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Das berühmteste Werk Mendelsohns ist der Potsdamer Einstein-Turm.

© ddp

Von Torsten Hilscher: Moderner als Bauhaus

Zu Ehren des Architekten Erich Mendelsohn wird in Steinstücken eine Stiftung ins Leben gerufen

Auch angesichts des Gerichtsvollziehers vergeht Heinz Rühmann das Lausbubenlächeln nicht. Gleich zu Beginn des Films „Die Drei von der Tankstelle“ aus dem Jahr 1930 werden er und seine Freunde samt Möbeln aus ihrer Designervilla geworfen. Der Drehort war clever gewählt, denn das Haus lag nur Minuten von den Babelsberger Studios entfernt. Am 6. September soll nun in dieser Villa in Berlin-Steinstücken der Architekt Erich Mendelsohn (1887-1953) mit der Gründung einer Stiftung geehrt werden. Initiator ist der Berliner Architekt Helge Pitz.

„Die Stiftung wird ein Zuhause für Architekten der klassischen Moderne. Bislang gibt es zur Würdigung diese Erbes nur die Bauhaus-Stiftung. Aber Künstler wie Mendelsohn, Scharoun, Häring oder die Taut-Brüder waren gar keine Bauhäusler“, betont Pitz. Die neue Stiftung sehe ihre Aufgabe auch darin, das Vermächtnis deutsch-jüdischer Architekten der damaligen Zeit zu wahren.

Pitz kennt sich aus mit Mendelsohn-Bauten. Zwischen 1997 und 1999 sanierte er den Einsteinturm in Potsdam. Der jüdische Architekt Mendelsohn habe eine sehr elegante Architektur mit fließenden Formen entworfen. Erstmals zu sehen war das ab 1921 mit dem Astrophysikalischen Institut hoch über Potsdam. Der expressionistische Einsteinturm verschaffte Mendelsohn Weltruhm. Bereits vier Jahre später durfte er in Leningrad (heute St. Petersburg) die Trikotagenfabrik bauen. Kaufhaus-Mogule rissen sich um ihn. Allen voran Salman Schocken, für den Mendelsohn erst in Nürnberg, dann in Chemnitz und Stuttgart futuristische Komplexe entwarf. In Breslau entstand das noch heute existierende Kaufhaus für Rudolf Petersdorff.

Das Stuttgarter Schocken-Kaufhaus wurde 1960 abgerissen. „Ein Jammer“, sagt Pitz. Anders in Chemnitz. Das ehemalige Karl-Marx-Stadt rettete sein Kaufhaus über die Zeiten; inzwischen wurde mit der Sanierung begonnen. Das Denkmal wird zum „Haus für Archäologie“ umgebaut. Eröffnung soll Mitte 2012 sein.

Die nach der Emigration Schockens im damaligen Palästina von Mendelsohn errichteten Privatbauten gibt es ebenfalls noch. Parallel entstanden Krankenhäuser in Haifa und Jerusalem. Für den Wissenschaftler und späteren ersten Staatspräsidenten Israels, Ezer Weizmann, errichtete Mendelsohn auf dem Campus von Rehovot von 1934 bis 1936 eine repräsentative Villa. In Palästina bleiben wollte Mendelsohn allerdings nicht.

Dabei setzte sich der bekennende Jude ein Leben lang bewusst mit seiner Identität auseinander. Er entwarf mehrere Synagogen, sein allererster Bau war ein Bet Tahara, ein „Haus der Reinigung“. Es entstand zwischen 1911 und 1913 in seinem Geburtsort Allenstein im heutigen Polen. Nach Recherchen der „Jüdischen Allgemeinen Zeitung“ wird es von der Kulturgemeinschaft Borussia seit 2005 saniert und bereits jetzt als Mendelsohn-Salon genutzt.

1933 schrieb der Architekt an seine Frau in Berlin von der „süßen Schwere, die uns als Juden geboren werden ließ“. Illusionslos hieß es weiter: „Wir dürfen uns durch die scheinbare Ruhe nicht täuschen lassen. Man kann dem Fanatismus nicht mit Gleichgültigkeit begegnen, der auserwählten Idee nicht mit Zuvorkommenheit, dem Rassenhass nicht mit Verachtung.“ Ein Jahr später zog die Berliner Gestapo in sein 1932 eröffnetes Columbus-Hochhaus am Potsdamer Platz, in den Kellern wurde gefoltert. Da hatte Mendelsohn schon wieder Spektakuläres gebaut, diesmal in England: In der Grafschaft Essex entstand 1934 das De La-Warr-Kurhaus.

Auch das Happy End der Filmoperette „Die Drei von der Tankstelle“ findet in einem Mendelsohn-Bau statt: Rühmann & Co. sind Direktoren der KuTAG, der Kuckuck-Tank-AG, einem schneeweißen Bürogebäude aus Glas, Stahl und Beton. Gedreht wurden die Szenen 1930 am Haus des Metallarbeiter-Verbandes in Berlin-Kreuzberg. Diese Ikone der Moderne wurde nicht nur durch seine Form, sondern durch die Wendeltreppe mit einer meterlangen Lampe bekannt. Heute ist das Berliner Haus Sitz der IG Metall. Die 1927 von Mendelsohn in Berlin-Steinstücken errichtete Villa – künftig Sitz der Mendelsohn-Stiftung – hat Architekt Pitz in seinem Eigentum.

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