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Überzeugungstäter. Mit ihrem Angebot haben Bianka Miltz und Sascha Zingler einen Nerv getroffen. Immer mehr Menschen entdecken das Wandern.

© Andreas Klaer

Wandern in Potsdam: Die Waldläufer

Bianka Miltz und Sascha Zingler wollen das Wandern in Potsdam wieder etablieren. Über 1000 Kilometer Wanderwege haben sie zusammen erschlossen.

Es ist kalt im Wald. Die breiten Sandwege schlängeln sich zwischen den Bäumen hindurch. Zwei Fußpaare hört man an diesem kühlen Februarvormittag durch die Ravensberge stapfen: Bianka Miltz und Sascha Zingler bei ihrer Lieblingsbeschäftigung – dem Wandern. Die Witterung macht ihnen nichts aus: „Wir wandern bei jedem Wetter, außer bei Glatteis und Gewitter“, sagt Miltz.

Die beiden sind wahre Wander-Freaks: Jedes Wochenende wandern sie mindestens 20 Kilometer, in den letzten Jahren haben sie rund 1000 Kilometer Wanderwege rund um Potsdam erschlossen. Sowohl Miltz als auch Zingler sind zertifizierte Wanderführer sowie Natur- und Landschaftsführer und bieten seit Anfang des Jahres auf ihrer Webseite „Wanderkonzepte“ verschiedenste Wanderungen durch Potsdam und Umgebung an: Familienwanderungen, Schulwanderungen, Langstreckenwanderungen, Firmenwanderungen, Nachtwanderungen – auf Wunsch auch mit Kompass und Karte.

Privat bieten sie seit 2016 kostenlose Monatswanderungen an, der sich jeder anschließen kann. Bis zu 30 Personen nehmen daran teil, auch und gerade jetzt im Winter. „Im Sommer haben die Leute andere Dinge zu tun, zum Beispiel mit der Familie an den See fahren“, sagt Zingler, der einen Pullover mit der Aufschrift „Zum Wandern geboren, zum Arbeiten gezwungen“ trägt. „Aber jetzt wollen viele gerne rausgehen, anstatt drinnen zu sitzen.“

Es seien häufig jüngere Menschen um die 30, die zu den Wanderungen kommen und dafür zum Teil weite Anfahrten auf sich nehmen: „Wir haben viele Berliner, die nach so einem Angebot in der Umgebung suchen. Es sind auch oft Studenten dabei, die zum Teil selber aus Wandergegenden stammen“, sagt Miltz. „Die Leute freuen sich aufeinander, es sind schon Freundschaften dadurch entstanden.“ Mit ihrem Angebot scheinen sie einen Nerv zu treffen: Für viele ist Wandern immer noch ein Seniorensport, doch Zingler beobachtet seit einigen Jahren, dass immer mehr Menschen unter 40 das Wandern für sich entdecken: „Besonders, wenn es um sportliche Strecken geht“, so der 43-jährige Unternehmensberater.Den Wanderboom mitbefeuert hat vor allem das „Erlebnis-Wandern“: 2009 fanden zum ersten Mal die „24 Stunden von Bayern“ statt, bei dem bis zu 500 Teilnehmer einen vollen Tag auf Schusters Rappen unterwegs sind. Durch den Erfolg des Formats seien mittlerweile auch viele Tourismusverbände auf den Zug aufgesprungen, die nun ähnliche Events anbieten, sagt Zingler, der selbst durch die „24 Stunden von Bayern“ zum leidenschaftlichen Wanderer wurde.

„2012 hatte mir ein Geschäftspartner das gezeigt und ich habe mich etwas weit aus dem Fenster gelehnt und gesagt: Das schaff ich!“ Nach der Anmeldung gab es kein Zurück mehr: Zingler trainierte und lief mit schwer bepacktem Rucksack stundenlang durch den Park Babelsberg. Als der große Tag kam, legte er innerhalb von 24 Stunden 76 Kilometer zurück – und war vom Wandervirus infiziert.

Bianka Miltz wandert seit frühester Kindheit: „Zu meiner Zeit waren die Wandertage in der Schule tatsächlich genau das – man wanderte und das ging den ganzen Tag“, sagt die 54-jährige Diplom-Ingenieurin. Geboren wurde sie im Erzgebirge, später zog sie nach Mecklenburg-Vorpommern: „Dort kam man um das Zu-Fuß-Laufen nicht herum“, scherzt sie. Vor 19 Jahren kam sie nach Potsdam, 2013 lernte sie Zingler kennen – seitdem wandern sie gemeinsam.

Die Ravensberge sind dabei ihr bevorzugtes Gebiet, da sie ganz in der Nähe wohnen. Heute ist nicht viel los: Zingler und Miltz sind fast die einzigen, die an diesem Vormittag durch den Wald laufen. „Wir gehen jetzt links den kleinen Weg rauf, da wo im Sommer die Hexenkreise aus Pilzen stehen“, sagt Zingler, nachdem er sich kurz orientiert hat und läuft los.

Bei ihren Wanderungen haben sie schon allerlei im Wald gefunden, darunter mehr als 20 Schuhpaare und Unmengen an Pfandflaschen, erzählt Zingler. Das brachte sie auf eine Idee: 2014 starteten sie die Aktion „Mit Pfand durchs Land“, eine zweiwöchige Langstreckenwanderung von Züssow bis Zittau, bei der sich Zingler und Miltz nur mit dem Pfandgeld versorgten, das sie über ein Jahr lang in den Wäldern rund um Potsdam zusammengesammelt hatten – rund 40 Euro. Das reichte für 530 Kilometer: „Wir haben uns nur von diesem Geld ernährt und von Obst und Pilzen“", sagt Miltz. „Zum Glück war es ein pilzreiches Jahr.“ Miltz hat ein Buch über die Wanderung geschrieben, im März soll es auch eine Lesung in Potsdam geben.

Eine andere Aktion führten Zingler und Miltz 2013 im Rahmen des Wander-Events „Horizontale rund um Jena“ durch: Für jeden gewanderten Kilometer sammelten sie Spenden für das Kinderhospiz „Sternenbrücke“ in Hamburg. Am Ende schafften die beiden 92 Kilometer in 26 Stunden und konnten dem Hospiz insgesamt 1000 Euro übergeben.

Künftig wollen Miltz und Zingler das Wandern in Potsdam noch stärker etablieren und besonders Schulwanderungen fördern. Die Natur sei ein großartiger Ort zum Lernen, sagt Zingler, es gebe so viel zu entdecken, zum Beispiel alte Landvermessungspunkte wie den Mirenturm in den Ravensbergen oder die preußischen Schießstände im Katharinenholz. „Man wird nicht dümmer beim Wandern!“, findet Zingler. Wer selbst Lust bekommen hat: Die nächste Monatswanderung findet am 5. März statt.

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