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Die Peter und Paul Kirche am Bassinplatz in Potsdam.

© Andreas Klaer

Pro & Contra: Gute Gründe für und gegen AfD-Vertreter im Gemeinderat

Im Pfarrgemeinderat der St. Peter und Paul-Kirche sitzt ein Vorstandsmitglied der AfD-Jugendorganisation. Er darf bleiben. Richtig so? Ein Pro & Contra.

Pro - von Marco Zschieck

Mit der Entscheidung, einen Politiker der Jungen Alternative Brandenburg in seinen Reihen zu belassen, hat sich der Gemeindekirchenrat der katholischen St.-Peter-und-Paul-Kirche eine schwere Bürde auferlegt. Inwieweit sich die Positionen, die der Parteinachwuchs der AfD vertritt, mit christlichen Werten vertragen, kann jeder nachlesen. Dass die Organisation vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird, sollte da ein Hinweis sein. Nicht umsonst hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, eine klare Haltung gegen Rechtsnationalismus in der Kirche gefordert. Hier tut sich also ein Widerspruch zwischen Worten und Handeln auf, der die Gemeinde nicht glaubwürdiger macht. Wie will man offen für Gläubige aller Herkunft sein, wenn im Gemeindekirchenrat jemand sitzt, dessen Organisation Europa zu einer Festung machen, das Asylrecht abschaffen und in Schulen „deutschen Idealismus“ lehren will? Oder will man nicht für alle da sein? Die Begründung der Entscheidung des Gemeindekirchenrats, dass es das Gebot der Nächstenliebe erfordere, offen und ohne Vorurteile aufeinander zuzugehen, zeugt von einer großen Portion Naivität. Mit dieser Haltung würde man auch einen blassen Wolf für ein Schaf halten. Schließlich handelt es sich nicht um irgendein AfD-Mitglied, sondern um den Landesschatzmeister und den Kreischef der Jungen Alternative. Er ist nicht einfach in die rechte Ecke abgerutscht, sondern ein aktiver Parteikader. Wer hier wen auf den rechten Weg führen will, sollte also klar sein.

Gemeindemitglieder dürften sich durchaus verschaukelt fühlen: Denn der rechte Funktionär hatte seine Parteimitgliedschaft vor der Wahl nicht offengelegt. Eine Neuwahl des Gremiums hätte diesen Umstand heilen können. Diesen Weg ist der Gemeindekirchenrat nach mehr als zwei Monaten Bedenkzeit nicht gegangen. Das steht ihm natürlich frei. Ebenso frei steht es jedem, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde selbst zu bestimmen.

Contra - von Henri Kramer

Natürlich sind die meisten Positionen, die die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative vertritt, völlig inakzeptabel. Nicht umsonst wird sie vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall Rechtsextremismus eingestuft. Und dennoch ist die Entscheidung des St.-Peter-und-Paul-Gemeindekirchenrats richtig, sich nicht von einem JA-Mitglied in seinen Reihen zu trennen. Denn einmal würde die AfD das noch mehr in ihrer Opferrolle bestätigen. Die Partei mag ja bei vielen Ekel erregen - verboten aber ist sie bislang nicht. Auch deswegen wäre ein Ausschluss wegen einer Parteimitgliedschaft unverhältnismäßig. Und wo soll das enden: Müssten auch Kommunisten weichen, gerade mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz? Ferner sind Parteizugehörigkeiten bei Vereinsmitgliedschaften grundsätzlich nicht anzeigepflichtig, schon aus Datenschutzgründen.

Jenseits solcher formalen Gründe besitzen gerade Kirchen und ihre Gemeinden mit ihrer Maxime der Nächstenliebe eine nicht zu unterschätzende Kraft zur Integration. Wenn die ehrenamtlichen Mitglieder eines Kirchenrats zum Beispiel gemeinsam religiöse Feste vorbereiten, kann ein geistiger Austausch entstehen, der vielleicht auch politisch verwirrte Köpfe zum Nachdenken verleitet. Schließt man aber AfD-Mitglieder einfach aus, dann beraubt man sich dieser Chance. Und mehr noch: Es besteht die Gefahr, dass sich die Ausgeschlossenen weiter radikalisieren - und nur noch dort Gehör finden, wo Rassismus und Hass ohnehin die Debatte vergiften. Solche Filterblasen sind schon jetzt ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Gesellschaft spaltet.

Insofern hat sich der Gemeindekirchenrat von St. Peter und Paul in dieser schwierigen Debatte des Umgangs mit der AfD vor der einfachen Lösung eines Ausschlusses wohlbegründet gehütet - und zugleich klargestellt, dass man in der täglichen Arbeit rechtsextreme Äußerungen nicht dulden wird. Und genau hier, in der eigentlichen Arbeit, muss die Toleranzgrenze gezogen werden - nicht schon im Vorfeld.

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