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Von Benjamin Lassiwe: „Ein eindrucksvoller Zeuge Jesu Christi“

Altbischof Albrecht Schönherr, Wegbereiter der „Kirche im Sozialismus“ verstarb gestern in Potsdam

Er war einer der letzten lebenden Schüler Dietrich Bonhoeffers und prägte die Kirche in der DDR: Der frühere Berlin-Brandenburgische Bischof und Vorsitzende des evangelischen Kirchenbundes in der DDR, Albrecht Schönherr, ist am Montag im Alter von 97 Jahren in Potsdam verstorben.

Bischof wurde Schönherr 1967 eher gezwungenermaßen: Die DDR verweigerte dem damaligen, in West-Berlin lebenden Bischof Kurt Scharf die Einreise. Schönherr wurde zum Bischof der „Ostregion“ der Landeskirche gewählt. Und auch die übrigen Jahre seiner bis 1981 dauernden Amtszeit waren von Diskussionen über das Verhältnis zwischen Kirche und SED geprägt: Mit seinem Konzept einer „Kirche im Sozialismus“ trat Schönherr für einen moderaten Kurs der Kirche gegenüber dem DDR-Regime ein. Erklärtes Ziel waren mehr Freiheiten und bessere Arbeitsmöglichkeiten für die Geistlichen zwischen Rügen und dem Erzgebirge.

Am 6. März 1978 kam es deswegen zum ersten Gespräch ostdeutscher Kirchenleiter mit dem damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Es brachte der Kirche eine gewisse Anerkennung ein, die dazu führte, dass sich unter ihrem Dach auch oppositionelle Gruppen treffen konnten. Doch in den eigenen Reihen wie im Westen kritisierte man den Bischof für eine viel zu große Anpassung an den atheistischen Staat. Schönherr selbst hat das nicht gewollt: Auf „Kirche im Sozialismus“ angesprochen, betonte er Zeit seines Lebens, dass man etwa die Ideologie der SED damit nicht übernehmen wollte. Nach der Wende allerdings räumte er selbstkritisch ein, etwa die Zustände in den DDR-Gefängnissen zu wenig kritisiert zu haben.

Theologisch geprägt wurde Schönherr von der Bekennenden Kirche, die in der Zeit des Nationalsozialismus gegen die Vereinnahmung der Kirchen durch die Hitler-treuen Deutschen Christen protestierte. An einem illegalen Predigerseminar in Finkenwalde (bei Stettin) studierte er bei Dietrich Bonhoeffer, der später wegen seiner Kontakte zum Widerstand des 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. „Für uns war Bonhoeffer damals wie ein Bruder“, sollte sich Schönherr noch Jahrzehnte später in einem Interview erinnern. Von seinem großen Vorbild übernahm Schönherr vor allem das Konzept einer Kirche, die ihren Glauben ernst nimmt, sich für andere Menschen einsetzt, und auch Konflikte mit dem Staat nicht scheut.

Nach der Wende setzte sich Schönherr für den unter Stasi-Verdacht geratenen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe ein: Der ehemalige Kirchenbeamte Stolpe habe nicht ohne Wissen der Kirche mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet und eine Verdienstmedaille von der Staatssicherheit angenommen, erklärte Schönherr 1992.

Am Montag würdigte Stolpe Schönherr gegenüber den PNN als einen Bischof, dem es gelang, „den Respekt der Staatsführung zu erreichen, Freiräume der Kirche zu schaffen und bedrängten Menschen zu helfen.“ Schönherr habe „über lange Jahre das Handeln der evangelischen Kirche in der DDR geprägt. Er trat dafür ein, dass Christen im atheistischen Staat sich nicht ängstlich hinter Kirchenmauern zurückziehen, sondern im Vertrauen auf Gottes Zusage zur Zukunft der Kirche für eine menschenfreundliche und gerechte Gesellschaft eintreten“, sagte Stolpe. Und der ehemalige Ministerpräsident erinnerte an das Engagement Schönherrs für den Brandenburger Dom, wo der Theologe in den 50er Jahren Pfarrer und Leiter des Predigerseminars, einer Ausbildungsstätte für angehende Pfarrer, war.

Der EKD-Ratsvorsitzende und Nachfolger Schönherrs als Landesbischof, Wolfgang Huber, würdigte Schönherr als „eindrucksvollen Zeugen Jesu Christi“, der bis zuletzt das Erbe Dietrich Bonhoeffers in der Kirche wachgehalten habe. Schönherr habe „durch seine Treue zum Evangelium dazu beigetragen, dass die Wiedervereinigung in Freiheit friedlich gelungen ist.“

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