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Stadtteilschule Drewitz: Die Platten-Spieler

Europafest: Jazz-Ikone Jocelyn B. Smith zu Gast in Stadtteilschule Drewitz

Jocelyn B. Smith ist von Kindern umzingelt. „Als ich fünf Jahre alt war, habe ich mit klassischer Musik angefangen – nicht freiwillig. Damals ergab das lange Üben für mich keinen Sinn, heute schon“, sagte sie am gestrigen Abend zu den gespannten Kindern und Gästen in der Stadtteilschule Drewitz. Mit drei Stunden Verspätung bog der Tourbus mit Künstlerin und Band zuvor auf das neu sanierte Schulgelände ein. Was dann in der Turnhalle stattfand, hätte man an diesem Ort wohl kaum vermutet. Als Smith begleitet vom Drewitzer Schulchor, dem Potsdamer Kammerorchester und ihrer Band den ersten Ton anstimmt, kann man eine Stecknadel fallen hören.

Bereits im April besuchte Jocelyn B. Smith die Schule, um die Kinder und das Projekt kennenzulernen. Ihr Nachbar, ein Mitglied des Orchesters, hatte sie angesprochen und den Kontakt hergestellt. „Ich war sprachlos, wie selbstbewusst die Kinder sind und wie selbstverständlich sie mich empfangen haben. Wir haben ein englisches Lied einstudiert – das war für uns alle eine tolle Erfahrung. Ich war tief berührt“, schwärmt sie. Beim Konzert erfährt man das hautnah: Sie begrüßt jedes Kind persönlich und entschuldigt sich für die Verspätung.

Die Kinder empfangen sie wie einen Weltstar, und sie ist auch einer: Geboren 1960 in New York wohnt Smith seit den 80er-Jahren in Berlin und ist in den dortigen Jazzclubs zu Hause. Von der Hauptstadt aus arbeitete sie an ihrer Karriere, hat mit namhaften Künstlern gearbeitet und tourte ausgiebig durch Europa. Dass sie wie hier in einer Turnhalle auftritt, kommt nicht von ungefähr: Smith ist für ihr soziales Engagement bekannt, vor allem, wenn es um Kieze und Kinder geht. Während ihr Konzert im Berliner Dom am morgigen Samstag anlässlich des Jazzfestivals XJazz längst ausverkauft ist, gibt sie Potsdam schon vorher die Ehre. Die Drewitzer Grundschüler nimmt sie allerdings mit in die Hauptstadt: Sie dürfen im Dom bei zwei Liedern mitsingen und sind schon mächtig aufgeregt.

Doch dahinter steckt noch mehr: Unter den Kindern, so Schulleiterin Elvira Eichelbaum, waren viele Lernversager. Oft waren sie schlecht in der Schule und sagten kaum etwas. „Durch die Musik wurden sie viel selbstbewusster. Heute können sie sich besser auf das Lernen konzentrieren, durch die Begegnungsstätte hat sich alles positiv verändert. Auch die Eltern sind engagierter“, so Eichelbaum.

Die Stadtteilschule Drewitz wurde 2013 eröffnet und existiert in dieser Form bislang nur in Potsdam. Die Beteiligten schwärmen von dem Konzept und nicht nur sie: Letztes Jahr erhielt das Projekt beim Integrationspreis der Landeshauptstadt Potsdam den „Sonderpreis Nachbarschaft“. Das Besondere ist der Dreiklang aus Schule, dem Begegnungszentrum oskar und der Kammerakademie. Alle Einrichtungen haben eigene Programme, durch die Zusammenarbeit als Stadtteilschule an einem Ort ergeben sich aber viele Synergien und gemeinsame Angebote – so wie am gestrigen Donnerstag.

Am Aktionstag, der sich in die bundesweite Europawoche einfügt, beschäftigten sich die Kinder tagsüber im Unterricht und an Ständen spielerisch mit dem Thema Europa: Mit Essen, Münzen, Geografie-Raten – und natürlich mit Musik. Das Angebot war nicht nur für die Schüler und Eltern, sondern für alle Bewohner des Stadtteils offen. Den Höhepunkt bildete das kostenlose Konzert am Abend. Die Flick-Stiftung und die Pro Potsdam machten das Fest möglich. Wer der Jazz-Ikone zuhörte, nahm viel Inspiration mit: So hochkarätig schallt es aus der Platte nicht alle Tage.

Rita Orschiedt

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