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Umstritten. Seit 1967 stehen die Potsdamer Attika-Figuren auf dem Dach der Humboldt-Universität in Berlin.

© Maurizio Gambarini/dpa

Potsdams bauliches Erbe: Streit um die Attika-Figuren: Verhärtete Fronten

Die Fronten zwischen Potsdam und Berlin im Streit um die Attika-Figuren des Stadtschlosses sind verhärtet. Eine Einigung ist nicht in Sicht - im Gegenteil.

Von Matthias Matern

Potsdam - Wie weit Potsdam und Berlin im Streit um die acht Attika-Figuren auf der Humboldt-Universität voneinander entfernt sind, wurde am Donnerstagabend beim 57. Stadtforums Potsdam im Treffpunkt Freizeit einmal mehr deutlich. Möglicherweise wurde der Graben zwischen den Befürwortern einer Rückkehr der Skulpturen auf das nachgebaute Stadtschloss am Alten Markt und den Gegnern einer Herausgabe sogar noch breiter.

Verein Potsdamer Stadtschloss: Wunsch vieler Potsdamer werde ignoriert

In einer emotional hoch aufgeladenen Atmosphäre trugen beide Seiten ihre bekannten Argumente vor. „Der Stiftungsrat hat das Thema mehrfach erörtert und sieht nach wie vor keinen Handlungsbedarf“, sagte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten (SPSG), denen die nach Berlin verliehen Skulpturen gehört. Auch die Universität stellte einmal mehr klar, dass sie die Skulpturen, die noch bis zur Sprengung des Potsdamer Stadtschlosses 1959/60 dessen Dach zierten, nicht hergeben will: „Man kann natürlich alte Entscheidungen heute infrage stellen. Aber für uns ist es wichtig, dass die Figuren auf und mit der Uni bewahrt werden können“, sagte Brandenburgs frühere Kulturministerin und heutige Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst. Hans-Joachim Kuke vom Verein Potsdamer Stadtschloss dagegen warf Stiftung und Uni dagegen vor, nicht nur den Wunsch zahlreicher Potsdamer schlichtweg zu ignorieren, sondern auch den vieler Hauptstädter. „Auch viele Berliner verstehen nicht, dass die Figuren nicht nach Potsdam zurückkehren. Weisen Sie bitte nach, dass eine eindeutige Mehrheit der Berliner ihrer Meinung ist“, adressierte er unter Applaus an Kunst und Dorgerloh.

Wie berichtet war die Frage der Rückkehr der acht von einstmals 76 Figuren des Potsdamer Stadtschlosses bereits in der vergangenen Woche Thema eines hochrangig besetzten Kolloquiums in Berlin. Passenderweise in der Humboldt-Universität selbst. Dort hatten sich Experten wie etwa Hans-Rudolf Maier von der Bauhaus-Universität Weimar eindeutig gegen eine Rückführung positioniert. Das Berliner Landesdenkmalamt hatte auf den Denkmalstatus des einst als Palais für Friedrichs II. Bruder Heinrich errichteten Universitätsgebäudes gepocht.

Sabine Kunst: Wechsel der Skulpturen nach Berlin als „unverzichtbare Einschreibung der Nachkriegsepoche“

Dieses Argument machten sich gestern in Potsdam auch Dorgerloh und Kunst zu eigen. Die Stiftung habe keinen Eigenbedarf an historischen Teilen für Bauten, die nicht zum Stiftungsbestand gehören und dies sei nun einmal beim Stadtschloss der Fall. Zudem könne man nicht einfach einen Vertrag mit einem Leihnehmer kündigen und die Leihgabe an jemand anderen verleihen. „Zumal die Humboldt-Universität auf der Denkmalliste steht“. Kunst bezeichnete den Wechsel der Skulpturen nach Berlin als „unverzichtbare Einschreibung der Nachkriegsepoche“. Auf dem Dach der Berliner Uni stehen die acht Figuren seit 1967. Ein Jahr zuvor waren sie als Dauerleihgabe per Vertrag von Potsdam nach Berlin gekommen.

Aus den gut 50 Jahren, die die Figuren nun an der Straße Unter den Linden in den Himmel ragen, eine historische Kontinuität zu machen, die es mit der Aufstellung der Skulpturen in Potsdam im Anfang des 18. Jahrhunderts aufnehmen könnte, hält Kuke vom Stadtschlossverein dagegen für abwegig. „Was soll Tradition sonst sein, wenn nicht, dass die Figuren wieder an ihren angestammten Ort zurückkehren“, erklärte er. Dabei berief sich Kuke auch auf die sogenannte Charta von Venedig aus dem Jahr 1964. Der Text gilt als zentrale und international anerkannte Richtlinie in der Denkmalpflege und als wichtigster denkmalpflegerischer Text des 20. Jahrhunderts. Darin heiße es, so Kuke, die Rückführung von Originalteilen müsse Priorität haben und Werke der Bildhauerei dürften nicht von ihrem ursprünglichen Bau getrennt werden. Auch hierfür erntete er Applaus aus dem äußerst gut besuchten Saal im Treffpunkt Freizeit. Letztlich forderte Kuke Stiftung, Universität und die Berliner Denkmalbehörde auf, endlich alle Dokumente rund um den Leihvertrag ins Netz zu stellen. „Die Unterlagen sind nicht zugänglich. Ich verstehe einfach nicht, warum.“

Einige Attika-Figuren sind im schlechten Zustand

Wie auf dem Kolloquium vergangene Woche in Berlin bekannt wurde, sind einige der Figuren in schlechtem Zustand. Zumindest eine müsse abgenommen und restauriert werden, räumte Kai Kappel, Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität ein. Konsens sei zudem, dass auch die anderen Skulpturen gründlich untersucht werden müssten. „Wenn alle notwenigen Maßnahmen erfolgt sind, ist die Standsicherheit aber noch über Jahre gewährleistet.“

Ein Zuhörer wollte in der Diskussion wissen, ob nicht zumindest die eine Figur so lange zur Verfügung gestellt werden könne, um eine Kopie anzufertigen. Dorgerloh nahm dies zum Anlass, um erneut den Umgang mit Geschichte in Potsdam infrage zu stellen. „Wenn jemand von den Skulpturen Kopien machen will, spricht nichts dagegen. Die Frage ist nur, wie geht man mit einem Original um und wie mit der Vergänglichkeit der Kunst“, so der Chef der Schlösserstiftung. Auch zu preußischen Zeiten seien, etwa in den Parks und Gärten, Figuren umgesetzt worden. Was nun deren historischer Standort ist, sei eben eine schwierige Frage. „Man kann einfach nicht überall Kopien hinstellen. Das ist meines Erachtens auch eine Entwertung des Originals“, so Dorgerloh.

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