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Landeshauptstadt: Schulterschluss mit Bauchschmerzen

Die Diskussion um das Einheitsdenkmal des Ehrenbürgers Friedrich Mielke nimmt immer bizarrere Züge an

Von Peer Straube

Inzwischen darf die Geschichte als – ja, der Kalauer ist auch in seiner dürftigen Lustigkeit beabsichtigt – Treppenwitz gelten. Der anerkannte Treppenforscher, ehemalige Universitätsprofessor und streitbare Potsdamer Ehrenbürger Friedrich Mielke will der Stadt Potsdam ein Denkmal schenken, das an die deutsche Einheit erinnert – eine etwa sieben Meter hohe Doppelspirale, ein Stahlkonstrukt aus in sich verdrehten Treppenstufen, das zu einem goldenen Bundesadler hinaufführt. Entworfen hat es der 90-Jährige selbst, bezahlen will er es auch.

Wird es aufgestellt oder nicht – diese Frage wird nun bereits seit Jahren diskutiert. Zuletzt schien alles geklärt: Nachdem Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Mielke im vergangenen Jahr monatelang auf eine Antwort warten ließ, war der Rathauschef Ende November zu einem Versöhnungsgipfel ins bayerische Konstein gereist, Mielkes Wohnort. Man einigte sich darauf, die Skulptur vorübergehend auf dem Bassinplatz aufzustellen, danach sollte sie auf der Plantage hinter der Garnisonkirche ihren endgültigen Platz finden. Die Details, so vereinbarten es Mielke und Jakobs nach Angaben des Rathauses, solle der 90-Jährige mit einem von der Stadt benannten Mittelsmann besprechen.

Doch hat dieses Prozedere nun zu einer neuen diplomatischen Verschnupfung geführt. Ende letzter Woche zog Mielke seine Offerte zurück, weil er nach seiner Darstellung auf einen Brief vom 1. Januar 2012 von Jakobs abermals keine Antwort bekam. Die Rathaus-Version der Geschichte klingt allerdings etwas anders. Danach schrieb Jakobs am 20. Dezember 2011 an Mielke und informierte ihn darüber, dass die Potsdamer Künstlerin Marianne Gielen „als Ansprechpartnerin für die künstlerischen Aspekte der Skulptur“ gewonnen werden konnte und sich mit ihm in Verbindung setzen werde. Nach Auskunft von Stadtsprecher Stefan Schulz hat Gielen das auch getan – und nach einem Telefonat mit dem Ehrenbürger abgesagt.

Über die Gründe für die Absage gibt möglicherweise der Ton Aufschluss, den Mielke in seiner Neujahrspost an Jakobs anschlägt – noch vor dem persönlichen Gespräch mit der Künstlerin. Er „unterwerfe“ seine Gestaltung „nicht den persönlichen Ansichten einer Person, die weder in der Scalologie noch in der Technik qualifiziert ist“, zürnt der ehemalige Denkmalpfleger und lässt zugleich keinen Zweifel, wer in der Sache Ross und wer Reiter ist: „Der weltbekannte Universitätsprofessor, der seiner Stadt Potsdam ein großzügiges Geschenk machen möchte, wird zum Untertan einer weitaus jüngeren Multifunktionärin degradiert.“ Mielke wittert offenbar Verrat an seinem Kunstwerk: „Mein Geschenk ist kein Freiwild. Demokratischen Gepflogenheiten entsprechend schafft an, wer zahlt.“ Vorsorglich droht er mit „strafrechtlichen Konsequenzen“, die „unvermeidlich“ seien, falls „mein Konzept unbefugt geändert“ werde.

Über das Wochenende haben sich die Wogen nun wieder geglättet. Die Landeshauptstadt und „ihr Ehrenbürger Prof. Dr. Mielke“, teilte das Rathaus mit, „beabsichtigen weiterhin, ein von Mielke entworfenes Einheitsdenkmal zu realisieren“. Besänftigt hat Mielke ein neuer Mittler – Brandenburgs ehemaliger Kulturminister Hinrich Enderlein, heute Chef des Brandenburgischen Kulturbundes. Enderlein freut sich „auf die interessante Aufgabe“, die Potsdam ein „einmaliges Denkmal von großer Attraktivität“ einbringen werde.

Die Freude ist allerdings nicht bei allen so groß wie bei Enderlein. Der Beirat für Kunst im öffentlichen Raum und Mitglieder des Kulturausschusses hatten sich zuletzt eher zurückhaltend zu Größe und Form des Entwurfes geäußert. Viele sprechen gar von einer stählernen Scheußlichkeit, die eigentlich niemand haben wolle. Laut will das aber keiner sagen – um den Ehrenbürger Mielke nicht offen zu brüskieren. Insgeheim wäre aber auch mancher im Rathaus froh, wenn Enderlein bei seinem Gespräch mit Mielke nicht ganz so überzeugend gewesen wäre.

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