zum Hauptinhalt

Volkspark in Potsdam: Kernkompetenz Kind

Tausende Besucher kamen am Sonntag zum Kinderflohmarkt am Café im Volkspark. Es könnte der letzte gewesen sein.

Potsdam - Oktober ist nicht der perfekte Monat, um nackt im Volkspark zu liegen. Am gestrigen Sonntag frieren hier nur Dutzende Barbiepuppen, die – mit oder ohne Klamotten – auf dem Flohmarkt auf neue Puppenmütter hoffen. Die Chancen stehen gut, der letzte Markt der Saison am Café im Park ist knackevoll, alle 80 Stände sind belegt. Außer Spielzeug sind Kindersachen aller Art und Größe zu bekommen, Matschhosen hängen neben Tutus und Wintermänteln, dazwischen stehen komplette Kinderzimmerausrüstungen, Kinderautositze, Laufräder, alles, was man für ein ganzes Kinderleben so brauchen könnte. Kein Wunder, Bornstedt ist das Wohngebiet mit dem wohl größten Zuzug und Kinderanteil. „Familien und vor allem Kinder sind meine Kernkompetenz“, sagt Café-Inhaber Lutz Lehmann.

Dass der Flohmarkt was taugt, hat sich längst rumgesprochen. Bestimmt 3000 Besucher kommen jedes Mal, vermutet er. Sie kommen aus dem ganzen Stadtgebiet, aus Berlin, aus Mittelmark und dem Havelland. Möglicherweise ist es aber nicht nur der letzte Markt vor der Winterpause, sondern der letzte überhaupt. Denn Lehmann, Gastronom und Organisator vieler Veranstaltungen rund um das Café, darunter des Flohmarktes, hat seinen Pachtvertrag mit dem Entwicklungsträger wie berichtet bereits im April dieses Jahres gekündigt und wird das Café zum Jahresende schließen.

Wie geht es mit dem Café weiter?

Das Café ist neu ausgeschrieben, aber wie genau es weitergeht, ist offen. Lehmann selbst hätte auch gern weitergemacht und den Vertrag verlängert. Aber nur unter anderen Bedingungen. Im Sommer brummt das Geschäft, im Winter hingegen ist es schwierig. Trotz Lagerfeuernachmittagen und Eisangeln. „Hier hängt alles total vom Wetter ab“, sagt er. Lehmann wünschte sich also ein paar bauliche Veränderungen, um im Sommer mehr Gewinn einfahren zu können, damit es auch für den weniger lukrativen Winter reicht. Konkret wollte er den Tresen im Café vergrößern, verlängern, damit die Gäste schneller bedient werden können. Und er wollte eine Wasserleitung zu der kleinen Hütte, in der er jetzt Crêpes backen lässt, gelegt bekommen, um dort eine Saftbar einzurichten. 20 Meter vom Haus entfernt. „Die haben die Hütte zur Buga gebaut – ohne Wasseranschluss“, sagt Lehmann und schüttelt den Kopf. Er hätte den Graben für die Leitung sogar selber gebuddelt, aber das war nicht gewünscht. Und die 15 000 Euro für die Umbauten im Haus seien nicht da gewesen. Lehmann ärgert das. Er hatte auf mehr Kooperation mit dem Volkspark gehofft. Denn im Grunde sei das Café sein Baby. „Ich bin ein bisschen wehmütig heute, klar“, sagt er am Sonntag. „Ich kennen hier alle mit Namen.“

Vor fast zehn Jahren übernahm er das Café, das zur Bundesgartenschau 2001 eine Milchbar gewesen war. Wie Volkspark und Biosphäre stand auch Lehmann als Café-Pächter vor der Herausforderung, ein alltagstaugliches Nutzungskonzept zu entwickeln. „Kernkompetenz Kind“, sagt Lehmann dann gern, wenn er erklärt, wie er sich das dachte. Im Sommer funktionierte das auch prächtig, der Wasserspielplatz ist einer der beliebtesten Spielplätze der Stadt und im Café kostet der Cappuccino nur 2,50 Euro. Er hatte viele Ideen, Osterfeuer zum Beispiel. Feuer, das geht immer. Aber vom Umsatz, den er bei Großveranstaltungen im Park macht, etwa, wenn er sich mit einer Wurstbude danebenstellt, bekommt der Entwicklungsträger als Parkbetreiber einen Teil. Auch dass er seine Toiletten Parkbesuchern kostenlos zur Verfügung stellen muss, findet er ungerecht. Er hat ausgerechnet, dass ihn das im Monat 350 Euro kostet. Zuletzt gab es auch noch Beschwerden wegen Lärmbelästigung. Ein Anwohner sammelte 22 Unterschriften und wandte sich an die Stadt. Das findet Lehmann lächerlich. Zwei Frauen, Mütter, die am Straßenrand vor ihrem Haus einen alternativen Stand aufgebaut haben, weil die Plätze vergeben waren, sehen das genauso: „Kinderlärm ist doch keiner, oder?“, sagt eine. Denn natürlich hört man mal Kinderlachen oder -weinen, und am Sonntag auch die eine oder andere Sirene eines Spielzeugautos, das auf dem Flohmarkt getestet wird. Das Café ist im Sommer bis 22 Uhr geöffnet, dann sitzen auch draußen stets Gäste. Und ein paar Jugendliche – die Generation der ersten groß werdenden Kinder der Nachbarschaft – haben den Ort für sich entdeckt, hängen abends am Bassin rum. Bevor der Park um 23 Uhr schließt. „Ist doch kein Verbrechen“, sagt Lehmann.

Nutzungskonzept für das Café soll überarbeitet werden

Der Entwicklungsträger muss nun einen neuen Betreiber finden. Es gebe viele Interessenten, aber noch kein Ergebnis, hieß es auf PNN-Anfrage. Bereits im September hatte der Hauptausschuss beschlossen, dass das Nutzungskonzept des Cafés überarbeitet und ausgeweitet werden soll – selbstverständlich im Einklang mit den geltenden Lärmschutzvorschriften. Auch für den Flohmarkt solle eine neue Lösung gefunden werden, hatte bereits im September eine Sprecherin des Entwicklungsträgers erklärt.

Lehmann wird jedenfalls nicht weitermachen. Er hat bereits vor einem Jahr sein neues Café Alter Bahnhof Golm eröffnet und will dort ab Frühjahr 2016 einen Flohmarkt anbieten, den „Bahnhofströdel“. Kein Problem, sagt ein Familienvater aus der Waldstadt. Er würde auch nach Golm fahren. „Da fährt doch ein Bus hin“, sagt er. Andere Teilnehmer sind weniger begeistert. Ein Vater, der gerade Kisten zu seinem Stand trägt, findet Golm als Alternative problematisch: „Lieber fünf Minuten zu Fuß statt eine halbe Stunde fahren“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false