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Umstrittene Geschäfte. In der Brandenburger Straße wird sonntags verkauft – nicht in den Geschäften, aber an Marktständen. Laut Stadtverwaltung ist das erlaubt. Doch Händlervertreter und die IHK mahnen nun eine Gleichbehandlung an.

©  Manfred Thomas

Umstrittene Geschäfte in Potsdam: Ladenbesitzer verärgert: Marktstände dürfen auch sonntags öffnen

Innenstadthändler können am sonntäglichen Touristenstrom nicht mitverdienen. Dass das Verkaufsverbot für Marktstände in der Brandenburger Straße nicht gilt, sorgt nun für Kritik.

Potsdam - Sommerliches Flair: Potsdamer und Touristen spazieren am Sonntag durch die Fußgängerzone in der Brandenburger Straße, die Tische vor Cafés und Restaurants sind bei Temperaturen deutlich über 20 Grad voll besetzt. Mit jeder Straßenbahn kommen neue Besucher. Andere kehren am Nachmittag aus dem Park Sanssouci zurück. Die Stimmung ist gelöst und gemütlich. Viele stöbern an Marktständen, die zwischen Dortustraße und Lindenstraße aufgebaut sind.

Von den zahlreichen Besuchern würden auch die Ladenbesitzer in der Innenstadt gern profitieren – doch sie dürfen nicht. Am Sonntag bleiben die Läden in Potsdam dicht. Verkaufsoffene Sonntage erlaubt das Brandenburger Ladenöffnungsgesetz nur, wenn durch ein Großereignis auch Publikum von außerhalb angezogen würde. Wann das der Fall ist, muss die Stadt jedes Jahr in einer Satzung festlegen. Doch wegen eines laufenden Rechtsstreits mit der Gewerkschaft Verdi gibt es derzeit gar keine verkaufsoffenen Sonntage.

Angesichts des Streits um die Sonntagsöffnung der Läden werfen die Verkaufsstände auf der Flaniermeile Fragen auf. Das meint jedenfalls Manfred Gerdes. Er ist der Sprecher der AG Innenstadt und vertritt die Interessen der Ladenbesitzer. „Warum darf an den Marktständen verkauft werden, in den Läden aber nicht?“, fragt Gerdes. Der Markt selbst gefalle ihm, nur müssten auch die Geschäfte fair behandelt werden.

Markt bildet eine „Ausnahmegenehmigung nach dem Sonn- und Feiertagsgesetz"

Der Markt, um den es geht, besteht aus rund einem Dutzend Ständen in der Mitte der Brandenburger Straße. Laut Stadtverwaltung gibt es den „Potsdamer Kunstmarkt“ schon seit 1990 – immer in der Saison. „Bei den dort angebotenen Waren handelt es sich überwiegend um selbst hergestellte Waren von Künstlern und Handwerkern, die auch selbst von den Künstlern angeboten werden“, so ein Stadtsprecher. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern sei ausgeschlossen. Auch in diesem Jahr habe der Markt wieder eine „Ausnahmegenehmigung nach dem Sonn- und Feiertagsgesetz“. Sie gelte bis Mitte November an den Sonntagen außer Karfreitag, Volkstrauertag und Totensonntag. Auch eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis für Nutzung des öffentlichen Straßenlandes sei erteilt worden. Dafür spiele der Wochentag allerdings keine Rolle.

Einer der Marktteilnehmer ist Amadé Foth aus Brück. Er bietet am Sonntag hölzerne Aufhänger für Blumentöpfe in verschiedenen Farben an. Auf dem Markt ist er ein Dauergast. „Seit 14 Jahren“, erzählt er. Er reise auch zu anderen Märkten im Osten Deutschlands. Doch die Stimmung in Potsdam sei etwas Besonderes. „Es hat etwas Familiäres“, sagt er. Die meisten Händler kennen sich schon lange, kämen aus Berlin, Bernau, Treuenbrietzen. Der Umsatz sei zwar nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Jahren, dennoch komme er immer wieder gern.

Regionales „Made in Nepal“

Gerdes kann der Begründung der Stadtverwaltung nicht komplett zustimmen. Viele der Produkte seien tatsächlich handgemacht. Bei anderen habe er Zweifel. Das sei aber nicht der springende Punkt: „Alles, was ich hier sehe, würde man auch in einem Laden finden“, sagt er. Auch die regionale Herkunft sei nicht immer gegeben. Tatsächlich finden sich am Sonntag an einem Stand beispielsweise Schals und Tücher „Made in Nepal“. Einige Meter weiter werden gebrauchte Bücher angeboten. Das Angebot ist breit, zwischen „Die letzten Tage Schlesiens“ und „Onkel Toms Hütte“ gibt es Sachbücher und Fiktionales. „Nicht im engeren Sinne regionale Produkte“, meint Gerdes. „Das könnte auch ein Buchhändler oder ein Antiquariat in der Innenstadt verkaufen. Außer am Sonntag. Da darf er nicht.“

Auch bei der Potsdamer Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht man die Sache kritisch. „Da gibt es Klärungsbedarf“, sagt Handelsreferent Malte Gräve. Es sollte nicht darum gehen, etwas zu verbieten. Wichtig seien faire Wettbewerbsbedingungen. „Die sollten sowohl für die Markthändler als auch für die Ladengeschäfte gelten“, so Gräve.

„Im europäischen Vergleich hinken wir weit hinterher"

Der IHK ist das Verbot des Sonntagsverkaufs ohnehin ein Dorn im Auge. Erst am Freitag hatte die Kammer bei ihrer Vollversammlung in Potsdam eine weitgehende Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in Potsdam und Brandenburg gefordert. Die Möglichkeiten der Sonntagsöffnung seien so weit wie möglich auszubauen. „Im europäischen Vergleich hinken wir hier weit hinterher. Das Gezerre muss ein Ende haben und darf nicht weiter auf dem Rücken des Einzelhandels ausgetragen werden“, so der IHK-Präsident Peter Heydenbluth. Angesichts der Möglichkeit, rund um die Uhr online einkaufen zu können, fühlen sich die Händler benachteiligt.

In Potsdam komme hinzu, dass nach wie vor viel Kaufkraft nach Berlin abfließt, so Gerdes. Die Kaufkraft der Touristen könnte diesen Effekt zumindest teilweise kompensieren. Das passiere ja auch schon. Allerdings würden verkaufsoffene Sonntage einen größeren Beitrag leisten, so Gerdes. „Dann kommen die meisten Besucher. Und sie haben Zeit.“

Dass das Verkaufsverbot nicht allen Händlern passt, kann man am Sonntagnachmittag in der Brandenburger Straße auch praktisch beobachten. Ein Textilgeschäft hat seine Tür geöffnet und die Kleiderständer auf den Bürgersteig gestellt. Die Damenmode flattert im lauen Lüftchen. Drei Touristinnen kommen von einem der Marktstände herüberspaziert und begutachten die Ware.

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