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Landeshauptstadt: Weltberühmte „Alte Kameraden“

Die polnische Stadt Gorzow erinnert an den Potsdamer Militärmusiker Carl Teike

Die polnische Stadt Gorzow, bis 1945 Landsberg an der Warthe, hat einen prominenten Bürger wieder entdeckt. Ende Mai enthüllte sie am Haus ul. Kosynierów Gdynskich (früher Heinerdorfer Straße) 26 eine Gedenktafel für den Militärmusiker Carl Teike (1864-1922). Schon ein Jahr zuvor war erstmals dessen berühmter Marsch „Alte Kameraden“ wieder aufgeführt worden und wird seitdem regelmäßig gespielt. Für die Erinnerung an Teike hatte sich besonders der in Landsberg geborene, heute in Zell am Main lebende Dr. Dieter Erhardt eingesetzt und dafür Ewa Hornik, die Leiterin des Gorzower Kulturzentrums, und den Dirigenten des dortigen Kammerochesters, Szczepan Kaszynski, als Partner gewonnen.

Der Komponist hatte ab 1907 seine letzten 15 Jahre in Landsberg verbracht. Wegen einer Lungenkrankheit war er zuvor in Potsdam als Streifenpolizist entlassen worden und froh, in der Warthe-Stadt eine Anstellung als Bote zu finden. Er trug die Akten der Kreisverwaltung aus. Carl Teike war 1864 in Altdamm bei Stettin geboren worden und zeigte früh ein ausgeprägtes musikalisches Talent. Er erhielt in der Wolliner Stadtkapelle eine Ausbildung für Blasinstrumente und Schlagzeug und trat bereits als 14-Jähriger mit dem Waldhorn als Solist auf. 1883 wurde er als Musiker beim König Karl Grenadier-Regiment in Ulm angestellt. In der Donaustadt erlebte er aber auch den ersten Rückschlag in seiner Karriere. Sein 1889 komponierter Marsch „Alte Kameraden“ wurde mit der Aufforderung abgelehnt, er möge die Noten in den Ofen werfen. Aus verletztem künstlerischen Stolz quittierte Teike den Dienst, obwohl er dadurch alle Pensionsansprüche verlor. Er zog nach Potsdam, wo er eine Anstellung bei der „Königlichen Schutzmannschaft“ fand. Carl Albert Hermann Teike wohnte zunächst in der Kirchstraße (an der Nikolaikirche, nicht erhalten), dann in der Neuen Königsstraße (Berliner Straße) 27 (kriegszerstört), zuletzt in einem Haus am Leipziger Dreieck (abgerissen). Revier des Polizisten waren von der Polizeiwache Posthofstraße aus das Stadtzentrum und die Berliner Vorstadt. Hier wurde der stattliche, 1,82 Meter große Mann bald außerordentlich populär. Er galt als bescheiden, gutmütig und liebenswert. Teike war auch kein Kostverächter, in seinem Stammlokal Oswin Mehlhorn ebenso gern gesehen wie im „Forsthaus Templin“, von wo aus er zum Angeln hinausfuhr, und im Fercher Café Beuster, wo er den Urlaub verbrachte. „Da es heute Geld gab, werde ich wohl etwas später kommen“, teilte er einmal seiner Frau mit.

1895 führte die Nowaweser Kapelle Fritz Köhler den Marsch „Alte Kameraden“ erstmals offiziell auf. Das Musikstück trat seinen Siegeszug um die Welt an. Es wurde unter anderem 1937 auf der Krönungsfeier für König Georg VI. von England ebenso gespielt wie 1970 neben 45 anderen Märschen Teikes in die US-amerikanische Schallplattenreihe „Heritage of the March“ aufgenommen. Sogar in dem berühmten Film „Der blaue Engel“ (1929/30) kann man es hören. Der Komponist bekam dafür keinen Pfennig, denn er hatte die Rechte für 25 Mark an einen Stettiner Musikverlag verkauft.

Nachdem Carl Teike 1922 in Landsberg (Gorzow) verstorben war, zog seine Witwe zwei Jahre später nach Potsdam zurück. Teike hat seiner Babette, die er bereits in Ulm kennengelernt hatte, nicht weniger als 20 von ihm komponierte Tänze gewidmet. Babette Teike wohnte in der Brandenburger Straße 72 (heute „Gastmahl des Meeres“) und zog in den 1950er Jahren nach West-Berlin, wo sie 1952 starb.

Seit der Wende werden die Melodien Carl Teikes auch in Potsdam wieder häufiger gespielt. So hat das Polizeiorchester eine CD mit seinen Märschen produziert. Ansonsten wird kaum an den Komponisten erinnert. Eine 1992 vom inzwischen aufgelösten Verein zur Pflege deutscher Marsch- und Blasmusik „Alte Kameraden“ am Forsthaus Templin enthüllte Gedenktafel wurde bei der Sanierung des Gebäudes abgenommen und von den neuen Betreibern bisher nicht wieder angebracht. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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