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Rund 200 Menschen nutzen das Versorgungszelt auf dem Bassinplatz pro Tag. 

© Ottmar Winter

Unterbringung bleibt das Hauptproblem: Wie es den ukrainischen Geflüchteten in Potsdam geht

Rund 130 Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine leben mehr als 2900 Geflüchtete in Potsdam. Drei Viertel von ihnen sind privat untergebracht. Ihre aktuelle Lage im Überblick.

Potsdam - Fast 3000 Menschen aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn im Februar nach Potsdam geflüchtet. Wie hat sich ihre Lage innerhalb dieser knapp fünf Monate entwickelt? Was läuft gut, was weniger? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wie viele Geflüchtete sind gekommen?

Bislang haben mehr als 2900 geflüchtete Menschen aus der Ukraine in der Ausländerbehörde vorgesprochen. Aus Zahlen der Stadt geht hervor, dass sich die Ankunft auf die ersten Kriegswochen konzentriert. Mitte März meldeten sich mehr als 650 Ukrainer:innen innerhalb einer Woche bei der Ausländerbehörde. Schon im April ebbte die Zahl der Ankünfte merklich ab, seit Anfang Mai liegt die Anzahl der wöchentlichen Meldungen im einstelligen Bereich. Von den in Potsdam melderechtlich registrierten Ukrainer:innen sind mehr als die Hälfte Frauen. Rund ein Drittel sind Kinder und Jugendliche. Nur ein gutes Zehntel sind Männer.

Werden diese Personen weiterverteilt?

Innerhalb Deutschlands bestimmt der sogenannte Königsteiner Schlüssel die Aufnahmequote der Bundesländer. Innerhalb Brandenburgs bestimmt eine landesinterne Quote die Verteilung auf die Landkreise und kreisfreien Städte. Nach dem letzten Stand von Ende April lag das Jahresaufnahmesoll für das Jahr 2022 für Potsdam bei 1751 Personen. „Wir gehen davon aus, dass dieses Soll noch angehoben wird“, sagte Stadtsprecherin Juliane Güldner. Die Höhe und das weitere Verfahren seien jedoch noch nicht abschließend geklärt.

Wie viele Geflüchtete leben bei Familien?

Auch jetzt noch sind drei Viertel der ukrainischen Geflüchteten in Potsdam privat untergebracht. Die Stadt geht von rund 2200 Personen in privaten Unterkünften aus. Die Zahl sinkt nur langsam – auch wenn es das Ziel ist, die Geflüchteten in eigenen Wohnungen unterzubringen. Seit Ende Mai ist die Anzahl nicht einmal um 100 zurückgegangen. Bei der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo), die seit Mitte März die Ehrenamtsarbeit der Ukrainehilfe koordiniert, melden sich auch Aufnahmefamilien, denen es zu viel wird und die Entlastung brauchen. „Die Hilfsbereitschaft wird ausgenutzt“, wirft Awo-Chefin Angela Schweers der Stadt vor.

Awo-Chefin Angela Schweers.
Awo-Chefin Angela Schweers.

© Foto: Andreas Klaer

Wo leben die anderen Ukrainer:innen?

145 Personen leben in Gemeinschaftsunterkünften. Um die Kapazitäten zu erhöhen, werden bestehende Unterkünfte durch Container erweitert. „In der Gemeinschaftsunterkunft Zeppelinstraße wurden 48 Unterbringungsplätze geschaffen, die momentan belegt werden. In der Gemeinschaftsunterkunft An der Pirschheide wird derzeit eine Containerwohnanlage für 72 Personen errichtet“, teilte Sprecherin Güldner mit. Diese soll Anfang Oktober bezogen werden können. Weitere knapp 300 Personen wohnen in Übergangswohnungen oder Wohnverbünden. Darunter fällt der Staudenhof, in dem bis zum geplanten Abrissbeginn Mitte 2023 Geflüchtete untergebracht sind. Knapp 200 Menschen übernachten in Notunterkünften wie der Metropolishalle.

Werden noch Hotelzimmer gemietet?

Die Unterbringung in Hotels und Pensionen spielt keine wesentliche Rolle mehr. Im März hatte die Stadt mehrere hundert Personen in angemieteten Zimmern untergebracht. Mittlerweile übernachten nur noch 51 Ukrainer:innen im Hotel.

Wie ist die Wohnfrage zu bewerten?

„Die Unterbringung ist weiterhin das Hauptproblem“, sagt Angela Schweers. „Wir müssen die Menschen schneller in eine langfristige, menschenwürdige Unterkunft bringen.“ Denn, so sagen viele in dem Bereich, eine unsichere Wohnsituation bremst die weitere Integration. Der Potsdamer Wohnungsmarkt ist bekanntlich extrem angespannt. „Mit einem Leerstand von zwei Prozent können wir keine Krisen bewältigen“, sagt Schweers. Sie fordert von der Politik, dauerhafte Strukturen aufzubauen, statt diese nach jeder Krise wieder einzustampfen, weil sie nicht ausgelastet sind.

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Wo erhalten die Ukrainer:innen Hilfe?

Wichtiger Anlaufpunkt bleibt das Versorgungszelt auf dem Bassinplatz. Nach Angaben der Stadt wird das im Schnitt von 200 Personen pro Tag genutzt. Sie treffen sich dort, können Wäsche waschen und sich vom Jobcenter und der Caritas beraten lassen. Ebenfalls gut angenommen wird nach Awo-Angaben die Mitte Mai geschaffene Ausgabestelle im Hauptbahnhof. Mehr als 400 Personen seien vergangene Woche dort hingekommen, sagte Schweers den PNN. „Sachspenden, insbesondere Waschmittel und Fahrradzubehör wie Helme und Schlösser werden weiterhin dringend benötigt.“ Einen Rückgang des Engagements hat sie bislang nicht beobachtet: Rund 530 Ehrenamtliche engagierten sich, so Schweers.

Wie läuft der Weg in den Arbeitsmarkt?

Aktuelle Zahlen zur Beschäftigung ukrainischer Geflüchteter liegen der Potsdamer Arbeitsagentur nicht vor. Wohl aber Erfahrungen aus den Integrationsteams. Sprecherin Martina Mertens berichtet von einer „sehr hohen Motivation“ und einem „durchschnittlich sehr hohen Bildungshintergrund“. Hürde für die Aufnahme einer Beschäftigung seien fehlende Deutschkenntnisse. Zwar seien viele Ukrainer:innen für Sprachkurse angemeldet. 

Aber: „Es fehlen ausreichende Angebote an Kursen insgesamt sowie ein Intensivkursangebot.“ Akademiker:innen seien in den normalen Integrationskursen oft unterfordert. Zu wenig Angebote gebe es auch bei der Anerkennungsberatung. „Spracherwerb und Anerkennung sollen sehr schnell gehen, sodass der Übergang in den Arbeitsmarkt schnellstmöglich erfolgen kann – in manchen Gesprächen muss hier gebremst werden.“

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