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Wochenlang zu. Der Frisörsalon HaarLack ist seit Mitte Dezember geschlossen, wie alle anderen Salons. Inhaberin Christin Lack hat ein Darlehen aufgenommen, um die laufenden Kosten zu tragen. Doch trotzdem wird es eng.

© Andreas Klaer

Wenig Grund für Optimismus: Frust und große Existenzangst bei Potsdamer Unternehmern

Die Wirtschaft in Potsdam leidet immer stärker unter dem zweiten Corona-Lockdown – weil Hilfen nicht ankommen.

Potsdam - Mitte Februar ist die Schmerzgrenze. So drückt es Christin Lack aus. Die 47-Jährige ist Frisörmeisterin und Inhaberin des Salons HaarLack Friseure in der Zeppelinstraße. Wenn sie bis Mitte Februar nicht öffnen könne oder zumindest Hilfe erhalte, müsse sie einen weiteren Kredit aufnehmen, um den Salon durchzubekommen. Ein erstes Darlehen in Höhe von 15.000 Euro hilft ihr derzeit, das Kurzarbeitergeld für ihre beiden Angestellten vorzustrecken, die Miete, Versicherungen und andere laufende Kosten zu bezahlen. Staatliche Hilfe habe sie zwar beantragt, aber noch keine Rückmeldung. Und die Soforthilfe im März? „Ich musste die bis Jahresende komplett zurückzahlen, weil mein Umsatz wegen der vorgeschriebenen Nass- statt Trockenschnitte doch höher war“, sagt Lack.

Das fehlende Prozent

Viele Frisöre hätten Probleme bei der Inanspruchnahme der Hilfen, beschreibt auch Nicole Krebs, Obermeisterin der Potsdamer Friseurinnung. So sei der Rahmen für diese recht starr, für Dezember hätten nur jene Salons Anspruch, deren Umsatz um mindestens 30 Prozent eingebrochen sei. „Manche haben 28 oder 29 Prozent Umsatzeinbuße, was für einen kleinen Familienbetrieb enorm ist, aber dann haben sie null Anspruch“, so Krebs. Im Frühjahr sechs Wochen Schließzeit, jetzt schon wieder seit sechs Wochen zu. „Kaum jemand hat Rücklagen für drei Monate“, sagt sie. Manche borgten sich privat Geld oder nähmen Kredite auf. Aber bestimmt würden auch einige dauerhaft schließen. „Uns fehlt die Luft zum Atmen“, so Krebs.

Frust und Existenzangst

So geht es vielen der in der Krise besonders betroffenen Betrieben. Zum Beispiel: Schulküchen wie der Caterer BlauArt, der in normalen Zeiten rund 4000 Potsdamer Kinder und Schüler pro Tag satt macht. Angesichts der Notbetreuung in den Kitas und den bis auf die Abschlussklassen geschlossenen Schulen liege die Auslastung der Küche aktuell bei 15 Prozent, sagt Chef Ralf Blauert – zumal auch belieferte Betriebsrestaurants dicht seien. Daher seien fast alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. Hilfszahlungen seien bei ihm noch nicht angekommen, auch wegen Problemen mit der Beantragung: „Es ist frustrierend.“ Für viele Unternehmen der Branche sei die Lage, zumal von ungewisser Länge, existenzbedrohend, sagt Blauert, der auch den Verband Deutscher Schul-und Kitacaterer führt. Neben den Umsatzeinbußen habe man auch Mehrkosten für Hygienekonzepte schultern müssen.

IHK bietet kostenlose Insolvenzsprechstunden an

Alarm schlägt die Industrie- und Handelskammer Potsdam. Eine Blitzumfrage unter mehr als 1000 Unternehmen in der Region habe gezeigt, dass nur ein Viertel der Firmen bisher Gelder aus den aktuellen Corona-Hilfsprogrammen beantragen konnte. „Schwer zu überblickende Antragsbedingungen sowie die Befürchtung, das Geld wieder zurückzahlen zu müssen – das hält vielerorts von der Beantragung ab“, sagt IHK-Präsident Peter Heydenbluth. Insolvenzgefahr drohe bei insgesamt zwölf Prozent der Firmen, vor allem Veranstalter, Gastronomen und Einzelhändler seien betroffen. Neuerdings bietet die IHK für ihre Mitglieder kostenlose Insolvenzsprechstunden mit darauf spezialisierten Fachanwälten an.

IHK-Präsident Potsdam Peter Heydenbluth
IHK-Präsident Potsdam Peter Heydenbluth

© IHK Potsdam

Schuhhändler werden Saisonware nicht los

Sorgen hat auch der Schuhhändler Guido Baar – der seine Lage jüngst dem in Potsdam wohnenden Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schildern konnte, der ihn besuchte. „Jedes zweite Geschäft im Mode- und Schuhhandel ist in der Existenz bedroht“, hatte Baar mit Verweis auf die Saisonware, auf der er sitzt – und nicht nur er – , via Facebook erklärt. Wenige Tage später kam die Nachricht, die Bundesregierung wolle ab sofort Ausgaben für solche Saisonware fast vollständig ersetzen. Baars Kommentar: „Also wenn das so wirklich kommt … ziehen gerade die Wolken vorbei.“

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Reserven reichen nicht ewig

Zu kämpfen hat bekanntlich auch das Hotel- und Gaststättengewerbe, gerade in einer Touristenregion wie Potsdam und Berlin. Auch dieser Umstand gilt als eine der wichtigsten Ursachen für den Anstieg der Arbeitslosenquote in Potsdam auf zuletzt rund sechs Prozent, vor Corona waren es rund fünf. Und gerade in den Hotels ist die Stimmung trübe. So sagt Burkhard Scholz vom Inselhotel auf Hermannswerder, die angekündigten Hilfen seien „nur mit extrem hohen bürokratischen Aufwand zu beantragen“, er habe auch erst 10.000 Euro für sein seit November geschlossenes Haus erhalten. „Die fast wöchentlich von Spitzenpolitikern abgegebenen Verlautbarungen halten den anschließend herausgegebenen schriftlich fixierten Förderbedingungen wiederholt nicht stand.“ Das erhöhe, neben der Existenzangst, den Frust. Sein Team sei in Kurzarbeit – und zum Glück habe man für schlechte Zeiten eine Vorsorge getroffen. „Die reicht aber nicht unendlich.“

Bettina Schütt
Bettina Schütt

© Andreas Klaer (Archiv)

Bettina Schütt vom Dorint Hotel an der Jägerallee verzeichnet aktuell wiederum eine Belegungsquote für ihre rund 300 Betten von drei bis zehn Prozent, ausschließlich Businessgäste sind erlaubt. Gleichwohl sei die Gastronomie bis auf den Außer-Haus-Verkauf geschlossen, auch Veranstaltungen kaum möglich. „90 Prozent der Belegschaft sind in Kurzarbeit.“ Der Minimalbetrieb lohne sich wirtschaftlich nicht, schließlich würden die Pachtkosten für das Haus laufen, auch auskühlen dürfe es nicht und die Leitungen müssten regelmäßig durchgespült werden. Direkte Finanzhilfen habe sie noch nicht erhalten – das liege in der Hand der deutschlandweit aktiven Dorint-Gruppe, erst vor wenigen Tagen habe auch die EU grundsätzlich solche Fördergelder überhaupt gestattet. Allerdings sagt Schütt auch: Es würden schon jetzt Buchungen für Sommer und Herbst eingehen, sagt sie. Es klingt ein wenig hoffnungsvoll.

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