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Theater. Schüler der Montessori-Oberschule bei der Probe.

© Manfred Thomas

Schule in Potsdam: Von queeren Feen und einem intersexuellen Gott

Schüler der Montessori-Oberschule entwickeln bei einem Theaterprojekt ein eigenes Stück. Am Sonntag ist Premiere.

Von Birte Förster

Einen nach dem anderen trifft es. Ein Blitz geht durch den ganzen Körper. Zuckend und schwankend sinken die Opfer schließlich zu Boden. Es ist Gott, der gerade einen Wutausbruch hat und jedem mit ausgestrecktem Arm eine geballte Ladung Elektrizität schickt. Der Grund: Bei der Facebook-Anmeldung muss er sein Geschlecht angeben. Dabei ist Gott doch intersexuell. Mit einem höhnischen Lachen beendet er sein Gewitter und blickt zum – vorerst noch fiktiven – Publikum.

Die Schüler der neunten Klassen der Montessori-Oberschule in Potsdam-West proben zurzeit ihr Theaterstück „Die Sucht nach dir“, das am Sonntag in der Schule Premiere feiert. Zusammen mit Theatermacher Lionel Tomm, freiberuflicher Schauspieler und Regisseur, arbeiten die Schüler im Musikraum der Schule als eine von mehreren Gruppen an dem Stück. „Genau so muss es aussehen“, freut sich Tomm über die Götterszene und lacht. Zwischendurch gibt der Theaterexperte den Jugendlichen Tipps zu ihrem Schauspiel.

Die Schüler haben die Geschichte selbst entwickelt

Für die Schüler ist das diesjährige Theaterprojekt etwas Besonderes. Während die neunten Jahrgänge in den Vorjahren einen klassischen Stoff passend zur heutigen Zeit modernisierten, sind es die Schüler dieses Mal selbst, die ihr Stück unter Anleitung von zwei Theatermachern, die jedes Jahr im Herbst an die Schule kommen, selbst geschrieben haben. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themen Trennung der Eltern, Drogen und Rausch sowie Gender. „Wir haben persönliche Erfahrungen mit eingebaut“, erzählt Schülerin Julika Krügel. Durch das Theaterprojekt lerne sie viel dazu und werde selbstbewusster, sagt die 15-Jährige. Außerdem würden die Schüler als Gemeinschaft stärker zusammenwachsen.

Dass die Schüler über sich hinauswachsen, sich mit ihrem eigenen Leben und den heutigen Herausforderungen auseinandersetzen, ist das Ziel des Projekts. Während die Schüler Szenen und Dialoge zusammen mit den Theater-Experten ausgearbeitet haben, kommen die drei Oberthemen von den Lehrern. „Diese künstlerisch zu bearbeiten ist eine große Chance“, sagt Lehrerin Luisa Rund, die als eine von zwei Pädagogen das Projekt begleitet. Durch die Mitarbeit an dem Stück komme den Schülern dieses Mal eine aktivere Rolle zu, die über das Textlernen hinausgehe.

Viele Jugendliche sind von der Trennung der Eltern betroffen

Bestimmte Themen würden unter den Schülern immer wieder aufkommen, so Rund. Bei vielen Schülern haben sich die Eltern getrennt, was sich auf den Alltag der Jugendlichen auswirke. Wenn sie die Streitereien der Eltern mitbekommen oder von einem zum anderen pendeln. Dann sei es für die betroffenen Schüler manchmal auch schwierig, im Unterricht komplett bei der Sache zu sein. Das Stück dient somit als Projektionsfläche, „um ihre Wahrnehmung dazu auszudrücken“, wie Rund es beschreibt. Auch der Konsum von Drogen sei bei einigen Schülern Thema, weshalb eine Auseinandersetzung sinnvoll sei. Auch der dritte Schwerpunkt Gender dürfte bei den Jugendlichen voll ins Schwarze treffen. Schließlich würden sie in dem Alter „das Hineinwachsen in die Geschlechterrolle“ erleben, so Rund. Um die insgesamt 51 Schüler auf die intensive Theaterarbeit vorzubereiten und um die Themengebiete von allen Seiten zu beleuchten, erhielten sie an der Schule Besuch von einem Sterbebegleiter, einem Scheidungsanwalt, trafen einen Vertreter vom Landesverband „Andersartig“ für queere Menschen und besuchten eine Drogenberatungsstelle.

Ein Straßenmusiker möchte seiner Mutter eine Geschlechtsumwandlung bezahlen

Aus den Informationen und eigenen Erfahrungen begannen sie schließlich, erste Szenen zu entwickeln und die Figuren zu charakterisieren. Schließlich entstand daraus das Stück. Seit vier Wochen arbeiten die Schüler täglich von 8.30 bis 15.30 Uhr daran. In dem Stück geht es, kurz zusammengefasst, um mehrere Jugendliche. Einer von ihnen verdient sein Geld als Straßenmusiker, da er seiner Mutter eine Geschlechtsumwandlung bezahlen möchte. Durch die schwierige Situation in der Familie fängt er an Drogen zu nehmen. Ein anderer Jugendlicher erlebt sein Coming-Out, ein Mädchen leidet unter der Trennung ihrer Eltern. Da die Schule über keine Aula verfüge, würden die Zuschauer bei der Aufführung in zwei Gruppen eingeteilt und in unterschiedliche Räume geführt, sagt Rund. Nur Anfang und Ende des Stücks würden alle zusammen sehen. Premiere am 14. Oktober um 18.30 Uhr, weitere geplante Auftritte: 16. Oktober um 10.30 Uhr sowie 18.30 Uhr, 17. Oktober und 18. Oktober jeweils um 18.30 Uhr. Eine Reservierung wird empfohlen, die Karten sind aber kostenlos. Tel.: (0331) 28 98 060. Um Spenden wird gebeten.

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