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Der Angeklagte kennt das Justizzentrum Potsdam schon.

© Andreas Klaer

Urteil gegen Pogida-Müller nach Attacke auf Seniorin: Gefängnis nach „Turbo-Rückfall”

Neun Monate ohne Bewährung wegen Körperverletzung für Pogida-Müller. Der 36-jährige Potsdamer war wegen vorsätzlicher Körperverletzung angeklagt. Er soll eine 91-Jährige misshandelt und geschlagen haben.

Von Carsten Holm

Potsdam - Wegen Körperverletzung hat das Amtsgericht Potsdam am Mittwoch den 36 Jahre alten Christian Müller zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der zeitweilige Geschäftsführer einer Cocktail-Bar auf der Kanareninsel Lanzarote am frühen Morgen des 15. Novembers 2019 die 91 Jahre Erika F. in ihrer Wohnung in der Innenstadt so misshandelt hat, dass sie etliche Hämatome davontrug. Der Kernvorwurf sei zweifelsfrei erwiesen, eine Bewährungsstrafe komme allein wegen der vielen Vorstrafen des Angeklagten nicht in Betracht, sagte Richterin Kerstin Nitsche in der mündlichen Urteilsbegründung. Im Bundeszentralregister liegen 26 Einträge über Müller vor, darunter sieben wegen Körperverletzung.

Müller, der über die Stadt hinaus bekannt wurde, als er 2016 die „Abendspaziergänge” des Potsdamer Pegida-Ablegers „Pogida” organisierte, war erst am 4. November 2019 auf Bewährung aus der Haft entlassen worden.  Erst im April des Jahres hatte ihn das Amtsgericht wegen Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Er war wegen einer „guten Sozialprognose” vorzeitig freigekommen.

 Gesicht voller Hämatome

Müller fand nahe des Bassinplatzes Unterschlupf in der Drei-Raum-Wohnung von Erika F. Beide kannten sich seit vielen Jahren, die alte, nach dem Tod ihres Mannes allein lebende Frau war froh, Gesellschaft zu haben. Eine Pflegerin schlug am Morgen des 15. Novembers Alarm, als sie Erika F. wie allmorgendlich um 6.30 Uhr aufsuchte und sie mit einem dunkelrot gefärbten Gesicht vorfand. Auch Müller, der zur Tatzeit einen Atemalkoholgehalt von 2,02 Promille hatte, befand sich in der Wohnung. Die Seniorin wurde ins Ernst von Bergmann-Klinikum gebracht.

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Mit einer großen Zahl von Zeugen, Pflegern wie Polizeibeamten, hatte das Gericht versucht, die Tat aufzuklären. Knut Albrecht, Institutsdirektor des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin, bewertete die Verletzungen von Erika F. Er hielt es für wahrscheinlich, dass die Blessuren durch ein „mehraktives Geschehen” entstanden seien, sprich: dass der Täter mehr als einmal gewalttätig geworden sei.

Der Sachverhalt war kompliziert: Die Seniorin hatte angegeben, von Müller „einen Schubs” erhalten zu haben und sich Verletzungen im Gesicht zugezogen zu haben, als sie dann auf ihren Rollator gefallen sei.

Es war ein anrührender Auftritt, als sie am Mittwochmorgen in den Zeugenstand trat. Christian Müller musste den Verhandlungssaal nach einer Entscheidung von Richterin Nitsche verlassen und im Zellentrakt im Untergeschoss warten, damit sich die bemerkenswert rüstige Frau von seiner Anwesenheit nicht beeinflussen lassen würde. Entgegen früherer Aussagen berichtete sie nicht von einem oder mehreren Schlägen. Es habe einen „Schubs”, aber keine Schläge gegeben, Müller habe sie „mit der Hand berührt”.

Nach ihrer Zeugenaussage bat Erika F. darum, den Angeklagte aus der Zelle in den Gerichtssaal zu holen. Sie wollte ihn noch einmal sehen, beide winkten sich herzlich zu.

„Warum haben Sie sie nicht festgehalten und aufgefangen?“, fragte Richterin Nitsche den Angeklagten in der Urteilsbegründung. Zwischen beiden habe es „ein sehr enges Verhältnis gegeben”, die alte Dame „würde lieber sterben, als dass Sie ins Gefängnis müssen”, sagte Nitsche. Er aber habe die Seniorin, die ihn „abgöttisch liebte”, schlecht behandelt.

Staatsanwalt hatte längere Haftstrafe gefordert

Staatsanwalt Markus Nolte warf Müller vor, das Vertrauen von Erika F. „auf unglaubliche Weise missbraucht” zu haben. Er habe „einen Hang zu Verstößen gegen die Rechtsordnung”, dass die Tat gegenüber der Seniorin nur wenige Tage nach seiner Haftentlassung im November begangen habe, zeuge von einem „turbomäßigen Rückfall aus der Bewährungszeit”. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sei „Tat und Schuld angemessen”.

Müllers Verteidiger Benjamin Ruhlmann hatte auf Freispruch plädiert. „Wir wissen einfach nicht klar, was final passiert ist”, sagte er, „ich sehe nicht, dass mein Mandant einer Straftat überführt werden konnte”. Da seien „zu viele Fragezeichen”, zudem habe es keinen Vorsatz gegeben. Die Polizei „hätte objektiver ermitteln können”. Er sei freizusprechen, der Haftbefehl müsse aufgehoben werden.

Dann legten Justizbeamte  Müller wieder die Handschellen an, und es ging zurück ins Untersuchungsgefängnis nach Neuruppin.

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