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Modernes Zitat. Bei seinem Entwurf für die Alte Post orientierte sich das Architekturbüro Redlich am barocken Original. Ein kompletter Wiederaufbau wäre zu teuer.

© Pro Potsdam

Streit um historische Nachbauten: Potsdams Alte Post wird nicht historisch

Fassade wird nur ein „Zitat“ des Originals aus dem 18. Jahrhundert – Schlappe für SPD und Grüne

Von Katharina Wiechers

Nach jahrelangem Streit hat das Tauziehen um die Gestaltung der Alten Post am Platz der Einheit ein Ende. Mit eindeutiger Mehrheit beschlossen die Stadtverordneten am gestrigen Mittwoch, dass auf dem Grundstück an der Ecke Friedrich-Ebert- und Yorckstraße ein Gebäude nach dem Entwurf des Potsdamer Architekturbüros Bernd Redlich errichtet werden soll, der die historische Fassade aus dem 18. Jahrhundert lediglich zitiert. 23 Abgeordnete stimmten dafür, elf dagegen. Eine herbe Niederlage für SPD und Grüne, die sich eine originalgetreue Fassade nach dem Vorbild des Architekten Georg Christian Unger (1743-1799) gewünscht hatten.

Bis 1945 stand auf dem knapp 570 Quadratmeter großen Grundstück die Alte Post, die bei dem Luftangriff auf Potsdam 1945 zerstört wurde und vollständig ausbrannte. In den 1960er-Jahren entstand an der Stelle ein Wohnhochhaus, das in den unteren Etagen das staatliche Reisebüro der DDR beherbergte – deshalb der Name „Haus des Reisens“. Heute ist die städtische Pro Potsdam GmbH Eigentümerin des Filetgrundstücks. 2009 ließ sie das „Haus des Reisens“ abreißen, um ein neues Gebäude zu errichten. Als möglicher Mieter ist die Mittelbrandenburgische Sparkasse im Gespräch.

Um die Architektur des Gebäudes an der stadtbildprägenden Ecke wurde jahrelang gerungen. Der ursprünglich von der Pro Potsdam favorisierte Entwurf des Architekten Ingo Schümann fand bei Denkmalpflegern und in der Stadtpolitik keine Gnade. Ein in einem Workshop erarbeiteter Kompromiss, bei dem Ungers Original in eine vorgeblendete Betonfassade eingeätzt werden sollte, wurde später ebenfalls verworfen. Stattdessen beschlossen die Stadtverordneten den Wiederaufbau der historischen Fassade. Allerdings fand die Pro Potsdam unter diesen Bedingungen bislang keinen Käufer für das Grundstück, obwohl sie mit dem Preis von ursprünglich 1,1 Millionen auf eine halbe Million Euro heruntergegangen war. Bemängelt wurde unter anderem, dass sich auf drei Etagen zu wenig Nutzfläche schaffen ließe. Ein Angebot des Arztes Daniel Panzer hatte die Pro Potsdam abgelehnt, weil die Kaufpreiszahlung an Bedingungen geknüpft war. Daraufhin schlug Pro Potsdam als Kompromiss eine Fassade des Potsdamer Architekturbüros Bernd Redlich vor. Das Architektenpaar Ursula und Bernd Redlich steht Mitteschön nahe und hat sich mit der Sanierung der Nikolaikirche einen Namen gemacht. Bei der Umsetzung des Potsdamer Leitbautenkonzepts realisiert das Büro Redlich zudem die Rekonstruktion der Fassade des Palazzo Pompei in der Humboldtstraße 3.

Für die Alte Post schlägt das Büro ein „modernes Zitat“ der Unger-Fassade vor, mit klassischer Säulenordnung, Pilastern, Architrav und Gesims. Statt drei sollen fünf Etagen untergebracht werden, einschließlich Dachgeschoss. Während das Erdgeschoss relativ hoch ist und große Fenster erhalten soll, teilen sich die zweite und dritte Etage eine Fensterreihe. Bernd Redlich hatte den Entwurf jüngst als „zweitbeste Lösung“ bezeichnet – nach einer Rekonstruktion des Originals.

Wichtig sei, dass die Stadt funktioniere, und nicht, dass man Leitbauten habe, an die sich keiner mehr erinnere, sagte der Abgeordnete Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis bei der Stadtverordnetenensitzung am Mittwoch. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, der sich seit Langem gegen eine historische Fassade ausspricht, fügte hinzu, durch den Redlich-Entwurf könnten erhebliche Kosten und Verzögerungen verhindert werden. Für eine historische Fassade sprach sich hingegen erneut die Grünen-Abgeordnete Saskia Hüneke aus. Redlichs abstrahierender Entwurf, der die historische Kubatur nicht einhalte, werde Ungers Bau nicht gerecht, sagte sie im Plenum.

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