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Vor Gericht. Die beiden Angeklagten Nico W. und Gregor T.. 

© Carsten Holm

Prozess am Amtsgericht Potsdam: Eine Anklage bricht zusammen

Gegen Geldauflage wird das Verfahren gegen zwei Anti-Pogida-Demonstranten eingestellt. Ein Grund dafür wurde im Gerichtssaal vorgeführt - verwackelt und oft unscharf.

Von Carsten Holm

Potsdam - Landfriedensbruch, Störungen von Versammlungen und Aufzügen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und teilweise versuchte gefährliche Körperverletzungen: Es war ein Sammelsurium erheblicher Straftaten im Zusammenhang mit einer Anti-Pogida-Demonstration im Potsdamer Zentrum, wegen der sich der 31 Jahre alte Konditormeister Gregor T. und der 39-jährige Koch Nico W. am Montag vor dem Amtsgericht verantworten mussten.

Doch mehr als vier Jahre und sieben Monate nach dem vermeintlichen Tatgeschehen am 11. Januar 2016 brach die von Staatsanwältin Susanne Gunia vorgetragene Anklage innerhalb weniger Stunden in sich zusammen. Das Gericht stellte das Verfahren gegen die Männer aus Potsdam denn auch gegen eine Geldauflage von je 200 Euro ein. Beide wollen den Betrag an Woods up überweisen, eine Organisation, die die Aufforstung von Wäldern unterstützt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, ebenso die Kosten für die beiden Verteidiger.

Polizeibeamter führt vor Gericht ein Video vor

2016 war die Zeit, als die ausländerfeindliche Bewegung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) nach ihrer ersten Demonstration in Dresden im Jahr 2014 versuchte, als Pogida auch in Potsdam Fuß zu fassen. Aber überall, wo die Rechtsausleger auftauchten, standen ihnen Liberale und Linke entgegen – auch in Potsdam.

Die Stimmung an jenem Abend des 11. Januar 2016 wurde wieder lebendig, als der Potsdamer Polizeibeamte Wolfgang K. im Saal des Amtsgerichts ein Video vorführte, das er für die Beweissicherung aufgenommen hatte. Hunderte von Gegendemonstranten waren auf den allerdings oft unscharfen und verwackelten Aufnahmen zu sehen, die den angekündigten „Abendspaziergang“ der in großer Zahl aus Berlin angereisten Bärgida-Demonstranten verhindern wollten. Nur wenige Personen waren darauf allerdings erkennbar – und nur solche, die zumindest im Moment der Aufnahme keine Straftaten begangen.

Es kam zu Stein- und Flaschenwürfen

Immer wieder skandierten sie zwischen der Wilhelm-Galerie am Platz der Einheit und dem Bassinplatz „Nazis raus!“ und lärmten mit Trillerpfeifen. Sie blockierten zwei Busse mit Pogida-Anhängern, es kam auch zu Stein- und Flaschenwürfen. Konditormeister T. wurde zur Last gelegt, aus der Menge heraus einen Pflasterstein in Richtung eines Polizeibeamten geworfen zu haben, was aber in der Verhandlung am Montag nicht bewiesen werden konnte.

So wackelig wie das Polizeivideo war auch die Beweisführung insgesamt. Hin und her ging die Diskussion zwischen Richterin Doris Grützmann und Norman Lenz, dem Verteidiger von Gregort T., ob sein Mandant die körperliche Gewalt eines Polizisten nur abgewehrt oder Gegenwehr betrieben habe – was als Widerstand ausgelegt werden könnte. Lenz blieb dabei: „Mein Mandant hat sich straflos verhalten.“

Beide behaupteten, von Polizisten geschlagen worden zu sein

Der Rechtsanwalt wiederholte, was auch T. ausgesagt hatte. Polizisten hätten Anti-Pogida-Demonstranten zugerufen: „Verpisst euch, ihr Arschlöcher!“ T. hatte sich zudem noch an Sätze erinnert wie: „Verpisst euch, ihr Asis, sonst schlagen wir euch windelweich.“ Verteidiger Lenz verwies auf die mehrjährige Ausbildung der Beamten: „Das geht so nicht.“ Beide Angeklagten sagten aus, von Polizisten geschlagen worden zu sein, Gregor T. ließ sich leichte Verletzungen im St.-Josefs-Krankenhaus attestieren. Beide erstatteten Anzeige gegen Beamte, sie blieben ergebnislos.

Die Angeklagten leugneten nicht, sich an einer Sitzblockade beteiligt zu haben, mit der die Weiterfahrt eines Busses voller Pogida-Anhänger gestoppt wurde. Das Gericht konnte jedoch nicht aufklären, ob sie gehört haben konnten, dass die Polizei die Gegendemonstration auflöste. Der Polizeibeamte K. bestätigte, dass die Aufforderung, den Platz zu räumen, über ein Megaphon erfolgt sei. Auf den Videoaufnahmen war allerdings auch davon nichts zu vernehmen.

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