zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Wo die Wäsche der Kinder trocknete

Erstmals kann der Dachboden des Großen Waisenhauses am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden

Diesen Geruch hat jeder irgendwo abgespeichert, wahrscheinlich unter den Stichworten Kindheit und Sommer bei den Großeltern. Auf dem weiten, leeren Dachboden des Großen Waisenhauses riecht es nach trockenem Holz und Mauerwerk. Nach Vergangenheit. Beim Tag des offenen Denkmals am Sonntag, dem 14. September, kann hier jeder Besucher eine Nase davon nehmen, dann darf der sonst geschlossene Speicher, Teil eines einzigartiges Baudenkmals, besichtigt werden. „Wir wollen an diesem Tag Stadtgeschichte vermitteln – nicht nur über Fakten, sondern auch über die Atmosphäre“, sagt Sabine Ambrosius vom Denkmalamt.

Das barocke Gebäudeensemble, das Friedrich Wilhelm I. im Karree zwischen Linden- und Dortustraße, Breite Straße und Spornstraße errichten ließ, um dort Kriegswaisen unterzubringen, gilt als wichtiges Merkmal Potsdamer Architektur. Es ist weniger augenfällig als die prächtigen Schlösser und so manches Wohnhaus. Doch es prägt die Innenstadt, und der Monopterus-Turm mit acht Säulen, Attika, Kuppeldach und Karitas-Skulptur war stets weithin sichtbar. „Mit den Türmen von Heilig Geist Kirche, Garnisonkirche und dem Dach von St. Nikolai bildete die Kuppel ziemlich genau eine Linie“, sagt René Schreiter von der Stiftung Großes Waisenhaus.

Das frühere Militärwaisenhaus war zunächst in einem einfachen Fachwerkbau untergebracht, bis der Soldatenkönig dem Architekten Carl von Gontard den Auftrag für einen Neubau übertrug – immerhin stand das Haus, errichtet von 1771 bis 1777, quasi direkt um die Ecke vom Stadtschloss. Heute ist es das größte noch erhaltene barocke Baudenkmal in Potsdam, auch wenn im April 1945 ein Teil zerstört wurde und heute fehlt.

Hunderte Zöglinge, Soldatenwaisen, fanden dort Aufnahme, erhielten dort eine Schulbildung. Gemütlichkeit verströmt das Bauwerk dennoch nicht so recht:. Für barocke Verhältnisse war es geradezu schlicht, Wandfarbe sucht man vergeblich. Und es muss hier immer kalt gewesen sein. Das liegt vor allem an dem mächtigen Treppenhaus. Auf 25 Metern überwindet man vier Etagen, Treppen, die sich um einen Innenhof von etwa 7 Metern Durchmesser gruppieren. „Das Treppenhaus war als Zugang zu den einzelnen Trackten da und in dem Sinne kein Teil des Hauses“, sagt Denkmalpfleger Roland Zurkuhlen. Das Straßenpflaster im Inneren des Hauses vermittelt ebenfalls diesen Eindruck.

Kalt war es auch, weil das Dach des Monopterus nur notdürftig gegen Witterungseinflüsse abgedeckt war, vermutlich mit einer einfachen Bretterkonstruktion und einem kleinen Fenster. So licht und dicht wie es seit der Restaurierung des Turmes im Jahr 2004 ist, war es im Original nie, so Zurkuhlen.

Doch die architektonische Schönheit dieses Treppenhauses ist weithin bekannt, es kommen immer wieder Touristen, um es sich anzuschauen. „Es ist eines der Schönsten in Europa“, sagt René Schreiter. Zurkuhlen verweist auf die Symbolik in der Gestaltung des schmiedeeisernen Treppenhauses: Herzen, Flammen und Lorbeer sind dort zu erkennen. Auch Szenen des Films „Mädchen in Uniform“ entstanden 1931 in dem Gebäude.

Heute ist ein Großteil der Räume vermietet an Ministerien und Verwaltung. Montag bis Freitag ist das Treppenhaus zugänglich. Der Dachboden, ein Raum von etwa zehn mal 23 Metern, wird nur am 14. September geöffnet sein. „Gottseidank, er ist nie ausgebaut worden und dadurch fast original erhalten“, sagt Zurkuhlen. Auch wenn einiges ersetzt werden musste: Die Konstruktion des zweifach-stehenden Dachstuhls ist einzigartig. Hier ist auch zu sehen, wie damals jeweils zwei Züge zu einem Schornsteinkopf zusammengelegt wurden. Die Züge kamen von den darunterliegenden Kachelöfen, sogenannte Hinterlader, die von einem Erschließungsgang beheizt wurden. „Man wollte aber nicht, dass überall Schornsteine aus dem Dach gucken“, sagt Sabine Ambrosius. Diese Konstruktion ist heute nur noch ganz selten zu finden. „Das ist nicht mehr erlaubt, so zu bauen, alle Züge müssen gerade sein“, sagt Zurkuhlen. „Das wird gepflegt, denn was einmal weg ist, ist für immer verloren.“ Im Mauerwerk sind Rundbögen zu erkennen, die waren nötig, um das immense Gewicht des Monopteros zu tragen. Genutzt wurde der Dachboden zum Wäschetrocknen und als Speicher, einst konnte man sich fast komplett über den Dachboden das Haus erlaufen. Die großen Schlafsäle der Kinder befanden sich in dem Geschoss darunter.

Am Denkmaltag führt das Orchester der benachbarten Voltaire-Gesamtschule Musik einstiger Zöglinge des Waisenhauses auf, darunter auch den Militär-Waisenhaus-Marsch, geschrieben für 1899 zum 175-jährigen Bestehen des Hauses.

Geöffnet am 14. 9. von 10 - 18 Uhr, Führungen um 11, 13 und 15 Uhr. Eintritt frei. Das ganze Programm zu den 45 offenen Denkmalen unter www.potsdamer-dreiklang.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false