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Potsdams Militärstädtchen: „Mich schaudert vor solchen Einrichtungen“

Der Historiker Jan Foitzik über das frühere Potsdamer Militärstädtchen – und das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen.

Herr Foitzik, Sie beschäftigen sich seit zwei Jahrzehnten mit der Geschichte des sowjetischen Geheimdienstes und der Militäradministration in DDR. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Besuch im Potsdamer „Militärstädtchen Nummer 7“?

Ich war 1990 zum ersten Mal in Potsdam. Ob ich damals in diesem Militärstädtchen war, kann ich nicht mehr sagen. Aber irgendwann war ich auch in diesem KGB-Gefängnis. Ehrlich gesagt verstehe ich die ganzen Erinnerungsnostalgiker nicht, die sich das anschauen.

Aber es sind doch keine Nostalgiker, die sich die Gedenkstätte ansehen! Da kommen Schulklassen, ehemalige Opfer, Touristen...

Mich schaudert jedenfalls vor solchen Einrichtungen. Im Ausland sind solche Gedenkstätten auch weniger verbreitet als hier. Aber Gebäude sind nicht mein Thema, mich interessieren Papiere.

Das Militärstädtchen gilt als Westeuropa-Zentrale des Sowjet-Geheimdienstes.

Das ist Spekulation. Die KGB-Zentrale war in Berlin-Karlshorst, in allen Ländern oder später den DDR-Bezirken gab es Filialen des Geheimdienstes. Potsdam lag zu nah an der Grenze zum US-Sektor, als dass man hier eine Zentrale eingerichtet hätte. Vielleicht war sie in den Anfangsjahren in Potsdam, aber das lässt sich nicht identifizieren. In den Akten wurden oft die Straßennamen geändert, fiktive Adressen angegeben, eine Einrichtung zum Beispiel als Entbindungsheim getarnt. So suchen Historiker oft nach Orten, die es gar nicht gegeben hat.

Die Quellenlage ist schwierig?

Sehr viele deutsche Quellen sind vernichtet, vor allem über die Anfangszeit. Das deutsch-russische Verhältnis galt als tabu. Von der russischen Seite haben wir nur das, was offiziell freigegeben wird.

Was heißt das für die Erforschung?

Im Grunde ist die Organisationsstruktur des sowjetischen Geheimdienstes in der DDR kaum bekannt. Man weiß, er war bei den Truppen angebunden, nicht bei den Bezirkseinrichtungen. Aber es besteht großer Forschungsbedarf.

Was genau passierte im Militärstädtchen?

Dort lebten die sowjetischen Offiziere – im Gegensatz zu den Soldaten, die in Kasernen untergebracht waren. Ab 1946/47 achtete man darauf, dass Offiziere und Soldaten vollkommen von der deutschen Bevölkerung isoliert wurden.

Warum?

Weil man Angst hatte, dass sich Kontakte negativ auf die Bevölkerung in der Sowjetunion auswirken könnten.

Inwiefern?

Zum Beispiel, wenn die Soldaten ihren Familien schrieben, wie sie hier leben – im Wohlstand, besser als zu Hause. Das hat in Moskau Beunruhigung ausgelöst.

Die Potsdamer sollten nicht rein ins „Städtchen“, die Sowjets nicht raus?

Das war ein geschlossenes Siedlungsgebiet. Damit niemand hineingucken konnte, wurde es mit einem Bretterzaun vernagelt. Außerdem galt bei der Armee Moskauer Zeit...

... wenn es also in Potsdam zehn Uhr war, war es im Militärstädtchen zwölf Uhr.

Solche Kleinigkeiten können größere historische Wirkungen entfalten, als man meint. Das störte die Beziehungen zwischen Deutschen und Russen jedenfalls.

Andererseits gab es offiziell auch die „deutsch-sowjetische Freundschaft“.

Das beginnt 1947 mit der Bildung der Gesellschaft Studium zur Sowjetunion. Aber das wurde von oben angeordnet. Als schon 1945 vereinzelt Leute mit deutsch-sowjetischer Freundschaft anfangen wollten, hat die Sowjetische Militäradministration das unterbunden.

Die verordnete Freundschaft führte zu der paradoxen Tatsache, dass Ostdeutsche laut Studien aus der Wendezeit ein negativeres Bild der Russen hatten als Westdeutsche, wie Sie schreiben.

Es muss schon früher kritisch gewesen sein. Es gibt eine Statistik aus den 1960er-Jahren, wonach DDR-Jugendliche sehr prosowjetisch eingestellt seien – aber das kann fingiert gewesen sein. Klar ist: Das positive Meinungsbild kippte innerhalb weniger Jahre, spätestens ab 1981 gab es in der DDR offene Spannungen zwischen Deutschen und Russen, das betraf sogar die SED-Führung. Die Westdeutschen waren dagegen freundlicher eingestellt, obwohl es dort keine Einrichtungen gegeben hat, die das gefördert hätten.

Wie erklären Sie sich den Befund?

Aus denen, die lieben, werden Hassende, aus denen, die hassen, Liebende. Treu sind nur die Gleichgültigen. Gleichgültigkeit hat größere historische Bedeutung. Die Sowjetunion war weit weg, das hat die Leute nicht interessiert.

Die Fragen stellte Jana Haase

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