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Landeshauptstadt: Verzweifelte Fluchten

Mendelssohn-Zentrum und Lepsiushaus richten Tagung über Minderheiten im Nahen Osten aus

Vor einem Exodus religiöser Minderheiten aus dem Nahen Osten hat der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien (MMZ), Julius H. Schoeps, gewarnt. Zur Eröffnung der Konferenz „Wohin treibt der Nahe Osten?“ sagte Schoeps: „In manchen Ländern besteht die Gefahr, dass Minderheiten, die über viele Jahrhunderte ein wichtiger Teil der Gesellschaft gewesen sind – wie etwa die Christen im Irak – vollkommen verschwinden werden.“ Die international besetzte Konferenz des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) zusammen mit dem Lepsiushaus Potsdam und dem Orient Institut Beirut findet vom 30. November bis 2. Dezember an der Europäischen Akademie Berlin-Grunewald statt.

Schoeps sagte, dass in den am schwersten von der aktuellen Konfliktlage betroffenen Ländern religiöse und ethnische Minderheiten nun am allerwenigsten geschützt sind. „Und das betrifft keineswegs nur Syrien, Ägypten und den Irak.“ Verzweifelte Fluchtbewegungen innerhalb der eigenen Landesgrenzen, aber auch ins Ausland und in Richtung Europa seien Folgen der aktuellen Entwicklung im Nahen Osten. Während moderne Zivilgesellschaften ethnische und religiöse Vielfalt häufig als Bereicherung und Chance für ein kreatives Miteinander sehen würden, scheine in vielen Ländern des Nahen Ostens derzeit das Gegenteil eingetreten zu sein: „Ethnische und kulturelle Diversität wird kaum noch als Chance begriffen, sondern eher als Störfaktor und Sicherheitsrisiko“, sagte Schoeps. Trotz der geografischen Entfernung müsse die Entwicklungen im Nahen Osten und das Schicksal der dortigen Minderheiten auch die westliche Welt in zunehmendem Maße tangieren. Nach den demokratischen Aufbrüchen des „Arabischen Frühlings“ sei in vielen Ländern nun eine tragische Wendung zu verzeichnen: Autokratische Regime wurden zwar gestürzt oder in ihre Schranken verwiesen. Doch im entstandenen Machtvakuum würden ethnozentrierte und religiös-radikalisierte Gruppen militant und undemokratisch um Partikularinteressen streiten.

Auf der Konferenz, an der unter anderem auch Wissenschaftler aus Israel, dem Libanon und Jordanien teilnehmen, will man sich eingehender mit einzelnen Minderheiten in der Region und ihrer ganz spezifischen Situation zu befassen. Die Tagung werde auch den Bogen zurückschlagen ins frühe 20. Jahrhundert und zur Neugliederung des Nahen Ostens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall des Osmanischen Reiches: „Eine Neugliederung, die offensichtlich bis heute Kopfzerbrechen bereitet“, so Schoeps. Zur öffentlichen Abschlussdiskussion werden am heutigen Dienstag (14 Uhr) Rainer Hermann (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Michael Stürmer (Die Welt) und Sylke Tempel (Internationale Politik) über „Minderheiten im Nahen Osten und in der westlichen Welt“ diskutieren. Jan Kixmüller

Heute ab 10 Uhr, Anmeldung vor Ort, Europäische Akademie Berlin, Bismarkallee 46/48, 14193 Berlin-Grunewald (www.mmz-potsdam.de)

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