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Preußische Kaderschmiede. Bis zu 18 Schüler lernten zwischen 1788 und dem Sieg Napoleons über Preußen 1806 in der „Königlichen Ingenieurakademie Potsdam“ . Im Lehrplan standen nicht nur militärisch relevante Fächer wie Belagerungskunst und Festungsbau, sondern auch Physik, Mathematik, Sprachen und Zivile- und Wasserbaukunst.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Tüfteln für den Sieg

Die Gründung der Ingenieurakademie Potsdam 1788 gilt als Geburtstunde des Ingenieurwesens

Von Matthias Matern

Ihre Gründung war einem militärischen Missstand geschuldet, ihr Aufbau vom Geist der Spätaufklärung geprägt. Doch wirklich bewähren konnte sich die „Königliche Ingenieurakademie Potsdam“ nicht: Gerade einmal 18 Jahre lang wurden im sogenannten Kabinettshaus, Am Neuen Markt 1, junge preußische Adlige in militärisch relevanten Bereichen wie dem Festungsbau oder der Belagerung, aber auch in weniger martialischen Fächern wie ziviler Architektur oder Mathematik unterrichtet. Das Ende kam bezeichnenderweise mit einer vernichtenden Niederlage Preußens. Der Einmarsch Napoleons am 27. Oktober 1806 in Berlin besiegelte auch das Aus der ersten systematischen Ingenieursausbildung Preußens. „Bei der Auflösung der Akademie waren noch genau 746 Reichstaler übrig. Der letzte Schüler wurde in der Hauptkadettenanstalt in Berlin untergebracht“, berichtet Professor Frank Göse vom Historischen Institut der Universität Potsdam. Anlässlich des 225. Stiftungsjubiläums wurde am Dienstag am einstigen Sitz der Akademie eine Gedenktafel angebracht.

Die Gründung der Einrichtung im Jahr 1788 gilt als Geburtsstunde des staatlich anerkannten Bauingenieurs. Rund hundert Jahre später führte der deutsche Kaiser Wilhelm II. per Erlass den Titel Diplomingenieur ein. Ende des 18. Jahrhunderts aber lag das Augenmerk weniger auf technischen Meisterleistungen zum Nutzen der Allgemeinheit, sondern vielmehr auf dem entscheidenden Vorteil im Kriegsfall. „Hintergrund der Akademie war das als gering erachtete Niveau des preußischen Ingenieurskorps“, erzählt Göse. Im 18. Jahrhundert habe die offene Schlacht zunehmend an Bedeutung verloren, in den Vordergrund sei das Belagern und Einnehmen strategisch wichtiger Ziele gerückt. Das Anlegen von Belagerungsgräben und Schanzen sei eben Aufgabe jener Ingenieurskorps gewesen, einer Art Vorläufer der heutigen Pioniere, erläutert der Historiker. „Man hat die Kriegsführung wie ein Schachspiel betrachtet, dachte man könnte den Gegner schachmatt setzen“, sagt Göse. Im Vergleich zu anderen Großmächten wie Österreich oder Frankreich, aber auch kleineren Staaten wie Sachsen, habe es in der preußischen Armee „eindeutig einen Rückstand“ gegeben. Dies habe der damalige preußische König Friedrich Wilhelm II., Neffe Friedrich II., ebenfalls erkannt. Deshalb habe er 1787 die Gründung einer Akademie „zur Heranbildung geeigneten Nachwuchses“ gewünscht.

Zugang zur Akademie hatten laut Göse nur Adlige oder Bürgerliche, wenn „ausgezeichnetes Genie den Mangel an Herkunft ersetzen kann“. In der Regel seien die jungen Männer zwischen 16 und 19 Jahre alt gewesen. Der König habe den Werdegang einzelner Eleven, wie die Akademieschüler genannt wurden, durchaus aufmerksam verfolgt, schildert der Wissenschaftler. „In der DDR hätte man dazu Kaderschmiede gesagt.“

So konservativ die Akademie hinsichtlich der Zugangsberechtigung war, so aufklärerisch erwies sie sich im Schulalltag. Gelernt wurde zwischen sieben und acht Stunden am Tag, im Sommer von acht bis zwölf Uhr und von 14 bis 18 Uhr, im Winter morgens erst ab 9 Uhr. Unterrichtet wurde neben der Belagerungskunst, der Kriegsbaukunst und der Militärtaktik auch Physik, höhere Mathematik, Sprachen sowie die Zivil- und Wasserbaukunst. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre. „In den Schulvorschriften hieß es, schwere Kopfarbeit sollte Frühmorgens betrieben werden, weil dann der Geist am schärfsten ist“, erzählt Frank Göse. „Zudem wurde vor und nach dem Essen zu einem Spaziergang geraten“.

Nach erfolgreicher Prüfung wurden die Absolventen in den Rang eines Leutnants befördert. Ausgesorgt hatten die Ingenieure damit noch nicht. „Bis zum Hauptmann war die militärische Laufbahn ein Zuschussgeschäft“, berichtet der Historiker. Vor allem die unteren Offiziersränge seien oft hochverschuldet gewesen, nicht zuletzt, weil sie für ihre Ausrüstung, sogar Pferde, selbst auskommen mussten.

Zumindest während ihrer Schulzeit konnten die Zöglinge offenbar gelegentlich auch mal Fünfe gerade sein lassen. „Pro Monat bekam jeder zehn Reichstaler, ein Handwerksmeister bekam vielleicht drei“, berichtet Göse. Zwar hätten die angehenden Ingenieure davon auch ihr Mittagessen und sonstige Ausgaben zu bestreiten gehabt, schränkt der Historiker ein, doch in einem Schuldokument heiße es, die Schüler „sollen nicht so sehr dem Malzen zusprechen“, also Bier trinken. „Vermutlich war die Versuchung recht groß. Potsdam als Residenzstadt hatte bestimmt einiges zu bieten“, schätzt Göse.

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