie ärgern, dass in Potsdam – wie auch anderswo in Brandenburg – seit Jahren die Aufklärungsrate von Straftaten sinkt, auf mittlerweile unter 50 Prozent. Welche Ursachen für diesen Negativtrend gibt es?

Die Aufklärungsquote wird von vielen Faktoren beeinflusst und unterliegt jährlichen Schwankungen. Hinzu kommt, dass große Städte immer ein ganz besonderes kriminalgeografisches Bild zeichnen und sich somit von ländlichen Regionen immens unterscheiden. Heißt: Die Anonymität, die in Ballungsräumen sehr groß ist, führt auch zu einem höheren Straftatenanfall.

Was kann man denn besser machen?

Nachdem im Jahr 2011 auch die Kriminalpolizei im Zuge der Polizeireform umstrukturiert worden ist, setzen wir mit der neuen Struktur alles daran, in diesem Jahr wieder eine Steigerung zu erreichen. Ich bin optimistisch, dass das klappen wird. Darüber hinaus ist natürlich auch die Polizei bemüht, ihre Prozesse und ihre Qualität ständig zu optimieren. Wichtig ist es beispielsweise, Straftäter auf frischer Tat zu fassen oder viele auswertbare Spuren am Tatort zu sichern und somit den Täter zu überführen.

Speziell die Zahl der Einbrüche steigt in Potsdam und auch in der Umgebung. Was wollen Sie dagegen tun?

Da gibt es präventive und repressive Möglichkeiten. Wir warnen beispielsweise regelmäßig in den Medien davor, Wertgegenstände oder Handtaschen in abgestellten Fahrzeugen liegen zu lassen. Bei Häusern und Wohnungen ist natürlich zuallererst einmal der Nutzer selbst für die Sicherung seines Eigentums verantwortlich. Wir geben ihm im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten natürlich auch Verhaltenshinweise und zeigen technische Sicherungsmöglichkeiten auf.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Es gibt im Land Brandenburg ein neues Projekt, bei dem sogenannte künstliche DNA auf bestimmte Wertsachen aufgetragen wird, um sie nach einem Diebstahl dem Besitzer leichter zuordnen zu können. Wenn wir bei Fahrzeugkontrollen diese Markierung, die nur unter UV-Licht sichtbar wird, auf Gegenständen feststellen, so können wir auch Täter nach der Tat stellen. Zu einem Zeitpunkt, an dem diese sich bereits in Sicherheit wiegen. Natürlich ergreifen wir, je nach Lage, an Brennpunkten auch spezielle, operative Maßnahmen – da ist eine gute Mischung nötig.

Für solche „speziellen Maßnahmen“ wird Personal benötigt. Im Zuge der Polizeireform werden aber auch in Potsdam Stellen abgebaut oder nicht mehr besetzt – wie viele genau?

Zurzeit arbeiten in der Polizeiinspektion Potsdam 380 Mitarbeiter. Für 2020 gibt es zwar eine Zielgröße, die rund 80 Stellen weniger vorsieht, jedoch auch von der konkreten Lageentwicklung abhängig sein wird.

Möglicherweise also 300 Mitarbeiter – reicht denn das, gerade für eine wachsende Stadt wie Potsdam mit jährlich fast 2000 neuen Bürgern?

Zunächst einmal bedeutet eine wachsende Einwohnerzahl nicht zwingend eine wachsende Kriminalität. Der Trend bei den Fallzahlen im gesamten Potsdamer Inspektionsbereich sinkt beispielsweise seit Jahren. Die Personalzahlen sind im Zuge der Reform belastungsbezogen berechnet worden und werden 2014 noch einmal evaluiert. Zudem steht für besondere Lagen der gesamte Personalbestand der Polizeidirektion West zur Verfügung.

Besondere Lagen, das sind zum Beispiel Demonstrationen, die mit dem neuen Landtag im Herzen der Stadt zunehmen werden, wie Sie selbst einschätzen. Die Polizisten, die dort abgestellt sind, haben für andere Sachen wiederum keine Zeit mehr

Das würde ich so nicht sagen. Zunächst muss sich erst einmal zeigen, ob es wirklich mehr politische Versammlungen gibt – und solche betreuen wir nicht allein, sondern können immer auch noch andere Kräfte anfordern. Nicht jede Versammlung löst gleich einen großen Einsatz aus.

