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Bodo Killat lädt Nachbarn und Potsdamer ein, das Weihnachtsfest nicht allein zu verbringen.

© Andreas Klaer

Weihnachten nicht alleine: Ein Potsdamer lädt fremde Menschen ein

Weil der Potsdamer Bodo Killat Heiligabend nicht allein sein will, lädt er fremde Menschen ein, mit ihm den Abend zu verbringen. Er ist Gastgeber bei der Aktion "Wir weihnachten".

Potsdam - Zwei Adventskalender hängen in seiner Wohnung. Und das, obwohl Bodo Killat für Süßes wie Schokolade nicht zu haben ist. Aber die Kalender waren Geschenke, und außerdem, sagt der 60-Jährige von sich, ist er „bekennender Weihnachtsfreund“. Die Wohnung ist dekoriert, Kerzen und eine Vase mit Tannengrün stehen auf dem Tisch, auf dem Fensterbrett liegen kleine Geschenke in Weihnachtspapier. Keine echten, das letzte Mal, dass er etwas auswickelte am Heiligabend, das ist lange her. Zuletzt hat er alleine gefeiert. „Das muss ich mir nicht noch mal antun.“

Vielleicht, oder besser hoffentlich, wird es dieses Jahr anders. Killat ist Gastgeber bei der landesweiten Aktion „Wir weihnachten“, die der rbb gemeinsam mit dem Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de dieses Jahr ins Leben rief. Über eine extra Internetplattform sollen in Brandenburg und Berlin Menschen, die nicht alleine feiern wollen, zusammenfinden. Man kann sich als Gastgeber anbieten und registrieren lassen oder sich selbst bei jemandem als Gast anmelden.

Als Termin kommt nicht nur der 24. in Frage und die Angeboten sind bereits vielfältig. Der eine bietet Raclette am Heiligabend, der nächste Kaffeetrinken am ersten Feiertag, ein anderer ein Pre-Christmasdinner am Adventssonntag. Man kann sich zum Weihnachtsmarktbummel oder Singen verabreden. Auch Verbände, Kirchen und Institutionen, darunter der rbb, laden zu öffentlichen Veranstaltungen, Kino, Tanz, Chor und Kultur. „Etwa 2,5 Millionen Deutsche verbringen den 24. Dezember laut Gesellschaft für Konsumforschung allein“, heißt es auf der Webseite der Aktion. „Machen Sie mit – als Gastgeber*in oder Gast – und machen Sie anderen das wohl schönste Geschenk: Zusammensein.“

Acht Menschen passen in die Wohnung

Killat hörte davon im Radio und schaute sich gleich die Internetseite an. „Ich finde die Idee wirklich gut“, sagt er. „Eigentlich wäre ich gerne am 24. zu jemandem hingegangen – aber in Potsdam gab es zu der Zeit noch kein Angebot. Da hab ich gedacht, lade ich eben selber ein.“ Bis acht Leute würde er empfangen. „Passt schon“, sagt er, auch wenn es nur eine kleine Wohnung ist. Neubau, drei Zimmerchen, Küche mit Durchreiche. Und der Baum muss auch noch irgendwo hin. Baum muss sein, er werde ihn kaufen und aufstellen. Schmücken würde er gerne gemeinsam mit den Besuchern. Zwei haben sich schon angemeldet, ein Mann, eine Frau. Mehr weiß er nicht von ihnen. Es stört ihn aber nicht. „Das ist natürlich auch irgendwie aufregend, aber es wird schon gut gehen, mit etwas gutem Willen. Ansonsten Augen zu und durch.“

Das klingt nach Galgenhumor, den brauchte er in letzter Zeit. Alles kam auf einmal. Nach 20 Jahren als Autoverkäufer, was ihm viel Spaß gemacht hatte, musste er in den Vorruhestand. Die Finger sind vom Rheuma kaputt. Arbeiten geht nicht mehr, Gitarre spielen auch nicht mehr. Dann kam die Scheidung von seiner Frau, erst im März zog er in die neue Nachbarschaft nach Babelsberg-Süd. Die erwachsenen Töchter leben in Berlin. Killats Mutter lebt in Potsdam, sie wird am 24. für ein Stündchen herkommen, am 25. gehen sie essen und am 26. wird der Sohn sie beide bekochen. „Ich kann gut kochen“, sagt Bodo Killat. Aber Weihnachten nur mit Mama – das ist eben auch kein rechter Ersatz für eine Großfamilie.

Sich einfach kennenlernen

„Du bist ja verrückt“, habe die Mama gesagt, als er ihr von seinen Plänen für Heiligabend erzählte. Er lächelt. Das Weihnachten der Kindheit war immer schön. Viel Trubel, alle Verwandten mit den Kindern kamen. „Es war einfach dieses gute Weihnachtsgefühl. Heute setze ich mich stattdessen vor den Fernseher und lass mich berieseln.“

Oder eben lieber nicht. Er hofft, dass sich noch ein paar anmelden, je größer die Truppe, desto entspannter wird es wohl werden. Er hat in sein Profil geschrieben, dass er Würstchen besorgt und Stolle zum Kaffee beim Baumschmücken am Nachmittag. Was die Gäste noch so essen wollen, müssen sie selbst mitbringen. Ein bisschen Engagement erwartet er durchaus. Danach könnte man Musik hören, singen, was zusammen spielen, Malefiz oder Die Siedler von Catan. Oder einfach quatschen. Sich kennenlernen. Er selbst liest viel, alles querbeet, und geht Tauchen, er fährt gern Rad. Im Esszimmer stehen und hängen viele Grünpflanzen, „mein grüner Salon“, sagt Killat, dazwischen eingerahmte Familienfotos. Im Grunde ist er der gesellige Typ, aber was soll man machen, wenn man keine Arbeitskollegen mehr hat und die Familie geschrumpft ist?

In Berlin ist mehr los

Wie ihm gehe es bestimmt so einigen Menschen, vermutet er und zeigt vom Fenster auf das Flachdach der ersten Etage. Auf die Delle in der Dachpappe, wo mal einer aufgeschlagen ist. Aus der 14 Etage. Ein schlimmer Gedanke. Es sei schade, dass sich bisher erst wenige Potsdamer bei der Weihnachtsaktion registriert haben. In Berlin ist mehr los. Im Ausland häufig auch. „Ich habe Heiligabend einmal in Österreich gefeiert, mit 30 Leuten in einer Gaststätte, wir haben gesungen, das war toll. Aber die Deutschen lieben eben ihre Tradition.“

Im Schaukasten im Flur des Hochhauses hängt jetzt Killats Einladung, ein bunter Vordruck mit dem Logo der Aktion. Vielleicht meldet sich sogar jemand aus dem Haus bei ihm. An der Wohnungstür hat er das Willkommensschild aus dem Mitmach-Set, das die Teilnehmer geschickt bekommen, angebracht. Jetzt müsse er nur noch Fensterputzen. Dann kann der Besuch kommen.

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