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Auf Spurensuche. Jens Ventzki, Tanja Cummings, Natan Grossmann (v.l.).

© A. Klaer

Spurensuche zum Getto in Lodz in Gedenkstätte: Zwei parallele Welten

Als einen „furchtbaren Juristen“ hatte der Dramatiker Rolf Hochhuth vor fast 40 Jahren den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bezeichnet – wegen dessen Tätigkeit als Marinerichter zur NS-Zeit. Filbingers Versuch, sich dagegen juristisch zur Wehr zu setzen, blieb erfolglos.

Als einen „furchtbaren Juristen“ hatte der Dramatiker Rolf Hochhuth vor fast 40 Jahren den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bezeichnet – wegen dessen Tätigkeit als Marinerichter zur NS-Zeit. Filbingers Versuch, sich dagegen juristisch zur Wehr zu setzen, blieb erfolglos. Der „furchtbare Jurist“ als Begriff ging infolge der „Filbinger-Affäre“ in den Sprachgebrauch ein – und steht seitdem gleichsam als ein Symbol für viele im Nachkriegsdeutschland ungesühnte Schandtaten deutscher Juristen im Dritten Reich.

Auch der Verwaltungsjurist Werner Ventzki betätigte sich als eines jener Rädchen, die die Mordmaschinerie des NS- Staates am Laufen hielten. Er war Oberbürgermeister von Lodz, das die Nazis in Litzmannstadt umbenannt hatten. Damit fungierte Ventzki zugleich als Vorgesetzter von Hans Biebow, dem deutschen Leiter des Gettos von Lodz, in dem Juden sowie Sinti und Roma zusammengepfercht wurden.

In der Bundesrepublik machte Ventzki auch nach dem Krieg Karriere: Der Jurist wurde Oberregierungsrat in Bonn. Sein Sohn Jens-Jürgen Ventzki hat in den vergangenen Jahren zur NS-Vergangenheit seines Vaters geforscht. „Hemmungslos gelogen“ habe sein Vater, wenn es um dessen NS-Vergangenheit ging, erzählte sein Sohn auf einer Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstag in der Gedenkstätte Lindenstraße. So habe sein Vater behauptet, wenn die Nazis aus dem Getto Menschen deportierten, die nicht mehr arbeitsfähig waren, da habe er geglaubt, sie kämen in ein Erholungsheim.

Der im vergangenen Jahr fertiggestellte Dokumentarfilm „Linie 41“ der Berliner Regisseurin Tanja Cummings, der am Donnerstagabend vor der Podiumsdiskussion gezeigt wurde, zeichnet eindrucksvoll die damaligen Parallelwelten in Lodz nach: Einerseits das Elend im Getto, auf der anderen Seite das Leben im freien Teil der Stadt. Jens-Jürgen Ventzki, gemeinsam mit dem Getto-Überlebenden Natan Grossmann einer der beiden Protagonisten des Dokumentarstreifens, liest im Film vor, was es an Köstlichkeiten zu einer Feier im Hause seines Vaters gab: Sogar Froschschenkel waren dabei. Grossmann, Jahrgang 1927, berichtete in der Gedenkstätte Lindenstraße hingegen vom Hunger im Getto: „Ich habe nachts geträumt, was meine Mutter kocht“, erzählte der heute in München lebende Grossmann. „Das war mein Essen.“ Im Film „Linie 41“ begeben sich Grossmann und Ventzki in Lodz auf die Suche nach Spuren ihrer Familien. Holger Catenhusen

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