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Landeshauptstadt: Wie der Soldatenkönig nach Frankreich kam

Der Berliner Michael Sobotta hat das erste Farbdia-Buch über das alte Potsdam veröffentlicht. An manche Bilder gelangte er nur mit Glück

Von Peer Straube

Sein Lieblingsdia? Da muss Michael Sobotta nicht lange überlegen. „Das ist das mit dem Motorrad vor dem Stadtschloss“, sagt er und fügt nach kurzem Nachdenken hinzu: „Eigentlich habe ich sogar zwei. Das andere ist das Titelbild meines neuen Buchs.“ Es zeigt das Stadtschloss und die Nikolaikirche vom Lustgarten aus, im Vordergrund ist ein Standbild Friedrich Wilhelms I. zu sehen.

Das Buch, von dem Sobotta spricht, heißt „Potsdam – Stadt und Gärten in alten Farbdias der 30er- und 40er- Jahre“. Der 68-jährige Berliner und sein Verleger und Co-Autor Axel Urbanke schließen damit eine Lücke im reichhaltigen Fundus an historischen Potsdam-Büchern. „Es ist das erste Farbdiabuch über das alte Potsdam überhaupt“, sagt Sobotta stolz.

Seit mehr als 40 Jahren sammelt der ehemalige Angestellte der Bundesdruckerei historische Farbdias, vor allem mit Motiven aus Berlin. Tausende sind es inzwischen. Zwei Bücher mit Berlin-Dias hat er schon herausgegeben, jetzt hat er mit Potsdam nachgelegt. „Wenn man Berlin-Dias sammelt, liegt es nahe, auch nach entsprechenden Potsdam-Motiven zu suchen“, sagt Sobotta. Immerhin 200 bis 300 Potsdam-Dias hat er bereits zusammengetragen, das Buch enthält eine Auswahl der wichtigsten. Die meisten Aufnahmen zeigen natürlich die alte Potsdamer Mitte mit Stadtschloss, Altem Markt, Barberini, Nikolai-, Heiliggeist- und Garnisonkirche. Es sind aber auch seltene Farbaufnahmen, etwa vom Stadtkanal, dem Schauspielhaus Am Kanal oder dem Bassinplatz darunter. Hinzu kommen Fotos aus dem Park Sanssouci, etwa von Dreharbeiten für den 1943 entstandenen Ufa-Film „Junge Herzen“, die das Filmteam vor dem Schloss Sanssouci zeigen. Interessantes Detail: Weil die Fenster des Schlosses wegen drohender Bombenangriffe der Alliierten abgedeckt waren, hatte das Filmteam die Abdeckungen mit bemalten Blenden versehen, die wie die Originalfenster aussahen.

Zur besseren Übersicht haben die Autoren jedem Kapitel einen Ausschnitt aus einem historischen Stadtplan vorangestellt, damit der Betrachter auch die einstigen Standorte verloren gegangener Bildmotive wiederfinden kann.

Ein preiswertes Hobby hat sich Sobotta nicht ausgesucht. Die Zeiten, in denen Dias von Verkäufern eher als Ramsch betrachtet und entsprechend billig angeboten wurden, sind lange vorbei. Früher habe er alle Berliner Flohmärkte nach Schätzen abgegrast und „kistenweise Dias für eine Mark“ abgestaubt, erinnert sich Sobotta. Dort brauche man es heute aber gar nicht mehr zu probieren. Fündig wird er vor allem im Internet – zu meist saftigen Preisen. Für sein eingangs erwähntes Lieblingsbild, das mit dem Motorrad, musste er 150 Euro berappen. Und das ist noch nicht mal ein Spitzenpreis. „Für ein schönes Dia kann man schon mal 200 oder 300 Euro bezahlen“, erzählt Sobotta. Außer man hat Glück. So wie im Falle seines zweiten Lieblingsdias, die Stadtschloss-Ansicht mit der Statue des Soldatenkönigs, die auch den Bucheinband ziert. Das hat Sobotta bei Ebay für zehn Euro ersteigert. „Es war falsch beschriftet“, sagt er schmunzelnd. „Der Verkäufer hatte es mit ,Denkmal in Frankreich’ betitelt, aber ich habe Potsdam gleich erkannt.“ Auf Kleinanzeigen-Portalen nach historischen Diaschätzen zu suchen, habe keinen Sinn, meint Sobotta. Taucht dort mal etwas auf, „stürzen sich gleich die professionellen Händler drauf“. Von seiner Sammelleidenschaft, gepaart mit hochprofessioneller Technik für die Digitalisierung der Bilder, hat auch das Potsdam Museum profitiert: Sobotta hat dessen Farbdia-Bestand mit Potsdam-Motiven, insgesamt mehr als 1000 Stück, gescannt – und darf die Bilder als Dank in privatem Rahmen selbst nutzen.

Dass die veröffentlichten Farbfotos des unzerstörten Potsdam ausschließlich aus den 30er- und 40er-Jahren stammen, hat einen simplen Grund. Die ersten Farbdiafilme seien erst 1936 auf den Markt gekommen, sagt Sobotta. Mit einem Preis von 3,60 Reichsmark hätten sich das aber nicht viele leisten können. Der Entstehungszeitraum der Bilder erklärt auch die Nazi-Beflaggung auf vielen Aufnahmen, etwa im Holländischen Viertel. „Wie Anfang der 40er-Jahre üblich“, schreibt Sobotta zu einem entsprechenden Bild der Mittelstraße, „sind viele der Häuser mit Hakenkreuz-Fähnchen geschmückt.“

Woher die Dias stammen, darüber kann Sobotta nur mutmaßen. Hauptsächlich wurden sie wohl von Touristen aufgenommen, vermutet er. Nur in einem Fall ist die Herkunft klar: Nachdem ein Film über Sobottas Bücher im rbb gelaufen war, meldete sich ein Mann aus Babelsberg bei ihm und schenkte ihm etwa 30 Farbdias mit Aufnahmen aus Potsdam aus der Vorkriegszeit. Gemacht hatte sie der Vater des Spenders. Auf solche Glücksfälle hofft er nun auch im Zuge seines neuen Buchs. Wer historische Dias mit Motiven aus Potsdam, Berlin oder auch anderswo in Deutschland sein Eigen nennt und nicht weiß, was er damit anfangen soll, findet in Sobotta einen erfreuten Abnehmer – einfach eine E-Mail an Farbdias-Berlin@online.de schreiben.

Am meisten wünscht er sich Aufnahmen abseits der ausgetretenen Pfade. „Die meisten haben halt das Übliche fotografiert, Stadtschloss und Garnisonkirche und so“, sagt Sobotta. „Ich hätte gern mehr Dias von anderen Ecken der Stadt.“

M. Sobotta, A. Urbanke: „Potsdam – Stadt und Gärten in alten Farbdias der 30er- und 40er-Jahre“, Luftfahrtverlag Start, 128 Seiten, 34,50 Euro. Erhältlich unter anderem im PNN-Shop in der Wilhelm-Galerie.

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