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SPD in Potsdam: Showdown in Golm

Nach ihrer Kandidatenkür feiert sich die SPD in Potsdam. Der neue Kandidat, Mike Schubert, erhielt Zuspruch von alt und jung.

Golm - Am Ende der vierstündigen Mitgliederversammlung lobten sich die Sozialdemokraten vor allem selbst – und schienen dazu ein wenig erstaunt. Vor allem darüber, dass tatsächlich 330 Mitglieder an einem Samstag ab 10 Uhr in das Fraunhofer-Konferenzzentrum in den nördlichen Ortsteil Golm gekommen waren. Gerechnet hatte man mit maximal 300. Der Grund fürs Selbstlob: Im Gegensatz zu allen anderen Parteien in Potsdam habe die SPD die Kür des Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in die Hand der Mitglieder gelegt – und nicht im Hinterzimmer getroffen. So lauteten jedenfalls unisono die Kommentare der Genossen, nachdem sie mit einem Ergebnis von rund 55 Prozent den früheren Parteichef und heutigen Sozialdezernenten Mike Schubert zu ihrem Kandidaten für die Potsdamer Oberbürgermeisterwahl im Herbst bestimmt hatten. Dies sei ein Signal für einen gemeinsamen Aufbruch. „Unser Kandidat kann nun mit einem breiten Kreuz in den Wahlkampf gehen“, sagte SPD-Chefin Ulrike Häfner kurz nach der Wahl.

Und viele Genossen waren auch erleichtert. Darüber, dass das Ergebnis ausreichend klar war – und dann doch wieder knapp genug, dass sich auch der unterlegene 59-jährige Kämmerer Burkhard Exner trotz seiner Niederlage gesichtswahrend ein „beachtliches Ergebnis“ bescheinigen konnte. Zudem hatte sich die Partei im monatelangen Binnen-Wahlkampf zwar allerhand zugemutet, allerdings zumindest öffentlich auf Angriffe unter der Gürtellinie verzichtet. So schienen sich die meisten Genossen auch am Samstag noch in die Augen schauen zu können.

Kaum verborgen blieb Beobachtern allerdings die eindeutige Haltung von Potsdams SPD-Fraktionschef Pete Heuer: Er klatschte bei Exners Redebeiträgen – während Schubert sprach, blickte er mehrfach mit mürrischer Miene durchs Fenster nach draußen. Nach Schuberts Sieg allerdings sagte er zu, sich im Wahlkampf mit voller Kraft zu engagieren. Heuer waren Ambitionen nachgesagt worden, bei einer OB-Kandidatur von Exner diesen als Finanzdezernent beerben zu wollen. Im Hintergrund zog der 51-Jährige nach PNN-Informationen auch für Exners innerparteilichen Wahlkampf einige Fäden, warb für ihn in der Partei.

Doch das reichte nicht. Gewonnen hat Schubert offenbar, weil er auf die Stimmen der älteren und jüngeren Mitglieder zählen konnte. Bei der Aussprache nach den Kandidatenreden sagte beispielsweise der langjährige Stadtverordnete Helmut Przybilski, er habe Schubert als kritik- und lernfähig erlebt. Und Martina Plischke von der AG 60plus in der SPD sagte, Exner habe in 16 Jahren als Finanzdezernent genug Zeit gehabt, jene Dinge anzupacken, die er nun fordere – von einer Modernisierung der Verwaltung bis zu mehr Bürgerbeteiligung. Auch mehrere Jusos sprachen sich für Schubert und einen Generationswechsel aus. Im Hintergrund sollen zudem SPD-Granden wie Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck sich für Schubert stark gemacht haben.

Für Exner sprachen vor allem Mitglieder im mittleren Alter, die er im Wahlkampf etwa bei eigens organisierten Wohnzimmergesprächen für sich einzunehmen versucht hatte. So lobte die Chefin des Ortsvereins Mitte/Nord, Sarah Zalfen, Exner als leidenschaftlichen Wahlkämpfer. Und noch vor der Kandidatenkür verteilte der Stadtverordnete Kai Weber für die Mitgliederversammlung gedruckte Exner-Werbung.

Jedoch zeichnete sich schon nach den Bewerbungsreden der Kandidaten ab, wer Gewinner werden könnte – der Applaus für Schubert fiel etwas lauter aus. Ohne Exner zu nennen, hatte er ihn mehrfach indirekt angegriffen. Ein SPD-Kandidat müsse Versäumnisse in der bisherigen Arbeit der Verwaltung anerkennen, sie nicht klein reden, sondern sie entschieden lösen, so Schubert. In anderen Kommunen sei die elektronische Akte im Rathaus längst Standard, „während in der Stadtverwaltung noch der Aktenwagen geschoben wird“. Er schäme sich als Arbeitgeber, dass die Mitarbeiter der Sozialverwaltung „in einem Haus arbeiten müssen, wo der Efeu durch die Plattenritzen wächst“. Potsdam habe mittlerweile einen der höchsten Krankenstände in deutschen Verwaltungen – mit 35,1 Tagen pro Mitarbeiter. Die wachsende Stadt müsse sich mehr Personal und bessere Technik leisten: „Hier braucht es ein Umdenken.“

Dagegen wirkte die Rede von Exner schon zu Beginn zurückhaltender. „Ich bin keiner, der mit Karacho vorfährt, ich komme durch die Tür.“ Gebraucht werde im Rathaus eine ruhige und ordnende Hand und jemand, der unter Druck die Ruhe behält. „Ich werde kein Basta-Oberbürgermeister sein“, sagte Exner. Und er wolle nur das versprechen, „was ich auch halten kann“. Dazu gehöre auch, einmal auf schnelle Schlagzeilen zu verzichten und lange Entwicklungslinien vor den Augen zu haben. Dabei sei sein Ziel, dass Potsdam am Ende seiner Amtszeit noch immer so liebenswert und attraktiv sein müsse wie jetzt, möglichst noch mehr.

Im Duell zwischen den beiden blieb für den dritten Kandidaten Frank Steffens, der noch dazu eine etwas holprige Rede hielt, kaum Platz. Er geißelte unter anderem die Stadtwerke-Affäre und die hohen Abfindungen, die damals an geschasste Manager gezahlt worden waren. Doch nur zwei von 332 Stimmen konnte Steffens holen. Allerdings könnte er dennoch bald wieder im Rathaus auftauchen: Wie berichtet will er wieder Tiefbauamtschef werden und hatte die Stadt per Klage beim Arbeitsgericht bereits gezwungen, das Verfahren zur Stellenbesetzung noch einmal neu aufzurollen. Henri Kramer

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