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PYAnissimo: Bei der Queen brennt noch Licht

Was war das für ein Aufschrei. Shopping Queen in den PNN?

Was war das für ein Aufschrei. Shopping Queen in den PNN? Niemals! Dachte ich. Unmöglich kann man darüber schreiben, wie fünf erwachsene Frauen mit Schulabschluss unter Proseccoeinfluss durch fremde Schlafzimmer seiern, ernsthaft mit einem Mann sprechen, der gar nicht da ist, und sich in der Fußgängerzone beim Sprint zu Frisör und Schneiderin filmen lassen. Vermutlich rennen sie sogar mehrmals, weil der Tonmann vom Kamerateam nicht hinterherkommt und der ganze Take wiederholt werden muss. Wobei im Vertrag mit dem Sender auch irgendwo stehen muss, dass sich jede Kandidatin mindestens einmal für mindestens zehn Sekunden in einem absolut schrecklichen Outfit vor der Kamera zu zeigen hat.

Dann saßen wir da, im Großraumbüro, bei Kaffee und Schokolade. Jeden Tag. Und schauten uns den vermeintlich frauenverachtenden Mist an. Am zweiten Tag hatten wir schon eine Meinung zu den Klamotten, am dritten Tag fieberte ich im Stillen mit: Um Gottes willen, nicht den Rock! Am vierten Tag durchschaute ich die Strategie der Punkteverteilung: Frauen können grausam sein. Je näher das Ende rückte, desto weniger Punkte wurden vergeben. Am fünften Tag warteten wir auf Guidos finale Predigt, Liebe und Ambrosia waberte durch den Äther und auch wenn alles in Berlin stattfand, nahm man ihm seine Sympathie für Potsdam voll ab. Er war hier, auch wenn er nicht hier war. Der Spirit zählte. Wir waren Shopping Queen.

Am Abend nach der Krönung fahre ich nach Hause und schaue aus dem Fenster der S-Bahn. Ach, schau, denke ich in Babelsberg, bei der Shopping Queen brennt noch Licht! Plötzlich bin ich entsetzt – darüber, dass mir die Queen offensichtlich tiefer in den Knochen sitzt, als ich befürchtet hatte. Ein akuter Fall von Identitätskrise. So kann‘s gehen. Nicht den Rock!

Und ist das nun frauenfeindlich? In der Erlöserkirche singt der Neue Kammerchor am Sonntag Haydns „Schöpfung“. Da heißt es: „Die Gattin, hold und anmutsvoll, in froher Unschuld lächelt sie.“ Und Eva weiter, an Adam: „Dein Will ist mir Gesetz. So hat’s der Herr bestimmt, und dir gehorchen bringt mir Freude, Glück und Ruhm.“ Die großartige Sopranistin singt engelsgleich. Tolle Leistung von Sängerin und Publikum, an diesen Stellen bis auf ein klitzekleines Mundwinkelzucken dabei ernst zu bleiben. Aber wir können eben beides in Potsdam. Shopping Queen und Schöpfung. Und solange das nebeneinander gut funktioniert, mache ich mir um Potsdams Frauen keine Sorgen.

Vielleicht mit einer kleinen Einschränkung: „Wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen als ihr habt“, heißt es bei Haydn. Also haben wir nach einer Woche den Redaktions-Fernseher wieder ausgemacht.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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