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Landeshauptstadt: Weißwurschttherapie

Klinik-Oktoberfest zum Thema Männergesundheit

Ausgerechnet zur Eröffnung der Potsdamer Wiesn auf dem Campus des Ernstvon-Bergmann-Klinikums hat sich Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) krank gemeldet. Der Oktoberfestnachmittag stand ganz passend unter einem besonderen Motto: Männergesundheit. Immerhin ließ Exner ausrichten, er werde ein paar Tage zu Hause bleiben und sich auskurieren. Ganz vorbildlich, sagte Kliniksprecherin Damaris Hunsmann.

Diese Männer. Auf der eigens für sie inszenierten Veranstaltung auf dem Vorplatz der Poliklinik sind sie am gestrigen Donnerstag zunächst in der Minderheit. Dabei gibt es hier nichts zu befürchten, keine Salatbar in Sicht. Stattdessen ein Wagen der Braumanufaktur, ein Stand mit Weißwurscht und Brezn, Germknödel und Apfelstrudel. „Man kriegt sie ja nicht hinterm Ofen vor, wenn man ihnen nicht etwas Attraktives anbietet“, sagt Marit Kniesche, Inhaberin des gleichnamigen Potsdamer Sanitätshauses mit mehreren Filialen. Gemeinsam mit Anja Franke vom DRK-Blutspendedienst hat sie die Idee für dieses Fest entwickelt. Auch die BKK-Verkehrsbauunion ist, wie das Klinikum, als Partner mit dabei.

Am BKK-Stand von Bettina Willeke geht es um Prävention. „Heute ist ja auch Tag der Zahngesundheit, beim Glücksrad kann man Zahnbürsten gewinnen“, sagt sie. Das sei durchaus ein Problem, Männer nehmen weitaus seltener an Vorsorgeuntersuchungen, nicht nur die Zähne betreffend, teil. Das kann auch Ortrud Vargas Hein, ärztliche Klinik-Direktorin, bestätigen. In der Altersgruppe ab 60 Jahren nehmen mehr als 50 Prozent der Frauen die empfohlenen Untersuchungen wahr, bei den Männern kaum 20 Prozent. „Männer sind einfach träger“, sagt sie. Auch Marit Kniesche kennt das Phänomen. „Wenn Männer zu uns kommen, dann werden sie oft von ihren Frauen geschickt oder begleitet.“ Vielleicht sei es widersprüchlich, Bier auszuschenken, wenn es um Gesundheit geht. „Aber wir müssen die Männer da abholen, wo sie sind“, sagt sie.

Das tut auch das Team des Ärztemobils des Bergmann-Klinikums, das einmal wöchentlich Obdachlose betreut. In Werder und Babelsberg werden jeden Donnerstag ein Dutzend Patienten verarztet – zumeist Männer, sagt Michael Oppert, Leiter der Notaufnahme und des Ärztemobils. Auf der Wiesn wird für diese mobile Praxis Geld gesammelt – für laufende Kosten wie Verbandsmaterial und Medikamente. Auch diese Spendenaktion soll Spaß machen, auf drei Ergometern wird an dem Nachmittag für das Projekt geradelt. Jeder Kilometer wird von den Veranstaltern mit einem Euro für das Ärztemobil vergütet. Mindestens 467 Kilometer sollen zusammenkommen, das wäre die Entfernung von Potsdam zur Münchener Theresienwiese.

Auch beim Radeln sind Frauen vorbildlich engagiert: Volleyballerinnen des SC Potsdam strampeln mit ihren langen Beinen die ersten Kilometer. Zur Bespaßung könnte Mann auch Bullenreiten ausprobieren, doch so recht traut sich keiner auf das Viech in der kleinen aufgebauten Arena. Michael Oppert erwähnt, dass auch in der Notaufnahme und dann auf der Intensivstation überdurchschnittlich viele Männer landen. Weil Männer erst dann zum Arzt gehen, wenn es weh tut. Und Ortrud Vargas Hein ergänzt, dass der männliche Patient durchaus wehleidiger sei, zumindest gefühlt. „Dann fällt seine harte Schale zusammen“, sagt sie.

Bisher bietet das Klinikum noch keine Praxis für Männergesundheit, wie manche Männer und Ärzte mittlerweile fordern. Für viele ist deshalb nach wie vor der Urologe der erste vertrauliche Ansprechpartner, der dann weiter vermittelt, so Damaris Hunsmann. Auf dem Oktoberfest kann man sich zumindest informieren, zu Suchtberatung und Raucherentwöhnungsprogrammen.

Die ersten Besucher, angelockt von Schlagerbeschallung, greifen dennoch zunächst bei den Würstchen zu. Auch Ortrud Vargas Hein und Michael Oppert sind dabei. Die Volleyballerinnen radeln weiterhin Richtung München und der Bulle bleibt ruhig – auch eine Art Prävention. Steffi Pyanoe

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