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Landeshauptstadt: Streit um Bürgerbahnhof

Bahn-Chef Hans Mehdorn fordert den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes / Landesdenkmalpflege plädiert für eine Sanierung

Bahn-Chef Hans Mehdorn fordert den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes / Landesdenkmalpflege plädiert für eine Sanierung Von Dirk Becker Potsdam-West – Denkmalschutz hin, Denkmalschutz her, geht es nach dem Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, soll der Bürgerbahnhof am Park Sanssouci schnellstmöglich abgerissen werden. Statt des 1868 bis 1869 errichteten und seit Jahren leer stehenden Fachwerkbaus an der Geschwister-Scholl-Straße soll dann ein attraktiver Vorplatz die Fläche vor der zukünftigen Managerschmiede in dem von der Deutschen Bahn sanierten Kaiserbahnhof zieren. Wie eine Berliner Tageszeitung gestern berichtete, habe sich Mehdorn in einem Brief an den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) gewandt. In seinem Schreiben behauptet Mehdorn, dass Platzeck und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ihm Unterstützung beim Abriss des Bürgerbahnhofs zugesichert hätten, Mehdorn im Gegenzug versprochen habe, die Station am Park Sanssouci „mustergültig herzustellen“. Wie Potsdams Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz auf PNN-Anfrage erklärte, sei ein möglicher Einfluss der Stadt auf die Gestaltung des unter Denkmalschutz stehenden Bürgerbahnhofs sehr gering. Grundstück und Gebäude befinden sich im Besitz der Bundeseisenbahnvermögen, einer Bundesbehörde die „nicht bahnnotwendige Liegenschaften“ verwaltet und verwertet. Somit könne die Stadt zwar Vorstellungen über eine Nutzung äußern, mehr aber auch nicht, so von Kuick-Frenz. Seit Monaten stehe die Stadt in Verhandlungen mit der Bundeseisenbahnvermögen und der Deutschen Bahn AG über eine gemeinsam Nutzung des historischen Bahnhofs. So schwebe der Verwaltung die Unterbringung eines „sozialen Projektes“ in dem Gebäude vor, im Mittelteil solle eine Art Fußgängertunnel entstehen. Auch werde über den Erwerb von Teilflächen nachgedacht, doch hielt sich die Baubeigeordnete hier mit genaueren Angaben zurück. Was die von Mehdorn erwähnte Unterstützung durch den Oberbürgermeister, der zur Zeit in Osnabrück weilt und für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stand, betreffe, erklärte von Kuick-Frenz, dass sich diese auf eine „gemeinsam und einvernehmlich gefundenen Lösung“ beziehe, wie das Grundstück des Bürgerbahnhofs so gestaltet werden könne, dass ein „anspruchsvolles Ambiente“ entstehe. Die Deutsche Bahn AG wolle sich zu dem Brief Mehdorns nicht äußern, erklärte Burkhard Ahlert, Sprecher der Bahnvertretung Berlin/Brandenburg, auf Nachfrage der PNN. Dabei handele es sich schließlich um ein persönliches Schreiben. Und auch in Sachen Bürgerbahnhof Zurückhaltung: Hier führe man mit der Stadt seit längerer Zeit Gespräche mit der Stadt, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, so Ahlert. Für weitere Fragen verwies er an die Behörde Bundeseisenbahnvermögen. „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, von uns verwalteten Grundstücke gewinnbringend zu verkaufen“, erklärte Andreas Marciniak von der Bundeseisenbahnvermögen in Bonn. Und ein freies Grundstück sei besser und für mehr Geld zu verkaufen als wenn sich darauf noch ein baufälliges Gebäude befinde, dass auch noch unter Denkmalschutz stehe. Daher habe man einen Antrag auf Löschung der Denkmalschutzbestimmung für das Grundstück an der Geschwister-Scholl-Straße gestellt, so Marciniak. Ralph Paschke, Leiter im Dezernat für Inventarisation im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum, sieht jedoch keinen Grund für eine Löschung. Erst im Dezember vergangenen Jahres, nach vierjährigem Rechtsstreit, sei der Bürgerbahnhof offiziell in die Denkmalliste des Landes aufgenommen worden. Ein von Paschke erstelltes Gutachten belege, dass der Denkmalwert des Gebäudes gegeben sei. „Die Bausubstanz ist gut, der Bürgerbahnhof sanierungswürdig“, so der Experte. Nicht nur aus historischer, wissenschaftlicher und städtebaulicher Sicht sei der Erhalt anzustreben. „Auch Pflanzungen von Lenné befinden sich auf dem Grundstück.“ Paschke empfiehlt eine gastronomische Nutzung des Gebäudes wie schon zu Kaiserzeiten. Während der von Wilhelm II. in Auftrag gegebene Kaiserbahnhof den „hohen Herrschaften“ vorbehalten blieb, war die Station an der Geschwister-Scholl-Straße für die einfachen Menschen vorgesehen. Daher auch der Name „Bürgerbahnhof“, so Paschke. Die PDS-Fraktion will laut Hans-Jürgen Scharfenberg einen Dringlichkeitsantrag in die nächste Stadtverordnetensitzung zum Bürgerbahnhof einbringen. Wieland Niekisch (CDU) bezeichnete die Pläne Mehdorns als „Anschlag auf das UNESCO-Weltkulturerbe“. Er forderte den Bahnchef auf, seinen „Abbruchantrag“ zurückzunehmen und gemeinsam mit Stadt und Land an einer Lösung zu arbeiten.Trotz mehrfacher telefonischer Nachfragen war seitens der Landesregierung gestern keine Stellungnahme zum Bürgerbahnhof zu erhalten.

Dirk Becker

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