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Demonstranten vor der Tür? Am Sonntag wollen Fluglärmgegner in der Virchowstraße vor dem Wohnhaus von BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz protestieren.

© dpa

Protestaktion: Mit dem Floß vor Schwarz’ Privathaus

Fluglärmgegner wollen vor der Wohnung von BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz demonstrieren. Die Aktion soll am Sonntag von 11.10 bis 11.50 Uhr stattfinden.

Potsdam - Dann könnte es vor dem ruhig gelegenen Mehrfamilienhaus in der Virchowstraße, in dem Schwarz wohnt, äußerst lautstark zugehen: Die Polizei hat genehmigt, dass die Aktivisten zehn Meter vom Ufer des Potsdamer Griebnitzsees mit einem Floß ankern und das Grundstück viermal drei Minuten lang mit simuliertem Fluglärm beschallen dürfen. So steht es in der Bestätigung der Polizei für die Aktion, die den PNN vorliegt.

In der Ankündigung für die Demonstration, die von der Stahnsdorfer „Problem- BER“-Kampagne organisiert wird, heißt es wörtlich: „Die Idylle am See wird mit Fluglärm bis zu 85Dezibel jäh unterbrochen.“ Das entspricht dem Geräuschpegel an einer Hauptverkehrsstraße. Man wolle etwa gegen mangelhaften Lärmschutz für Flughafenanlieger demonstrieren, für den Schwarz verantwortlich gemacht wird. Zugleich hat die Polizei genehmigt, dass an der Kreuzung Karl-Marx-/ Virchowstraße eine weitere Demonstration stattfinden kann – etwa 150 Meter von dem Wohnhaus von Schwarz entfernt. Angemeldet seien bis zu 70 Personen. Auf dem gegenüberliegenden Gehweg des Hauses von Schwarz könnten sich maximal acht Demonstranten mit Transparenten oder Plakaten aufhalten, heißt es in den Polizeiunterlagen. Der Uferweg vor dem Grundstück dürfe nicht betreten werden.

Dieser Weg ist ohnehin schon länger nicht mehr frei zugänglich. Zu den Anrainern, die ihn sperren, gehört Schwarz aber nicht. Allerdings ist die Asphaltdecke auf dem Uferweg vor dem Wohnhaus von Schwarz laut Medienberichten vor knapp einem Jahr zerstört worden. Die eigentliche Sperre des ehemaligen Spazierwegs beginnt ein Grundstück vorher.

Schwarz will sich laut der „Problem- BER“-Kampagne gegen die Aktion wehren. Der BER-Chef habe angekündigt vor das Verwaltungsgericht zu ziehen – dort war laut einem Sprecher bis gestern Nachmittag noch kein Antrag auf eine einstweilige Verfügung eingegangen. Eine Anfrage an die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, ob Schwarz klagen wolle, blieb ohne Antwort.

Es passiert nicht zum ersten Mal in Potsdam, dass Demonstranten ihre Aktionen vor Privatgrundstücken veranstalten. Bereits am 8. Juli, auch einem Sonntag, hatte die „Problem-BER“-Kampagne auf dem Babelsberger Plantagenplatz demonstriert, in unmittelbarer Nähe wohnt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Damals kamen 70 Menschen, auch damals wurde Fluglärm simuliert. Ende März hatten linke Gruppen eine Demo im Ortsteil Grube gegen den Eigentümer eines Ladengeschäfts mit der umstrittenen Modemarke „Thor Steinar“ demonstriert. Und Mitte Februar kamen rund 200 Teilnehmer zu einer Demonstration nach Babelsberg, bei der die Teilnehmer vor das Haus des Besitzers des alternativen Wohn- und Kulturprojekts „Schokoladen“ in Berlin-Mitte zogen, um den Erhalt des Zentrums zu fordern. Danach hieß es, Demonstranten hätten dem Besitzer verbal gedroht. Alle Demonstrationen waren angemeldet.

Auffällig ist, dass die Genehmigungspraxis im benachbarten Land Berlin offenbar eine andere ist. Als im Februar Fluglärmgegner direkt vor die Wohnung des Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in Berlin-Wilmersdorf ziehen wollten, erhielten sie von der Polizei und danach vom Verwaltungsgericht Berlin eine Abfuhr. Das Recht auf Privatsphäre wiege stärker als die Versammmlungsfreiheit, entschieden die Richter. In der Nähe der Wohnung – etwa in 200 Metern Entfernung – durfte aber demonstriert werden.

Auf PNN-Anfrage sagte der Jura-Professor Götz Schulze von der Universität Potsdam, die Sicherheitsbehörden in den einzelnen Bundesländern hätten jeweils einen Ermessensspielraum bei der Genehmigung von Demonstrationen. Dabei käme es aus seiner Sicht immer auch auf den Einzelfall an, so Schulze: So sei es die Frage, ob vor der Wohnung eines hohen Politikers oder eines Geschäftsführers protestiert werde und wie nah die Demonstranten der Wohnung kämen. Es gelte der Grundsatz, dass Versammlungen nicht dazu dienen dürften, jemanden zu schädigen und zum Beispiel Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Im Fall von Herrn Schwarz könne er sich „gut vorstellen“, dass so eine Verletzung vorliege, sagte Schulze. Gleichwohl sei immer auch die Frage, ob Betroffene solcher Demonstrationen durch den Gang vor Gericht zusätzlich „negative Publizität“ auf sich zögen. Die Rechtssprechung betrete bei solchen Versammlungen „Neuland“.

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