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Der Prozess steht kurz vor dem Abschluss.

© dpa

Prozess in Potsdam: Sexueller Missbrauch war nicht zu beweisen

Mindestens sechs Mal soll der Börsenmanager und frühere Sprecher eines Potsdamer CDU-Ortsverbands seine Nichte sexuell missbraucht haben. Vor dem Potsdamer Landgericht musste er sich dafür verantworten - und wurde freigesprochen.

Von Matthias Matern

Potsdam - Die Vorwürfe waren massiv: In mindestens sechs Fällen soll der Börsenmanager und frühere Sprecher eines Potsdamer CDU-Ortsverbands, Sven-Uwe K. (Namen geändert), seine Nichte Marie F. seit ihrem fünften Lebensjahr sexuell missbraucht haben, etwa wenn K. seine Schwester und eben ihre Tochter in der Schweiz besuchte. Die Tatvorwürfe liegen dabei wie berichtet mehr als zehn Jahre zurück. Seit Ende September vergangenen Jahres wurde vor dem Potsdamer Landgericht gegen den 57-Jährigen verhandelt. Am gestrigen Dienstagabend wurde das Urteil gesprochen. Sven-Uwe K. wurde freigesprochen – aus Mangel an Beweisen, wie der Vorsitzende Richter in seiner Begründung betonte: „Ein Freispruch nicht wegen einer bewiesenen Unschuld, sondern wegen Restzweifeln.“

Keinen Zweifel dagegen ließ der Richter dabei aufkommen, dass K. seiner Einschätzung nach die ihm vorgeworfenen Taten durchaus begangen haben könnte. „Es spricht eine ganz Menge dafür“, so der Richter. Auch gegenüber anderen Familienmitgliedern sei K. früher immer wieder durch „sexuell übergriffiges Verhalten“ und „anzügliche Sprüche“ aufgefallen. Die Restzweifel würden jedoch im Wesentlichen auf die Ergebnisse zweier im Laufe des Verfahrens eingeholter Gutachten beruhen. Diese hatten zuvor die Belastbarkeit der geschilderten Erinnerungen der vermeintlich Geschädigten infrage gestellt. Zudem hätten sich durch die Aussagen der zahlreichen gehörten Zeugen Beweisdefizite ergeben. Auch die Länge des Prozesses hätte die Tatsachenbewertung nicht leichter gemacht, so der Vorsitzende Richter.

Der Prozess wurde vom Landgericht komplett neu aufgerollt

Wie berichtet hatten die Missbrauchsvorwürfe gegen K. die Justiz bereits seit mehreren Jahren beschäftigt. Bereits 2013 war K. am Amtsgericht Potsdam wegen schweren sexuellen Missbrauchs seiner heute 28-jährigen Nichte zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Danach hatten aber sowohl die Ankläger als auch die Verteidigung jeweils Berufung eingelegt. Nachdem jedoch weitere Vorwürfe hinzugekommen waren, war der Prozess vom Landgericht komplett neu aufgerollt worden, das erste Urteil verworfen.

Erstmals soll K. der Anklage zufolge seine Nichte 1994 sexuell missbraucht haben, zuletzt im Dezember 2004 in Brasilien, als die gesamte Familie dort Weihnachten verbrachte. 2010 hatte sich Marie F. schließlich der Polizei offenbart und das erste Verfahren ins Rollen gebracht.

K.s Verteidiger, Claus Pinkerneil, bekannt aus der Sat.1-Dokusoap „Anwälte im Einsatz“, hatte während des gesamten Prozesses versucht, die Glaubwürdigkeit von Marie F. in Zweifel zu ziehen. Auch gestern warf er ihr ein „zielgerichtetes, taktisches Verhalten“ vor. Die Staatsanwaltschaft dagegen hatte in ihrem Plädoyer Kritik an der Auswahl der teils männlichen Gutachter geübt und zum Schluss eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert. 

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