Ein Dauerproblem ist der hohe Krankenstand bei der Potsdamer Polizei. Wie gehen Sie damit um?

Tatsächlich sind wir von einem merkbaren Krankenstand betroffen. Es geht etwa um Kollegen, die Schicksalsschläge oder Unfälle im Dienst oder Sport verkraften müssen. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und betreiben deswegen ein strukturiertes Gesundheitsmanagement. Die Führungskräfte in der Insepektion und ich persönlich sprechen schnellstmöglich mit erkrankten Kollegen, ob es dienstliche Gründe gibt. Denn ich glaube, solche Gründe lassen sich beseitigen, wenn zeitnah reagiert wird. Weitere Bestandteile des Gesundheitsmanagements sind verschiedene Sportangebote und Informationen zur gesunden Ernährung.

Schlagzeilen gab es um die Wache Babelsberg, die nun erst Mitte 2013 schließen soll, wegen des geltenden Mietvertrages ein Jahr später als geplant. Mit der Schließung sind bei den Babelsbergern viele Ängste verbunden. Ist eine wachsende Stadt wie Potsdam wirklich von nur einer Polizeizentrale aus zu führen?

Grundsätzlich ja – und das ist ja auch eine Entscheidung im Zuge der Polizeireform gewesen. Potsdam hat den Vorteil, dass die Wege hier nicht lang sind. Zudem sind unsere Einsatzfahrzeuge mit GPS-Systemen ausgestattet – die Kollegen im Einsatz- und Lagezentrum in Potsdam-Eiche sehen also auf einem Tableau, wo sich jeder Funkwagen befindet. So können die Mitarbeiter schnell zuordnen, welcher Wagen am schnellsten zu einem Einsatz fahren kann.

Die Frage ist aber auch, inwiefern es in Babelsberg noch einen Anlaufpunkt der Polizei für Bürger geben wird, wenn die Wache schließt

Es muss auch zukünftig niemand Angst davor haben, dass es in Babelsberg keine Polizisten mehr gibt. Die Revierpolizisten, die bisher den Bereich betreuen, werden auch in Zukunft in dem Stadtteil ihren Dienst versehen. Hinzu kommt der Streifendienst, der für aktuelle Einsätze und Notrufe in dem Bereich zur Verfügung steht.

Ein anderes Thema: Es gibt viele Radfahrer in Potsdam – und viele verunglücken. Ist Potsdam so unsicher oder machen es sich die Radfahrer selbst schwer?

Uns fällt auf, dass die Radler etwa ein Drittel der Unfälle durch ihr eigenes Verhalten verursachen, beispielsweise Fahrradwege auf der falschen Seite nutzen oder Ampeln ignorieren. Solche Unfälle enden fast immer mit Verletzungen, weil Radfahrer zu den schwachen Verkehrsteilnehmern zählen. Gerade deshalb fordern wir auch von den Autofahrern immer wieder besondere Obacht, insbesondere bei der Vorfahrtgewährung an kreuzenden Radwegen und beim Vorbeifahren.

Um die Sicherheit zu erhöhen, gab es in Potsdam früher eine Radstaffel. Sind solche Pläne wieder aktuell?

Die Einsatzform „Fahrradstreife“ hat sich bewährt – die Kollegen sind einfach überraschender da, wenn sie Verstöße gegen die Verkehrsordnung sehen. Es hat sich gezeigt, dass bei diesen Verkehrsverstößen repressive Maßnahmen am ehesten wirken.

In Potsdam gibt es ja viele schmale, auf die Straße gepinselte Radfahrer-Schutzstreifen. Sind die wirklich sicher?

Die Polizei führt dazu keine Statistiken – mir persönlich als Radfahrer ist aber ein Fahrradweg lieber.

Ist die Verkehrssicherheit für Sie also ein besonders wichtiges Thema?

Ja. Weil jeder Unfall mit Verletzten persönliches Leid und Schmerz verursacht. Die Verringerung von Verkehrsunfällen und insbesondere derer mit Verletzten ist mir deshalb besonders wichtig.

Die Polizei hat in Potsdam derzeit die Rocker im Visier. Welche Straftaten werfen Sie den Mitgliedern der Potsdamer Rocker vor?

