Serie: Feine Sache in Potsdam: Von Baum und Borke

Potsdam - Manchmal beginnt ein Verkaufsgespräch so: „Ziehen Sie doch die Schuhe aus und laufen ein paar Schritte“, sagt Heike Bernikas. „Sie stehen ja schon drauf.“ Denn selbstverständlich ist der Fußboden im „Kork-Store“ in der Lindenstraße komplett aus Kork, auch wenn man es ihm nicht auf den ersten Blick ansieht.

Fühlen allerdings kann man es. Kein kalter Stein, kein hartes Holz. Der Boden ist sofort angenehm warm unter den Füßen und bietet diesen steten, aber sanften Widerstand. Das ist gut für den Körper, für die Gelenke, sagt die Ladeninhaberin. Der Boden federt beim Betreten leicht nach, auch ein Vorteil, sollte etwas herunterfallen: So schnell geht hier nichts kaputt, Glas oder Porzellan zerspringt seltener als auf Steinboden oder Hartholz.

Zuerst in Oranienburg, dann in Potsdam

Die Berlinerin kam durch Zufall zu ihrer Geschäftsidee. Nachdem sie noch im Sommer 1989 mit ihrer Familie nach Westdeutschland geflüchtet war, musste sie sich dort neu einrichten. Und probierte das Naturmaterial Kork als Bodenbelag. Zwei Jahre später war sie immer noch begeistert davon, der Boden wie neu, der neue Teppich hingegen abgenutzt. „Da dachten wir uns, wir machen das beruflich, gehen zurück in die Heimat und verkaufen das dort“, sagt sie. Das erste Geschäft betrieben sie in Oranienburg, es lief super, der Bedarf nach Neuem für Haus und Heim war riesig im Osten. Der zweite Laden kam wenige Jahre später in Potsdam dazu. Heike Bernikas gefiel es hier so gut, dass sie in die Landeshauptstadt umzog und sich nun voll auf Potsdam konzentriert. Das ist nicht einfach, ihr einziger Mitarbeiter macht die Verlegearbeiten bei den Kunden, im Laden steht sie allein, jeden Tag.

Das flexible und vielseitig einsetzbare Material bekommt man bei ihr als Wand- oder Bodenbelag, als Korkfliesen zum aufkleben oder Korkparkett, das wie Klick-Laminat verlegt wird. Außerdem gibt es hier Schmuck aus Silber, Stein und Kork, hergestellt in einer kleinen Harzer Manufaktur, Accessoires wie Taschen, Portemonnaies, Brillenetuis. Natürlich die Klassiker, Untersetzer und Pinnwände. Im Grunde könnte man sich komplett mit diesem Rohstoff aus der Natur einrichten oder gar einkleiden – im Schaufenster steht eine Puppe, die Kleidung daraus trägt, weich und anschmiegsam – und sogar waschbar. „Das habe ich am Anfang tatsächlich mal verkauft“, sagt Heike Bernikas. Und die Korkkrawatte ist sicher jederzeit ein witziges Damen- oder Herren-Geschenk. Doch hauptsächlich suchen die Kunden bei ihr etwas für Wand und Boden, eine Alternative zu Teppich, Holz oder Fliesen, zu Tapete und Wandfarbe. Kork kommt in so vielen Varianten daher, dass man aus vielen Farben und Maserungen wählen kann.

"Alles ist möglich"

Alles beginnt mit der Korkeiche. Der knorrige Baum wächst vornehmlich im Mittelmeerraum, größter Korkproduzent ist Portugal. Verästelt und leicht geduckt – weniger hochwachsend als seine mitteleuropäische Verwandte – kommt er mit Hitze und Dürreperioden zurecht. Vor allem aber erträgt der Baum den Menschen, der ihm alle acht bis zwölf Jahre großflächig die Rinde raubt. An ausgehöhlten Baumstämme im Laden – Dekomaterial – kann man sehen, wie dick diese Schicht ist. Mit Schneideäxten wird sie abgeschält, freilich nicht überall, denn der Baum soll sich erholen und weiterwachsen. Nach dem Waschen und Trocknen werden zunächst Korken für Wein- und Sektflaschen aus dem Material gestanzt. Was übrig bleibt, wird zu Granulat zermahlen und mit Harz als Bindemittel zu Korkmaterial verarbeitet.

Wer es bunt haben möchte, kauft Platten, die aus Basismaterial plus einer gefärbten Furnierschicht bestehen. Alles ist möglich, sagt Heike Bernikas. Je nach Geschmack bekommt das Ausgangsmaterial einen natürlichen oder modernen Look. Und landet dann in Kinderzimmer oder Küche. Es ist pflegeleicht: ab und zu mal drüberwischen, fertig. Etwa alle zwei Jahre wird ein Anschleifen inklusive neuer Oberflächenbehandlung fällig.

Kunden kommt aus Berlin und sogar von der Ostsee bis nach Dresden

In Potsdam ist der Laden von Heike Bernikas der einzige mit diesem Angebot. Ihre Kunden kommen aus dem Berliner Raum, von Dresden bis zur Ostsee. Vor dem Verkauf kommt Beratung und Maßnehmen zu Hause, anhand von Musterplatten wird ausprobiert, ob wirklich alles zueinander passt. Dann wird bestellt und geliefert – und auf Wunsch auch verlegt. Oder die fertigen Platten werden im Laden mit einer Maschine vorgeleimt, der Kleber getrocknet – wie bei Briefmarken. Mit etwas handwerklichem Geschick kann man die Korkplatten dann zu Hause auch selbst an Ort und Stelle bringen. „Wir machen ja vorher hier im Laden eine Übungsstunde“, sagt Heike Bernikas. Neben Wohnräumen oder ganzen Einfamilienhäusern werden damit auch häufig Büros, Arztpraxen oder Kitas ausgestattet. Selbst als Treppenbelag eignet sich das vielseitige Material. Weil der Korkboden stets versiegelt werden muss, entweder mit Öl oder Lack, ist er auch nassraumtauglich, für Küche oder Bad. „Wenn sie aus der warmen Wanne steigen, ist das sehr angenehm, auf einen warmen Korkboden zu treten und nicht auf kalte, rutschige Fliesen.“ Einziger Nachteil: Der Kork braucht nach dem Verlegen und Versiegeln etwa eine Woche Trockenzeit, bevor der Raum wieder genutzt werden kann und die Möbel reindürfen. „Mal so nach Feierabend schnell hier reinkommen, etwas mitnehmen und fertig – das geht nicht“, sagt sie.

30 bis 40 Euro pro Quadratmeter muss man für einen Korkboden rechnen, damit liegt Kork im mittleren Preissegment zwischen Laminat, Holz und Fliesen. Heike Bernikas sieht allerdings eine Entwicklung, die ihr weniger gefällt. Immer mehr Weinflaschen bekommen Korken aus Plastik oder Schraubverschlüsse. Dann gebe es auch bald weniger Abfall für die Herstellung weiterer Korkprodukte. Das wäre schade, findet sie. In Sardinien hat sie gesehen, was man alles daraus machen kann. „Die Italiener stellen daraus sogar Tische und Sessel her“, sagt sie begeistert.

Lindenstraße 60, Tel.: (0331) 270 6808