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Von Werner Kurzlechner: Durchstarten ohne Angst vor Noten

Eleonora und Azad büffeln auf ihren Abschluss hin – an der ersten Gemeinschaftsschule in Moabit

Gemeinsam versuchen Eleonora, Azad und ihre Mitschüler seit gestern, möglichste hohe Sprossen der Bildungsleiter zu erklimmen. „Jeder darf in seinem eigenen Tempo gehen“, begrüßte Lehrer Manfred Krüger seine neue Klasse 7.1 an der Moses-Mendelssohn-Schule. „Aber einen Lift gibt es nicht.“ Damit will Krüger seinen Schülern vermitteln, dass sich jeder für einen guten Schulabschluss anstrengen muss – auch wenn hier keiner mehr sitzen bleiben kann. Die Siebtklässler sind der erste Jahrgang von Gemeinschaftsschülern in Moabit. Für sie bedeutet die Teilnahme am berlinweiten Pilotprojekt, dass alle versetzt werden – egal, welche Noten im Zeugnis stehen.

Eleonora will ganz groß Karriere machen. „Ich möchte am liebsten Topmodel werden“, sagt sie. Trotzdem will sie ihre Schulzeit auf alle Fälle mit dem Abitur beenden. Azad ist da bescheidener und erträumt sich nicht mehr als einen Realschulabschluss und einen Job als Automechaniker. Wie die meisten ihrer Mitschüler kommen die beiden aus Familien mit Migrationshintergrund. Sie haben diese Schule gewählt, weil Geschwister, Cousins und Freunde ihnen und ihren Eltern vom tollen Schulklima vorgeschwärmt haben. Dass die Mendelssohn-Schule in einem der elf neuen und in der Öffentlichkeit umstrittenen Gemeinschaftschulprojekte aufgeht, spielt für sie und die anderen vorerst noch eine eher untergeordnete Rolle.

„Ich habe gehört, dass es hier nicht so brutal zugeht wie anderswo“, sagt Neusiebtklässler Ismael. „Es soll hier keine Kloppereien geben“, bestätigt sein Mitschüler Marcel. Außerdem habe man ihm gesagt, dass die Lehrer Schüler mit Lernproblemen gut unterstützten. Vor allem der seit Jahren erarbeitete Ruf der Schule in der Integration und in der Gewaltprävention hat sich eingeprägt. „40 Prozent unserer Schüler schaffen die mittlere Reife oder sogar das Abitur“, sagt Schulleiter Hartmut Blees.

Die Aufbruchstimmung ins Zeitalter der Gemeinschaftsschule ist am ersten Tag vor allem in den Festreden zur Einschulung in der Aula zu spüren. „Heute geben wir den Startschuss zu einer wirklich neuen Schule“, sagt Siegfried Arnz, der das Projekt Gemeinschaftsschule in der Senatsbildungsverwaltung leitet. Und an die Siebtklässler gerichtet: „Ihr habt jetzt eine besonders gute Chance auf einen Abschluss.“

Die Schule nimmt sich bewusst Zeit, ihr Potenzial weiter zu verbessern. In die neue Ära geht sie gemeinsam mit der James-Krüss-Grundschule. Lehrer der einen unterrichten ab sofort auch an der anderen Schule, um einen möglichst sanften Übergang zu ermöglichen. Einen festen Partner für die Oberstufe sucht die Schule in aller Gelassenheit. „Bis ihr in der zehnten Klasse seid, haben wir das auf alle Fälle geklärt“, erklärte Schulleiter Blees gestern den Neuankömmlingen. Für die zählte auch, dass sie keine Angst mehr vorm Sitzenbleiben haben müssen. „Hatte ich sowieso nicht wirklich“, meint Azad.

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