Rocker, auch die Potsdamer, sind überörtlich vernetzt und auch überörtlich tätig. Zu den mutmaßlich von Rockern begangenen Straftaten ermittelt deshalb federführend die Fachdirektion des Landeskriminalamts. Wie Sie wissen, gab es offenbar Übertritte von Rockern der „Bandidos“ zu den „Hells Angels“. Da beide Rockergruppen als verfeindet gelten und es in der Vergangenheit in anderen Bundesländern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen nach derartigen Übertritten kam, war die Polizeidirektion West natürlich gewarnt und führte zwei Razzien in der Potsdamer Charlottenstraße zur Gefahrenabwehr durch. Hierbei wurden unter anderem Gegenstände gefunden, deren Besitz Straftaten nach dem Waffengesetz darstellen, die natürlich auch verfolgt werden. Auch in Zukunft wird die Polizei keine kriminellen Banden in Potsdam dulden und den Verfolgungsdruck aufrecht erhalten.

Haben Sie auch Hinweise auf Schutzgelderpressungen, dass Klubs in Potsdam an Rocker für ihre Sicherheit zahlen müssen?

Derzeit nein.

Wie sieht ihre Strategie gegen Neonazis in Potsdam aus?

Das ist kein Randthema für mich. Ich stehe dabei für Null-Toleranz gegen rechtsextrem motivierte Straftaten.

In Potsdam gibt es eine zahlenmäßig starke linke Szene. Ihr Vorgänger Ralf Marschall hat stets versucht, in Bezug auf die Szene vermittelnd zu wirken, speziell bei Demos. Zu Konflikten mit der Polizei kam es vor allem dann, wenn Einheiten von außerhalb da waren. Wie ist da Ihre Herangehensweise?

Mein Grundsatz ist, dass wenn Konflikte absehbar sind, zuallererst Kommunikation gefragt ist. Man muss miteinander reden und deutlich machen, was voneinander zu erwarten ist. Es kommt auf Berechenbarkeit an. Das ist eine ähnliche Linie zu der in den vergangenen Jahren. So ein Kooperationsgebot wäre eine gute Grundlage, um miteinander in der Stadt umzugehen.

Sie haben vor Jahren mit einer Ermittlergruppe der Landespolizei Schlagzeilen gemacht, als sie die sogenannte Schlapphutbande auffliegen ließen – sie hatte bundesweit mehr als 50 Banküberfälle verübt. War das der größte Erfolg Ihrer Karriere oder was war da noch?

Ich war nur ein Teil dieses Teams. Doch ein Highlight war es schon, wenn man über mehrere Jahre hinweg ermittelt und dann noch Erfolg hat. Wir waren damals alle Schlapphut-Jäger. Dass es erfolgreich war, dafür brauchte es einen gut strukturierten Apparat.

Zuletzt Hand aufs Herz: Welches Polizistenklischee ärgert Sie am meisten?

Klar machen Kollegen auch einmal Fehler. Doch mich ärgert, wenn Polizisten dafür pauschal verunglimpft werden. Und mich stören solche Klischees, dass Beamte ja nichts tun. Gerade die Potsdamer Polizei ist ein gelungenes Gegenbeispiel.

Das Interview führte Henri Kramer

Maik Toppel ist 49 Jahre alt, Vater einer erwachsenen Tochter und wohnt im Landkreis Teltow-Fläming.

Bei der Polizei arbeitet er seit 1984, ein Studium dafür absolvierte er in Aschersleben. Viele Dienstjahre verbrachte Toppel in Potsdam, unter anderem als Chef des Führungsstabs für außergewöhnliche Lagen. So bereitete er 2004 den Besuch von Königin Elisabeth II. in Potsdam vor, damals waren mehr als 1000 Polizisten eingesetzt. Zu seinen Hobbys zählt Toppel das Lesen, er fährt oft Fahrrad und besucht gern Trödelmärkte.

Die Polizeiinspektion Potsdam, zu der auch

Teltow und Werder gehören, ist 2011 aus dem Schutzbereich Potsdam hervorgegangen. Mehr als zehn Jahre hatte der Polizeidirektor Ralf Marschall den Schutzbereich geführt. HK

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false