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Scharfe Kritik an Potsdams Wirtschaftskurs: Potsdams Grüne: Jakobs versagt bei Wirtschaftspolitik

Potsdams Grüne werfen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in der Wirtschaftspolitik indirekt Versagen vor. Und fordern eine Umkehr in der Wirtschaftsförderung.

Von Matthias Matern

Potsdam - Die Kritik an Potsdams Wirtschaftspolitik wird lauter: Nachdem der Wirtschaftsrat bereits vergangene Woche der Verwaltung mangelndes Bewusstsein für wirtschaftsrelevante Themen bescheinigte, üben nun auch die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung und der Vorstandsvorsitzende des Potsdamer IT-Verbandes „Silicon Sanssouci“, Jörn Hartwig, Kritik an der wirtschaftspolitischen Arbeit der Stadt. Weil Wirtschaftsförderung nur eine untergeordnete Rolle spiele und den verkehrten Ansatz verfolge, würden Chancen verschlafen, sagte Janny Armbruster, Mitglied der Grünen im städtischen Ausschuss für Kultur und Wissenschaften, am Montag den PNN. Ihre Kritik machte die Grünen-Politikerin auch direkt an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) fest, in dessen Geschäftsbereich die Wirtschaftsförderung liegt. „Wenn er die Aufgabe ausfüllen würde, gebe es die Kritik nicht. Die Wirkung ist aber nicht so, wie wir sie uns für Stadt wünschen würden.“

Auch IT-Unternehmer und „Silicon Sanssouci“-Chef Hartwig sieht Handlungsbedarf. „Wir haben ja fähige Leute in der Stadt, die auch wissen wo es klemmt, denen jedoch die Hände gebunden sind. Wenn ich aber will, dass der Laden läuft, muss ich auch Entscheidungsgewalt abgeben“, forderte Hartwig. Jemand mit der nötigen politischen Kompetenz, der auch die entsprechenden Entscheidungen trifft, sei absolut notwendig. Es gehe vor allem darum, „die Ressourcen in der Stadt mit den richtigen Werkzeugen zu fördern, um noch erfolgreicher zu sein.“

Wirtschaftsbeigeordneter für Potsdam gefordert

Wie berichtet hatte der Chef des Wirtschaftsrats, Götz Friederich, vergangenen Mittwoch die Forderung seitens der Wirtschaft nach einem hauptamtlichen Verantwortlichen in der Stadt für Wirtschaftsfragen erneuert. „Ein Wirtschaftsbeigeordneter oder Wirtschaftsbürgermeister wäre absolut sinnvoll und notwendig“, hatte der Potsdamer Anwalt gesagt.

Außerdem hatte Friederich kritisiert, dass das Thema Wirtschaft bei der Außendarstellung der Stadt kaum eine Rolle spiele; aus dem zweiten Entwurf für das neue Leitbild der Stadt sei ein entsprechendes Kapitel sogar ganz gestrichen worden, hatte der Ratsvorsitzende bemängelt. Eine Kritik, der sich am Montag auch die Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) anschloss: „Wir gehen davon aus, dass im neuen Leitbild der Landeshauptstadt die Wirtschaft eine tragende Rolle spielen wird und nicht nur hier und da bei verschiedenen Themen auftaucht“, sagte IHK-Sprecher Detlef Gottschling vor dem Neujahresempfang der Kammern am gestrigen Montagabend.

"Wirtschaftsförderung denkt in Räumen, nicht in Inhalten"

Aus Sicht von Armbruster bedürfe es allerdings einer grundsätzlichen Neuausrichtung der städtischen Wirtschaftsförderung. „Die Wirtschaftsförderung in Potsdam denkt vor allem in Flächen und Räumen, jedoch nicht in Inhalten. Wir brauchen aber eine proaktive Ausgründungsförderung. Der Ansatz, erst muss Gewerbe da sein, dann schaffen wir die Räume, ist falsch“, sagte Armbruster.

Als Beispiel führte die Grünen-Stadtverordnete die Panne rund um das Gründerzentrum „Go:in“ in Golm 2014 an. Damals hatten namhafte Firmen, deren befristete Mietverträge im „Go:in“ ausliefen, öffentlich der Stadt vorgeworfen, trotz eines gegenteiligen Versprechens nicht für einen Ersatz am Standort gesorgt zu haben und mit Wegzug gedroht. Daraufhin hatte die Stadt im vergangenen Jahr angekündigt, auf eigene Kosten das „Go:in“ für 7,5 Millionen Euro zu erweitern. Laut Armbruster hätte das viel schneller gehen können.

Es dürfe erst gar nicht so weit kommen, dass erfolgreiche Ausgründungen damit drohen müssten, die Stadt zu verlassen. „Wir müssen den Mut haben, in Vorleistung zu gehen, um private Investoren zu gewinnen.“ So ließen sich künftig entsprechende Flächen vorhalten. Schließlich sei davon auszugehen, dass sich aus den in der Stadt vorhandenen Forschungseinrichtungen auch zukünftig weitere Ausgründungen ergeben, sagte Armbruster.

Höchste Wissenschaftlerdichte bundesweit

Das Potential, das sich in Potsdam aus der deutschlandweit höchsten Wissenschaftlerdichte ergebe, werde noch viel zu wenig genutzt. Akut sei im ersten Schritt „eine klare Richtungsentscheidung“ zum grundlegenden Ausbau und zur Weiterentwicklung des Wissenschaftscampus in Golm, so die Grünenpolitikerin.

Eine dauerhafte Lösung fordert Armbruster auch für die Kreativszene. Die hohe Nachfrage für das Rechenzentrum sei ein „lebendiger Beweis dafür, dass es einen Bedarf gibt“, so die Grünenpolitikerin. Dort seien keinesfalls nur Künstler im reinen Sinn untergekommen, sondern auch innovative Unternehmen der IT-Szene. Vorerst sei mit dem Rechenzentrum eine Lösung gefunden. „Doch was ist, sollte das Kirchenschiff der Garnisonkirche tatsächlich gebaut werden? Dann haben wir möglicherweise in zwei bis drei Jahren ein großes Problem“, warnte sie.

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