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Landeshauptstadt: Vogel-Präparate und sozialistische Kunst

Hinter der alten Waldschule in Groß Glienicke verbirgt sich ein zentraler Archiv-Standort Potsdams

Groß Glienicke - Der Name „Waldsiedlung“ ist nur allzu treffend: Das von Kiefern umstandene ehemalige Kasernengelände in Groß Glienicke liegt sehr abgelegen. Der denkmalgeschützte Klinkerbau der ehemaligen Waldschule wirkt verlassen, doch hinter den eintönigen Backsteinmauern steckt mehr, als man denkt: Hier befindet sich einer der größten Archiv- und Depot-Standorte Potsdams, denn zwei Drittel des zweistöckigen Gebäudes werden vom Potsdam Museum, der Stadt- und Landesbibliothek (SLB), dem Potsdamer Naturkundemuseum sowie der Stadtverwaltung als Lager genutzt. Die PNN erhielt einen Einblick in die sonst nicht zugänglichen Räume.

Über dem Eingang nahe der Geländeeinfahrt prangt noch der Schriftzug „Café Soldatenfreundschaft“ – ein Hinweis auf die Vergangenheit des Kasernenbaus. In den Räumen längs der Korridore stehen heute jedoch keine Betten mehr, sondern unzählige Regale: Im ersten Gebäudeabschnitt sind sie noch völlig leer, denn hier wird erst im Laufe des Jahres ein Teil des Stadtarchivs übergangsweise gelagert.

„Wir hatten einfach keinen Platz mehr dafür im Rathaus“, erklärt Silke Hoppe, vom Kommunalen Immobilien Service (KIS), der die ehemalige Waldschule verwaltet. Es werde sich ausschließlich um Akten für die Mitarbeiter der Verwaltung handeln, so Hoppe, das öffentliche Stadtarchiv bleibe weiterhin auf dem Gelände der Stadtverwaltung. Für die Lagerung mussten ab 2013 der Brandschutz sowie die Sicherheitsanlagen in der Waldschule verstärkt werden, für dieses Jahr ist noch der Bau eines Lastenaufzuges geplant, so Stadtsprecher Markus Klier.

Circa 8000 Quadratmeter stehen in dem Haus für Archiv- und Depotzwecke zur Verfügung, weitere 3700 Quadratmeter werden von rund 50 Künstlern genutzt, darunter auch von der Ateliergemeinschaft „Neue Panzerhalle“.

Wer durch die langen Flure des Hauses geht, merkt schnell, dass er durch eine ehemalige Soldatenunterkunft läuft: In den Dreißigerjahren war das Kasernengelände entstanden, nach dem Krieg wurde es von sowjetischen Streitkräften genutzt. 1951 zog die DDR-Grenzpolizei in die Gebäude ein, später dienten sie dem Grenzregiment „Hanno Günther“ als Standort. Nach der Wende wurde das Haus fünf zur Waldschule umgewandelt, die 2007 geschlossen wurde. 2008 nutzte dann als Erstes das Naturkundemuseum Potsdam das Haus für die Lagerung von Präparaten, Vitrinen, Stellwänden, Wanderausstellungen oder Transportkisten, die im Museum selbst keinen Platz fanden. „Sammlungen werden hier aber nicht aufbewahrt“, so Werner Gottschalk. Der Sammlungskonservator schließt einen der 15 Räume auf, die das Museum nutzt: Dahinter sind zunächst nur fest verschlossene Holzkisten zu sehen, auf einer davon hockt ein ausgestopftes Krokodil mit beschädigtem Kopf, aus dem Holzwolle quillt. Gottschalk entfernt einen der Verschläge, hinter dem ein Schaukasten mit Vogel-Präparaten zum Vorschein kommt. Zwischen den Vögeln hängt ein grüner Mottenstreifen. „Die werden halbjährlich ausgewechselt“, sagt Gottschalk. Auch die eingelagerten Präparate werden regelmäßig auf Befall durch Schädlinge überprüft.

Was die Waldschule für Lagerungszwecke so günstig macht, ist nicht nur die solide Bauweise, sondern auch der Umstand, dass die Räume der Stadt Potsdam gehören und die Mieten daher sehr günstig sind. Diesen Umstand machte sich auch die SLB zunutze, die im Herbst 2010 einen Teil ihres Bestandes wegen der Sanierung der Bibliothek hier zwischenlagerte, seit Herbst 2013 wird die Waldschule auch als dauerhaftes Außenmagazin genutzt. „Wir bewahren hier fast ausschließlich mehr als 5000 Zeitungsbände auf“, sagt SLB-Sprecherin Sybille Weber.

Seit 2010 ist auch das Potsdam Museum Mieter in der Waldschule: Nach acht Jahren der Provisorien habe man hier endlich die Möglichkeit gefunden, die rund 5000 Gemälde, Grafiken und Skulpturen umfassende Sammlung „Galerie sozialistische Kunst“ fachgerecht unterzubringen, sagt Hannes Wittenberg, Vize-Direktor des Museums. „Auch einige Teile anderer Sammlungen aus ebenfalls provisorischen Depotstandorten, wie etwa einer Villa in der Puschkinallee, konnten in Groß Glienicke erstmalig in einer den Objekten entsprechenden Raumsituation untergebracht werden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Exponate, die nach 1945 datiert sind.“ Ein wertvolles Depot also, daher wird es streng bewacht.

Angesichts der umfangreichen Nutzung der alten Waldschule müssten sich viele Mieter nach neuen Räumlichkeiten umsehen, wenn man das Haus wieder als Schule nutzen würde – dies hatte kürzlich der Grünen-Politiker Andreas Menzel beantragt. „Seitens der Verwaltung wurde die Nutzung als Schule bisher nicht präferiert“, sagte Klier dazu. „Im Rahmen der Schulentwicklungsplanung stellte dieser Standort aufgrund seiner Lage und Erreichbarkeit keine Option dar.“ Jedoch ist nicht gesagt, dass die Waldschule auf immer ein Depot bleibt, denn laut Klier sei das Gebäude nur bedingt als dauerhaftes Archiv geeignet: „Dafür wären unter anderem eine Klimatisierung und weitere technische Anlagen notwendig, die jedoch in einem derartigen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäude schwerlich zu installieren sind.“ Langfristig sei eine alternative Immobilie zu nutzen.

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